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Seouls KI-System, das Strafen automatisch ausstellt

Das Seoul Transport Operation and Information Service, kurz TOPIS, ist das zentrale Verkehrsmanagementsystem der Millionenstadt, das autonom agiert. 

Rene Findenig
Hochmoderne Zentrale ohne Mitarbeiter: TOPIS arbeitet völlig selbstständig – und macht laut den Verantwortlichen "keine Fehler".
Hochmoderne Zentrale ohne Mitarbeiter: TOPIS arbeitet völlig selbstständig – und macht laut den Verantwortlichen "keine Fehler".
Rene Findenig

Seoul TOPIS, das Seouler "Transport Operation and Information Service", ist so beeindruckend wie hierzulande undenkbar zugleich. 1998 eingeführt, entwickelte sich das einstige Verkehrsüberwachungssystem bis heute zu einem modernen und smarten Rundum-Programm, das so gut wie alles in Seoul regelt, was auf den Straßen und Gleisen der 10-Millionen-Einwohner-Metropole passiert. Und alles meint nicht nur Live-Bilder von den Straßen der Stadt, sondern auch Parkvergehen, Verkehrsstrafen, Behinderungen und Unfälle, Staus, Klimazonen-Regelungen oder auch Naturkatastrophen und Demos.

Staus gibt es in den Stoßzeiten in Seoul immer wieder. Das System schlägt aber selbstständig alternative Routen vor.
Staus gibt es in den Stoßzeiten in Seoul immer wieder. Das System schlägt aber selbstständig alternative Routen vor.
Rene Findenig

TOPIS sei ein "ein intelligenter Stadtverwaltungsknotenpunkt für Großstädte, der Transport, Katastrophen und andere sicherheitsrelevante Ereignisse auf integrierte Weise verwaltet. Es handelt sich um ein fortschrittliches Transportinformationssystem, das in Notfällen schnelle Maßnahmen und Reaktionen sowie die Vorhersage und Vermeidung von Transportproblemen" ermögliche, noch bevor riesige Datenmengen gesammelt und analysiert werden müssen, so die Selbstbeschreibung der TOPIS-Zentrale, die direkt im Rathaus der südkoreanischen Hauptstadt untergebracht ist.

"Der Computer macht keine Fehler"

Hier werden auf riesigen Monitoren Live-Bilder von den Straßen Seouls eingespielt, rund um die Uhr, ohne Unterlass – treten Überschwemmungen, Unfälle oder Behinderungen im Öffi-Verkehr auf, reagiert das System sofort und selbstständig. Heißt: Menschen greifen hier kaum noch ein – und sind zum Teil nicht mal mehr vor Ort. Beim "Heute"-Besuch in der TOPIS-Zentrale schlenderte gerade einmal ein Mitarbeiter durch die leeren Reihen an Bürotischen und -stühlen. Das System könne auf alle Arten von Ereignissen automatisiert reagieren, wurde uns gesagt – einberufen würden Mitarbeiter in Ausnahmesituationen.

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    Seoul TOPIS, das Seouler "Transport Operation and Information Service", ist so beeindruckend wie hierzulande undenkbar zugleich.
    Seoul TOPIS, das Seouler "Transport Operation and Information Service", ist so beeindruckend wie hierzulande undenkbar zugleich.
    Rene Findenig

    Das System geht aber weit über das hinaus, was man etwa hierzulande von einer Verkehrsüberwachung der Asfinag kennt. So erkennt TOPIS nicht nur Unfälle und Staus, sondern schaltet im Bedarfsfall auch Ampeln an Kreuzungen und Tunneln auf Rot, sperrt Fahrstreifen per Informationen auf den Überkopf-Anzeigen der Fahrbahnen, spielt Alternativrouten in die Navis der vernetzten Fahrzeuge ein und alarmiert Einsatzkräfte und Abschleppunternehmen. Und ja, auch die Verkehrsstrafen kommen mittlerweile fast "live" zu den Verkehrsteilnehmern. Fehlerquote? "Der Computer macht keine Fehler", so die knappe Antwort.

    Daten werden bis zu fünf Jahre gespeichert

    Wie die Strafen ausgegeben werden, ist hierzulande wohl noch auf Jahre hinaus undenkbar. Beispiel Falschparker: Kameras erfassen das jeweilige Fahrzeug quasi sofort, sobald es in einem Parkverbot abgestellt wird. Auf den riesigen Monitoren in der TOPIS-Zentrale wird dann das Auto, das Kennzeichen und der Fahrer oder die Fahrerin in Großaufnahme erfasst – vielleicht auch ein Grund, warum in Seoul vermehrt Fahrzeuge mit komplett verdunkelten Scheiben zu sehen sind. "Beweise" gehen schnurstracks an die Behörden, die Strafe kommt fast live aufs Handy, sofern der Sünder eine Verkehrs-App nutzt.

    Beeindruckend und beängstigend: Die KI erfasst automatisch Verkehrssünder, meldet sie an die Behörden und Strafen gibt es auf das Smartphone.
    Beeindruckend und beängstigend: Die KI erfasst automatisch Verkehrssünder, meldet sie an die Behörden und Strafen gibt es auf das Smartphone.
    Rene Findenig

    Ohne App gibt es die Strafe schriftlich an die Postadresse. Zu Fehlern der KI soll es weder bei Rasern, noch bei Verkehrsteilnehmern, die zu schnell sind, rote Ampeln überfahren oder mit einem Wagen mit zu hohen Abgaswerten in die "Green Transport Zones" der Stadt fahren, kommen. Beeinspruchen kann man die Strafen – etwa, wenn ein Familienmitglied gefahren oder es zu einem Vergehen wegen eines medizinischen Notfalls gekommen ist. Das muss man nachweisen. Gesammelte Daten würden bei TOPIS übrigens je nach Art nur eine Stunde oder aber auch bis zu fünf Jahre gespeichert. 

    Auch selbstfahrende Busse sind im Einsatz

    Es gehe aber nicht um Bestrafungen, sondern darum, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu erhöhen, wird vor Ort immer wieder betont. Und auch für mehr Komfort in der dichtbesiedelten Stadt ist man bemüht. So zeigt TOPIS nicht nur vergleichbar mit Wien an, wann der nächste Bus oder die nächste U-Bahn verkehren, sondern auch, ob das Verkehrsmittel bereits gut gefüllt ist oder es noch jede Menge freie Sitz- und Stehplätze gibt. Während Live-Analysen zudem Ausweichrouten bei Behinderungen erstellen, werden Streckenpläne mittel- und langfristig an Fahrgast- und Verkehrsaufkommen angepasst.

    Nicht alles ist in Sachen Datenschutz und Privatsphäre so bedenklich wie die Echtzeit-Erfassung – etwa die Anzeige, wie voll oder leer Öffis sind.
    Nicht alles ist in Sachen Datenschutz und Privatsphäre so bedenklich wie die Echtzeit-Erfassung – etwa die Anzeige, wie voll oder leer Öffis sind.
    Rene Findenig

    TOPIS erfasst und analysiert neben Privat- und Öffi-Verkehr außerdem Taxis (in ihnen kann zum Teil mit der Öffi-Prepaidkarte "T-Money" bezahlt werden und Taxi-Navis piepen selbst bei kleinsten Tempo-Überschreitungen) und auch Leihräder. Selbst bei den Leih-Fahrrädern geben die Daten Aufschluss darüber, wie viele Personen täglich welche Wege in der Stadt zurücklegen – und wo entsprechend mehr Räder gebraucht werden. Und auch fünf Testzonen für autonome Busse gibt es bereits, die jüngste ging im Juli 2023 in Betrieb. Die ersten selbstfahrende Busse waren bereits 2020 in Seoul unterwegs.

    System wird auf der ganzen Welt vermarktet

    Die Komplexität des Systems ist beeindruckend – so "kommunizieren" selbst die Fahrzeuge nicht nur mit der Zentrale, sondern auch untereinander. Autonome Busse etwa melden Auffälligkeiten wie Schlaglöcher an TOPIS, per 5G-Verbindung, Hunderten Überwachungskameras, Satellitenerfassung und dem C-ITS genannten Echtzeit-Informationssystem ("cooperative-intelligent transport system") werden im Fall von Unfällen und Behinderungen aber auch Informationen an die Fahrzeuge im direkten Umkreis ausgesendet, dass Routen umfahren oder die Fahrstreifen gewechselt werden sollen.

    Das KI-System Seouls, dessen Daten großteils für alle Bürger auf der TOPIS-Webseite einsehbar sind, spart der Stadt aber nicht nur hohe Personal- und Verwaltungskosten, sondern bringt Südkorea auch jede Menge Einnahmen. Das deshalb, weil die Technologien dahinter nicht unter Verschluss gehalten, sondern international vermarktet werden. Ganze TOPIS-Systeme oder auch nur Teilbereiche wie Öffikarten- und Verkehrsbezahlsysteme oder Bus-Informationszentralen kommen bereits in Baku, Bangkok, Kuala Lumpur, Bogota oder Wellington neben Dutzenden anderen Städten weltweit zum Einsatz.

    Hierzulande bleibt TOPIS wohl unmöglich

    In Sachen Datenschutz und Privatsphäre bleibt ein solches System hierzulande auf Jahre und Jahrzehnte unmöglich – wenngleich Details durchaus denkbar sind, etwa eine Auslastungsanzeige für Öffis oder automatischen Straßen- und Tunnelsperren bei Unfällen und Naturkatastrophen. Dass aber alle Verkehrsteilnehmer – egal ob auf Rad, im Auto oder in den Öffis – mit Hunderten Kameras und teils auch Satelliten erfasst und von einer Künstlichen Intelligenz nicht nur analysiert, sondern auch gleich bestraft und ihre Wege in Echtzeit verfolgt werden (können), ist für Nicht-Koreaner durchaus bedenklich.

    Drohnen, Flugtaxis, autonome Busse – Seoul will zum Vorreiter beim smarten Verkehrsmanagement werden.
    Drohnen, Flugtaxis, autonome Busse – Seoul will zum Vorreiter beim smarten Verkehrsmanagement werden.
    Rene Findenig

    Die Millionenstadt Seoul selbst hat sich selbst dagegen ehrgeizige Ziele gesetzt, was die Zukunft von TOPIS betrifft. Strecken für selbstfahrende Busse sollen in der Metropole stark ausgebaut und im Oktober die weltweit erste autonome Nachtlinie eingeführt werden, auch Drohnen sollen zum Verkehrsmanagement zum Einsatz kommen, Verbrenner-Motoren von Flughafen-Bussen bis 2030 zu hundert Prozent gegen Brennstoffzellen-Motoren getauscht und der Einsatz von Elektrofahrzeugen vorangetrieben werden. Kurz: Seoul will der weltweite Vorreiter beim smarten Verkehrsmanagement sein.

    Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Diese Reise nach Südkorea erfolgte auf Einladung von Samsung, die Reisekosten wurden vom Unternehmen übernommen.