Wien
Sogar Würstelstand stellt Zwangs-Trinkgeld in Rechnung
Bei einem Wiener Würstelstand wurde der Käsekrainer Hotdog seit 2021 um zwei Euro teurer. Zusätzlich wird nun automatisch Trinkgeld verrechnet.
Aus den USA kennt man das. Egal ob im Restaurant, Café, oder sonstigen Dienstleistungen, hat man grundsätzlich 18, 20 oder gar noch mehr Prozente an Trinkgeld zu geben. Diese machen immerhin einen Großteil des Lohns der Angestellten aus. In Österreich sollte dieser grundsätzlich zum Überleben reichen, um annehmbar zu verdienen, rechnet man in den meisten Fällen jedoch mit rund zehn Prozent.
Weil in Zeiten der Teuerung die Preise auf den Speisekarten aber immer weiter nach oben schnellen, das Börserl dabei nicht mitkommt, verzichten immer mehr Menschen auf die Zusatzgabe, klagen Branchenvertreter. Ein Lokal am Naschmarkt ging deswegen dazu über, diesen Prozentsatz automatisch unter dem Posten "Service" in Rechnung zu stellen. Die Mitarbeiter seien darauf angewiesen – ihnen ein höheres Gehalt zu zahlen kommt dem Wirt offenbar nicht in den Sinn.
Naschmarkt-Lokal kassiert automatisch 10 Prozent Trinkgeld >>
Zwangstrinkgeld am Würschtler
Besonders kurios wird es aber, wenn es kein Geschirr und keine zu bewirtschaftenden Sitzplätze, sondern nur eine Essensausgabe auf die Hand gibt. Denn wie die "Kronen Zeitung" berichtet, stellt nun sogar ein bekannter Würstelstand vor der Wiener Albertina eine Servicepauschale in Rechnung. Vier Prozent zahlt man für Hot Dog, Hüsn und Würstel als Servicepauschale.
Ein kurzer Blick auf Google Maps beweist dieses Vorgehen. Dort haben einige Kunden ihre Rechnungen hochgeladen. Ein Tourist bestellte etwa einen Käsekrainer Hot Dog um 7 Euro, dazu Pommes um 3,10 Euro. Als dritter Posten sind 0,40 Euro als Trinkgeld ausgewiesen. Und: Im Herbst 2022 kostete der Hot Dog noch 6 Euro, 2021 waren es 5 Euro.
Auch Betreiber Josef Bitzinger bestätigt das der "Krone", die Pauschale wird auf der Speisekarte ausgewiesen. "Die Leute geben freiwillig immer weniger Trinkgeld. Die gesamte Summe kommt meinem Personal zugute."
"Heute"-Straßenumfrage – so denken die Wiener über Zwangs-Trinkgeld:
"Zwangs-Trinkgeld" in Lokal – das sagen die Wiener >>
"Blödsinn"
Gegen solch ein Vorgehen stellt sich sogar Gastronomie-Obmann Mario Pulker. ""Es ist ein Blödsinn, was der Kollege da von sich gibt", sagte er zum Naschmarkt-Fall. Die Mitarbeiter würden nicht vom Trinkgeld, sondern vom Gehalt leben. Schließlich gebe es einen Kollektivvertrag. Beim Würstelstand, der hauptsächlich Gäste aus dem Ausland hat, dürfte die Lage aber etwas anders sein.
Gastro-Chef Pulker zu Zwangstrinkgeld: "Blödsinn…"
Denn meistens sind es nicht die Österreicher, die kein Trinkgeld geben, sondern eher die Touristen. Aber nicht aus Böswilligkeit, sondern weil es mittlerweile in vielen Ländern üblich ist, dass eine Servicepauschale verrechnet wird. Somit glauben Gäste aus dem Ausland, dass ein weiteres Trinkgeld nicht nötig ist. "Wenn also ein Gastronom zu 95 Prozent ausländische Gäste hat und sich für die Pauschale entscheidet, kann das von diesem Gesichtspunkt aus durchaus sinnvoll sein. Bei hauptsächlich einheimischen Gästen kann es aber zu Ärger führen", so Pulker zu "Heute".
Ein weiteres Problem mit der Servicepauschale sei, dass sie sowohl der Wirt als Einnahme, als auch die Servicekraft als Lohnbestandteil versteuern muss. Somit würden von 10 Prozent Servicepauschale weit weniger übrig bleiben, als von 10 Prozent Trinkgeld. "Das ist eine rechtliche Grauzone und kann zu Problemen bei Prüfungen durch die Finanz führen", warnt der Gastro-Obmann.