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Scientology ködert jetzt Jugendliche auf Tiktok
Die Scientology-Kirche ist seit neuestem auf Tiktok aktiv. Das könnte für anfällige Jugendliche gefährlich werden, sagt ein Jugendpsychologe.
Die weltweit bekannte und kontroverse Sekte Scientology, deren Ideologie auf die Bücher des US-Schriftstellers L. Ron Hubbard zurückgeht, ist seit den 70er-Jahren in der Schweiz aktiv. Auch in Zürich und Köln ist die Scientology-Kirche vertreten und buhlt seit kurzer Zeit auf Tiktok um neue Mitglieder. Das erste Video wurde Anfang März gepostet.
"Was mich besonders freut, ist, wenn sie nach dem Kurs zurückkommen und mir von ihren Erfolgen berichten und mir sagen, wie viel sie daraus rausgeholt haben und wie es im Leben jetzt besser läuft", erzählt etwa eine Führungskraft in die Kamera. Die Präsenz von Scientology auf der App hat schnell hohe Wellen geschlagen: "Verschwindet von dieser Plattform. Jetzt habt ihr es sogar noch auf Teenager abgesehen, ihr solltet euch schämen!", schreibt ein User.
Sekte könnte anfällige Jugendliche ansprechen
Vergangenen Sommer warb die Sekte bereits auf Facebook und Instagram für eine ausgeschriebene KV-Lehrstelle. Das Video des Scientology-Lehrlings ist nun auch auf dem Tiktok-Kanal der Sekte zu finden, insgesamt sind erst vier Videos aufgeschaltet.
Problematisch ist der Gang auf Tiktok auch für den Kinder- und Jugendpsychologen Philipp Ramming: "Aus der Sicht von Scientology ist das natürlich sehr clever", sagt er. Der Konzern könne so genau die Zielgruppe erreichen, die er ansprechen wolle. Wie bei Sekten und extremistischen Gruppierungen sei dies gefährlich: "Und er funktioniert wie eine Sekte, eine Brainwash-Institution – jedoch ist ideologische Eintrichterung in diesem Alter nie gut. Die Videos werden vor allem die Jugendlichen ansprechen, die anfällig sind – die sich heimatlos fühlen und sich durch die Klarheit und das Denken ohne Zweifel angesprochen fühlen", so der Psychologe.
Es gebe Jugendliche, bei denen dies nur eine Phase sei, und es gebe junge Menschen, die sich stark auf der Suche nach einer Heimat befänden. "Heimat im Sinne von Eindeutigkeit und einer Weltsicht, die die Komplexität reduziert", so Ramming. Diese Heimat werde aber schnell auch zum Gefängnis, da die Freiheit auszusteigen nicht wirklich gegeben sei. "Damit droht die Gefahr, dass Jugendliche auf Social Media mit Scientology 'angefixt' und später wie bei einer Sekte abhängig werden."
"Typische Scientology-Kundschaft ist nicht Generation Tiktok"
Dass die Videos der Sekte, die zuvor auf anderen Plattformen veröffentlicht wurden, nun auf Tiktok gespielt werden, überrascht auch den Religionsexperten und Sektenkenner Georg Schmid nicht: "Das ist nur konsequent." Dass die Strategie mit persönlichen Testimonials aber Erfolg haben wird, bezweifelt er. "Ich weiß nicht, ob auf Tiktok wirklich die richtige Zielgruppe für Scientology unterwegs ist".
Jugendliche und Kinder könnten nämlich die Kurskosten, mit denen Scientology ihr Geld macht, gar nicht zahlen. "Die typische Scientology-Kundschaft ist nicht die Generation Tiktok. Ich weiß nicht, ob sie sich davon beeinflussen lassen."
Aber: "Würde Scientology anfangen, mit den Kindern der Mitglieder coole Imagevideos zu produzieren, sähe das anders aus", sagt er. Wäre dies der Fall, wären Aufklärungsvideos, die dagegenhalten, sinnvoll. "Das Instrumentalisieren von Kindern könnte den Scientologen jedoch den Vorwurf der Kinderarbeit einfahren – das wäre für das ohnehin schlechte Image der Sekte nicht hilfreich", so Schmid.
"Vorwurf ist absurd"
Ein Mediensprecher der Scientology-Kirche weist die Vorwürfe von sich: "Der Vorwurf, dass damit extra Minderjährige angesprochen werden sollen, ist absurd – haben wir doch sehr strikte interne Regeln, dass Minderjährige nur mit Einwilligung der Eltern bei uns ein Seminar belegen oder sich aktiv beteiligen können." Tiktok werde ja auch sehr viel von Erwachsenen benutzt. Und man wolle sogar weiter expandieren: Ein regelmäßiger Podcast der Sekte sei in Planung.