Liga-Legende im "Heute"-Talk
Sonnleitner: "Osterwunder gibt es nur alle zehn Jahre"
Sehen wir am Ostersonntag ein 7:0? Fällt die Titel-Vorentscheidung? Mario Sonnleitner macht für "Heute" den großen Bundesliga-Check.
Mario Sonnleitner gehört einem elitären Kreis an. Als einer von nur 34 Spielern hat er es in seiner Karriere auf mehr als 400 Bundesliga-Partien gebracht. Die letzte am 2. Juni 2023 im Dress von Hartberg, die meisten für Rapid (265) und Sturm (83).
Der in Wien lebende Steirer ist somit der perfekte Experte für die kommende Runde. Im "Heute"-Talk schätzt der 37-Jährige das Gipfel-Duell zwischen Sturm und Salzburg ein, spricht über das Wunschergebnis seiner Ex-Teams Hartberg und Rapid – und erzählt über seine neue Tätigkeit als Co-Trainer.
Herr Sonnleitner, Sie sind ein großer Kenner der Bundesliga. Am Wochenende trifft Sturm auf Salzburg, es ist das Duell Zweiter gegen Erster. Welche Bedeutung hat der Ausgang dieser Partie?
"Eine sehr große. Das Spiel steigt nach einer Länderspielpause, der Rhythmus von vor zwei Wochen wurde gebrochen. Beide hatten einige Nationalspieler abgestellt, die haben im Training natürlich gefehlt. Ich denke, wenn Salzburg gewinnt, sind sie nur noch schwer einzuholen. Es sind nicht mehr so viele Spiele und fünf Punkte wären schwer aufzuholen. Sturm hat jedoch in den letzten Monaten gezeigt, dass sie Paroli bieten können. Es wird sicher ein intensives Match, ein offener Schlagabtausch. Es ist ein 50:50-Spiel. Die Tagesverfassung wird entscheiden."
Die Partie steigt am Ostersonntag, so wie 2008 Rapids legendäres 7:0 gegen Salzburg. Damals waren die Hütteldorfer in der Sturm-Rolle, übernahmen mit dem Sieg die Tabellenführung und wurden Meister. Ist so ein Ergebnis wieder denkbar?
"Ich kann es mir nicht vorstellen. Solche Osterwunder gibt es vielleicht alle zehn Jahre, wenn überhaupt. Ich glaube eher an ein enges Rennen und dass Kleinigkeiten entscheiden."
Sturm hat es geschafft, am Rasen die Schere zu Salzburg zu schließen. Wie?
"Christian Ilzer hat der Mannschaft ein sehr gutes System eingeimpft. Die Abläufe sind klar, sie spielen sehr intensiv. Auch die Transfers passen, machen Sturm sukzessive besser. Dazu haben sie die langjährigen Stützen halten können. Das ist der große Unterschied zu Salzburg. Dort brechen die Leistungsträger meistens weg. Die individuelle Qualität ist eventuell bei ihnen trotzdem höher, weil sie einen riesigen Fundus an Talenten haben. Die Erfahrung und Kontinuität spricht aber eher für Sturm."
Doppelt brisant: Vier Tage später kommt es im Cup-Halbfinale schon wieder zum Duell, dann in Salzburg. Wie legt man so ein "Doppel" an?
"Beide Spiele sind in dieser Phase extrem wichtig. Es kann sein, dass sie die Saison maßgeblich beeinflussen. Wenn Sturm zwei Mal gewinnt, kann es eine Traumsaison für sie werden. Wenn sie zwei Mal verlieren, eine enttäuschende. Von der Brisanz her unglaubliche Partien, auch mental sehr fordernd."
Für Sie noch interessanter ist vermutlich das Duell Ihrer Ex-Klubs Hartberg gegen Rapid. Wem drücken Sie die Daumen?
"Ich mag natürlich beide Vereine, bin aber im Herzen schon Rapidler. Ich sage so: Wenn Rapid alle anderen Spiele gewinnt, wäre ein Unentschieden okay. Ich bin jedenfalls im Stadion und freue mich schon drauf."
Bei den Hütteldorfern stand in den letzten Wochen nicht das Sportliche im Mittelpunkt. Kehrt jetzt wieder Ruhe ein?
"Ich hoffe. Die Pause haben sie sicher genutzt, um die Akkus aufzuladen. Denn mental war das schon sehr fordernd. Es wurde genug darüber diskutiert, jetzt sollte der Fußball wieder im Fokus stehen. Ich denke, sie werden gut vorbereitet sein. Denn eigentlich hatten sie eine gute Phase, sie sind heuer auch noch ungeschlagen. Die Handschrift des Trainers ist zu sehen, sie entwickeln sich gut."
Sie waren lange Rapidler, kennen das Gefühl, in der Öffentlichkeit zu stehen, jeder Fehltritt wird bemerkt. Wie schwierig ist es, das stets im Hinterkopf zu haben?
"Man weiß natürlich, dass man aufpassen muss, was man sagt oder postet. Viele Dinge sind mit Vorsicht zu genießen. Man steht in der Öffentlichkeit, muss dementsprechend handeln. Man hat eine Vorbildfunktion für die Jugend und die Gesellschaft. Gleichzeitig sind wir alle nur Menschen, jedem passieren Fehler. Die Zeit ist schnelllebig, Videos werden rasch online gestellt, verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Man muss wissen, was man tut."
Aus sportlicher Sicht: Was ist für Rapid heuer möglich?
"Ich denke, sie können in die Europacup-Plätze reinstoßen, wenn sie die Leistungen der letzten Wochen abrufen können. Deshalb sollten sie gegen Hartberg schon gewinnen."
Und was ist für Hartberg drin?
"Ihr Vorteil ist ja, dass nicht viele mit ihnen im oberen Play-off gerechnet haben. Die letzten Wochen waren von den Ergebnissen her allerdings nicht mehr so prickelnd. Sie können dennoch jeden schlagen, die Qualität ist gut."
Wäre ein Sieg gegen Rapid überhaupt noch eine Überraschung?
"Wenn man die letzten Jahre betrachtet, ist Rapid ein Gegner, der Hartberg liegt. Ich habe auch gegen sie gewonnen. Rapid muss schon aufpassen, weil der Name trügt ein wenig. Hartberg hat gute Fußballer, ist gegen die Großen immer sehr motiviert."
Neben Trainer Markus Schopp ist Max Entrup einer der Stars. Sie kennen ihn aus der kurzen gemeinsamen Rapid-Zeit. Erstaunt Sie seine Wandlung?
"Nicht wirklich. Als er als junger Spieler zu Rapid kam, habe ich seine Qualitäten schon bemerkt. Er wusste, wo das Tor steht. Leider sind dann die ganzen Geschichten auf ihn eingeprasselt, das war mental sicher schwer zu verkraften. Er hat dann einen Schritt zurück gemacht, ist nach St. Pölten und später sogar in die Regionalliga gegangen. Von dort hat er sich wieder raufgekämpft, das verdient großen Respekt. Er hat gezeigt, dass sich harte Arbeit irgendwann lohnt. Seine Geschichte kann ein Ansporn für viele sein. Egal, wie alt man ist, wenn man seinem Ziel alles unterordnet, kann man im Leben viel erreichen."
Sie selbst haben Ihre Karriere mittlerweile beendet, sind seit einigen Wochen Co-Trainer bei Landesligist ASV 13. Wie kam es dazu?
"Mein Sohn spielt hier im Nachwuchs. Und die Kampfmannschaft hängt im Abstiegskampf fest. Sie haben mich schon länger gebeten, dass ich sie unterstütze. Ich habe im Winter nach ein paar Gesprächen beschlossen, zu helfen, meine Ideen und Erfahrungen einzubringen. Jetzt bin ich seit einem Monat dort und ich sehe schon eine Entwicklung. Das macht Spaß. Wir müssen punkten, um vom letzten Platz wegzukommen. Gegen den Vorletzten haben wir zuletzt gewonnen."
Eine Doppelrolle als Spielertrainer kam für Sie nicht infrage?
"Eigentlich nicht. Denn wenn man noch aktiv am Platz steht, fehlt oft der Überblick, um richtige Entscheidungen zu treffen. Ich finde, man sollte Spieler oder Trainer sein, bei einer Mischung kommt oft wenig Gescheites raus."
Ihr letztes Match liegt neun Monate zurück. Vermissen Sie die Zweikämpfe, Kopfballduelle und Grätschen?
"Der Fußball macht mir noch immer Spaß, aber ich habe mit der Spielerkarriere abgeschlossen."
War es schwer, zu akzeptieren, dass das Kapitel zu Ende geht?
"Ich habe schon ein bisschen gebraucht. Im Sommer wusste ich noch nicht, ob und wie es weitergeht. Ich habe mich ein, zwei Monate fit gehalten, habe geschaut, ob es interessante Angebote gibt. Die meisten Anfragen kamen aber aus unteren Ligen, das hat mich nicht gereizt. Ich wollte immer in der Bundesliga aufhören. Da wusste ich eigentlich, dass es vorbei ist. Ich habe mir dann Gedanken gemacht, Abstand vom Fußball genommen. Seit Winter widme ich mich aber wieder intensiv meinem Lieblingssport."
Ihre Zukunft liegt also im Trainerwesen?
"Ich glaube schon. Es ist gut, dass ich bei einem unterklassigen Verein starten und lernen kann. Denn es gehören auch ganz simple Dinge zu meinen Aufgaben: Organisatorisches, Administratives, Übungsaufbau, Erklärungen. Als Profi bist du damit nie konfrontiert, da bist du Konsument. Jetzt bin ich der, der etwas vorgibt. Eine wertvolle Erfahrung."