Wien
So rasch wird aus Whatsapp-Spaß strafrechtlicher Ernst
Ein neues Projekt soll Schülern die rechtlichen Folgen vermeintlicher Kavaliersdelikte erklären. 70 Wiener Schulen sind bereits angemeldet.
"Nicht alles, was Spaß macht, ist auch Spaß", erklärt der Schulleiter des Lise Meitner Realgymnasium Hilarius Graf. "Fast täglich" sei er mit Auseinandersetzung, das heißt der einen oder anderen Form von Gewalt an seiner Schule konfrontiert. Corona spiele dabei keine Rolle, vielmehr aber der Wandel der Kommunikation: So ist vor allem ein Anstieg beim Cybermobbing, Hass im Netz, unbefugten Bildaufnahmen oder üble Nachrede zu verzeichnen.
Dass Beleidigungen von Lehrern und Mitschülern oder vermeintlich harmlose "ich mach dich fertig"-Nachrichten in Whatsapp-Gruppen aber weit über "war doch nur Spaß" hinaus gehen und strafrechtliche Konsequenzen haben können, wissen die Schüler kaum. Daher startet nun das neue Projekt "Gewalt und Hass – Prävention an Schulen: die Rechtsanwaltschaft klärt auf" der Rechtsanwaltskammer Wien.
Schulprobleme am Mittagstisch als Zünder für Gewaltprävention
Die Idee kam von RAK Wien-Präsident Dr. Michael Enzinger, wie er "Heute" erzählt: "Viele meiner Verwandten sind Pädagogen. Beim Mittagstisch kamen daher auch immer wieder Schulprobleme zur Sprache". Da viele Schüler aber gar nicht wissen, dass sie Taten begehen, die strafrechtlich relevant sein können, fragte Enzinger bei seinen Anwaltskollegen, ob diese bereit wären, in Schulen aufzuklären.
Die Idee stieß auf großes Interesse, mittlerweile sind über 130 Rechtsanwälte bei der Gewalt-Prävention mit an Bord. Unterstützt wird das Projekt auch von Bildungsdirektor Heinrich Himmer, der betont: "In Wien vertreten wir eine klare Null-Toleranz- Haltung gegenüber Gewalt an den Schulen. Diese Haltung erfordert Präventions- und Aufklärungsarbeit, denn viele Kinder und Jugendliche sind sich der Tragweite mancher Handlungen nicht bewusst".
So kommen die Rechtsanwälte in die Schulen
Das Angebot richtet sich an alle Wiener Schulen und Schüler der 7. bis 9. Pflichtschulstufe. Interessierte Schulen können sich bei der RAK Wien melden, ihnen wird dann ein Vertreter aus der Rechtsanwaltschaft zur Seite gestellt. Danach wird gemeinsam ein Termin vereinbart, an dem die Schule besucht wird. Der "Rechtsunterricht" nimmt eine Schulstunde in Anspruch, anhand einer pädagogisch abgestimmten Präsentation wird den Schülern das Thema erklärt. Und Fragen geklärt, etwa was strafrechtliche Handlungen sind, wann eine rote Linie überschritten wird, welche Arten von Strafen es gibt und was die Folgen von Cybermobbing, übler Nachrede und Hasspostings im Netz sind.
Teenies drohen "eher Geld- statt Freiheitsstrafen"
"Das Strafrecht ist die äußerste Grenze", betont Enzinger. Damit es gar nicht so weit komme, sei es daher so wichtig auf "Aufklären statt Strafe" zu setzen. Bei Jugendlichen seien Freiheitsstrafen aber selten, eher komme es zu Geldstrafe. Wie hoch diese ausfallen, hängt vom Einkommen der Eltern ab. Und in manchen Fällen können auch diese belangt werden, etwa wenn eine Verletzung der Aufsichtspflicht nachgewiesen wird.
Interesse groß: Bisher schon 70 Wiener Schulen angemeldet
Dass viele Jugendliche nicht wissen, was sie mit ihren Handlungen auslösen können, bestätigt auch Schulleiter Graf: "Gerade im Alter von 14 Jahren, wenn die Strafmündigkeit beginnt, empfinden es viele junge Erwachsene noch als Spaß, wo anderen eigentlich bereits Schaden zugefügt wird. Dass so manche Handlung dabei auch schon strafbar ist, vergessen viele Schülerinnen und Schüler, aber leider auch einige Eltern. Vorträge und Aktionen wie diese helfen uns sehr".
Die Initiative "Gewalt und Hass – Prävention an Schulen: die Rechtsanwaltschaft klärt auf" wurde im vergangenen Herbst als Pilotprojekt gestartet und wird nun ausgerollt. Die Aktion startet noch im April und soll zunächst bis zu den Sommerferien geblockt ablaufen. Im neuen Schuljahr 2022/23 soll diese fortgesetzt werden, solange es interessierte Schulen gibt – 70 Schulstandorte haben sich mit insgesamt 240 Klassen bereits angemeldet.