Oberösterreich

"Skandal" – Paar zieht um, Amt nimmt ihm Kinder weg

Ein Ehepaar betreute zwei Geschwister monatelang. Als sie umziehen wollten, schritt die Kinder- und Jugendhilfe ein: Sie nahm ihnen die beiden ab.

Johannes Rausch
"So darf man mit Pflegekindern nicht umgehen": Anwalt Friedrich Schwarzinger, der zwei Betreuungseltern in einem Fall vertritt.
"So darf man mit Pflegekindern nicht umgehen": Anwalt Friedrich Schwarzinger, der zwei Betreuungseltern in einem Fall vertritt.
Land OÖ, privat

Vergangenes Jahr entschieden sich Doris und Hans Roth (Namen der Redaktion bekannt; Anm.) aus dem Bezirk Wels-Land, zwei Kinder aus schwierigen Verhältnissen bei sich aufzunehmen: Zuerst wohnte ein Mädchen (6) bei ihnen, später kam auch noch ihr Bruder (3) dazu. Dort sollten die beiden Heranwachsenden auf unbestimmte Zeit wohnen.

Hintergrund: Die leiblichen Eltern waren überfordert, nach einer kurzen Phase im SOS-Kinderdorf in Altmünster (Bez. Gmunden) wurden die Kinder dem Paar übergeben.

Umzug vom Burgenland nach OÖ

Doris gab vor vielen Jahren ihren Beruf als Kindergarten-Pädagogin auf. Sie zog mit ihrem Mann vom Burgenland nach Oberösterreich, um im SOS-Kinderdorf Erfahrung mit Pflegekindern zu bekommen. 

Das Ehepaar meldete den Plan, wieder ins Burgenland zurückziehen, der Kinder- und Jugendhilfe. Daraufhin meldete sich das Amt und drohte, die zwei Kinder mit der Polizei abzuholen. Die Eheleute übergaben die Geschwister schließlich selbst an die Behörde.

Eine weitere drastische Folge: Mittlerweile hat der Arbeitgeber von Doris – die Betreuungseinrichtung plan B gem. GmbH in Leonding (Bez. Linz-Land) – das Dienstverhältnis beendet. 

Laut Anwalt der springende Punkt: Die BH Vöcklabruck habe mit plan B gem. GmbH eine Vereinbarung über die Pflege der Kinder getroffen. In einem Passus sei erwähnt, dass die betreuenden Eltern in der Nähe der leiblichen Eltern wohnen müssen. "Es wäre null Aufwand gewesen, das zu ändern und auch das Burgenland miteinzubeziehen."

Antrag an BH geschickt

"So darf man mit Pflegekindern nicht umgehen", sagt Friedrich Schwarzinger im Gespräch mit "Heute". Schwarzinger vertritt das Ehepaar als Rechtsanwalt. "Das ist ein Skandal. Ich bin seit 25 Jahren Anwalt, aber derart Vergleichbares habe ich noch nicht erlebt." 

In seinem Antrag an die BH Vöcklabruck schrieb Schwarzinger: "Da völlige Zufriedenheit mit der Betreuung der beiden Kinder herrscht, stellt die Installierung eines neuen Betreuungsplatzes eine extreme Kindeswohlbeeinträchtigung dar." 

"Private und berufliche Gründe"

"Der Umzug ist aus dem Leben gegriffen und war ursprünglich nicht geplant", erklärt Schwarzinger. Neben der Erbschaft eines Bauernhofes dürfte auch beruflich für den Mann eine Veränderung passiert sein. Laut Schwarzinger hätte es "private und berufliche Gründe" gegeben.

"Die Übersiedlung war den Pflegekindern zuliebe seit Dezember 2022 in Planung und hätte nun bis Ende August – also rechtzeitig zu Beginn der neuen Schule für das Mädchen – stattfinden sollen."

Kinder bei neuer Familie

"Die zwei Kinder sind jetzt in einer entspannten Atmosphäre bei einer neuen IN-Familie im Bundesland", sagt Theresia Schlöglmann im "Heute"-Gespräch. Sie ist Leiterin der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe beim Land OÖ. "Sie sind gut versorgt und wohlauf."

Für Schlöglmann ist der Fall eindeutig: Bei der Kinder- und Jugendhilfe gebe es vier unterschiedliche Formate: Krisen-Pflegeplätze, Pflegeeltern, stationäre Einrichtung und sogenannte IN-Familien. Bei dem Ehepaar aus dem Bezirk Wels-Land handelt es sich um eine IN-Familie.

Das bedeutet, dass ein Kind in dieser Familie nicht dauerhaft gepflegt wird. "Die Behörde hat zu sorgen, dass Elternkontakte stattfinden müssen", so Schlöglmann. Außerdem müsse es eine Rückführungsabsicht geben. 

Im vorliegenden Fall gebe es "keine geringe Entfernung", spielt Schlöglmann auf die Distanz zwischen Burgenland und Oberösterreich an. Es sei nicht sinnvoll, wenn die IN-Familie und die leiblichen Eltern zu weit voneinander entfernt wohnen.

42 Prozent der Wiener Pflegekinder auswärts betreut

Zu Jahresbeginn wurde in der Bundeshauptstadt ein neuer Stadtrechnungshofbericht veröffentlicht. Fazit: Den Wiener Pflegekindern fehlen Pflegefamilien vor Ort. Neben der geringen Versorgung mit Pflegefamilien moniert der Bericht auch Mängel in der Organisation im Bereich Pflegekinder und Pflegefamilien.

Viele Kinder müssten außerhalb Wiens untergebracht werden oder bereits im Kleinkindalter in Krisenzentren statt einer liebevollen Familie leben.

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