Wien
Sogar "rote" Arbeiterkammer kritisiert Fernwärme-Hammer
"Hochproblematisch!" Mit einer Verdoppelung der Fernwärmepreise drohen viele Haushalte in die Armut abzurutschen, warnt AK Präsidentin Renate Anderl.
Die geplante Erhöhung der Preise bei Fernwärme schockte Dienstagabend viele Wiener. Ein Plus von 92 Prozent bedeutet für einen durchschnittlichen Haushalt jährliche Mehrkosten von 540 Euro – "Heute" berichtete. Zusammen mit den anderen zum Teil massiven Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Co. reißt die Erhöhung ein riesiges Loch in die Geldbörse von 440.000 Haushalten. Bei vielen wackelt nun der Sommerurlaub, manche können sich schlicht das Leben nicht mehr leisten
Fernwärme wird laut Arbeiterkammer überproportional häufig von einkommensschwachen Haushalten genutzt. Damit habe diese exorbitante Erhöhung auch sozialpolitisch negative Auswirkungen: "Die Menschen kämpfen derzeit schon massiv mit den gestiegenen Preisen für Energie, Wohnen und Lebensmittel. Mit einer Verdoppelung der Fernwärmepreise drohen viele Haushalte in die Armut abzurutschen. Das muss verhindert werden“, betont AK Präsidentin Renate Anderl am Mittwoch.
Arbeiterkammer will Erhöhung "genauestens prüfen"
Auch wenn man die wirtschaftliche Situation der Wien Energie in Rechnung stellen würde – die Produktionskosten für die Erzeugung von Fernwärme, bei der immer noch fast zu zwei Drittel Erdgas eingesetzt werden, sind gestiegen – sei eine Verdopplung der Preise aus Sicht der AK nicht akzeptabel. Die AK Wien werde im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Antrag der Wien Energie auf Erhöhung des Höchstpreises für Fernwärme genauestens prüfen. Im Rahmen des Preisgesetzes kann die AK Wien eine Stellungnahme abgeben, allerdings steht ihr in der Preiskommission gemäß Preisgesetz nur ein Anhörungsrecht zu.
Derzeit sind die Rechte der Fernwärme-Kunden laut AK sehr schwach. Die Arbeiterkammer fordert daher in einem ersten Schritt dringend notwendige Ausgleichsmaßnahmen.
Das fordert die Arbeiterkammer
Für die Abfederung der massiven Erhöhung der Fernwärmepreise sollten einkommensschwache Haushalte einen Anspruch auf Ausgleichszahlung von mindestens zwei Drittel der Erhöhung haben.
Einrichtung einer unabhängige Ombudsstelle für Fernwärme, die sowohl fachlich, personell als auch finanziell ausreichend ausgestattet wird, damit sie hilfesuchende Haushalte effizient unterstützen kann.
Selbstverpflichtung der Wien Energie, sich dem Verfahren der allgemeinen Schlichtungsstelle für Verbrauchergeschäfte zu unterwerfen. Derzeit beruht dies auf reiner Freiwilligkeit der Unternehmen.
Selbstverpflichtung der Wien Energie zu einem Recht auf Ratenzahlung - auch für Rückstände bei Fernwärme, analog zur gesetzlichen Regelung für Strom.
Aber auch die Bundesregierung sei gefordert, ein umfangreiches Entlastungspaket gegen die Teuerungswelle zu schnüren und die Möglichkeiten, die EU-Kommission den Mitgliedstaaten bietet vollinhaltlich zu nutzen, wie Gewinnabschöpfung oder Einführung eines Deckels für Gaspreise, wie das auch Spanien und Portugal eingeführt haben. Ebenso wie eine dauerhafte Anhebung der Sozialleistungen.
Opposition kritisiert Preis-Hammer
Auch die Opposition kritisiert die Beinahe-Verdopplung der Fernwärmepreise. Wiens ÖVP-Landesparteiobmann Karl Mahrer fragt: "Wo bleibt hier die vielbeschworene soziale Gerechtigkeit der Wiener SPÖ?"
Einen "sofortigen Stopp der fossilen Teuerungslawine" fordern die Parteivorsitzenden der Grünen Wien, Judith Pühringer und Peter Kraus. "Eine halbe Million Wiener Haushalte müssen dann 500 Euro mehr für Fernwärme bezahlen. Das kann so nicht weitergehen. Wir müssen jetzt die Gewinne der Wien Energie an die Bevölkerung weitergeben, anstatt sie mit einer Verdopplung der Preise noch weiter zu belasten. Schon jetzt wissen viele Wiener:innen nicht, wie sie über die Runden kommen; das darf nicht noch weiter verschärft werden", so Pühringer.
Die Wien Energie verzeichnete 2020 einen Rekordgewinn, dieser müsse jetzt an die Kunden weitergegeben werden, statt sie draufzahlen zu lassen. "Bürgermeister Ludwig kann das, denn die Wien Energie gehört der Stadt Wien", so Pühringer und Kraus.