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Schweden wird Nato-Mitglied – so steigen Ukraines Chanc

Knalleffekt: Die Türkei gibt ihre Blockade auf, Schweden wird Nato-Vollmitglied. Was das auch für die Ukraine bedeutet, ordnet ein Experte ein.

Militär- und Sicherheitsexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations in Berlin in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf.
Militär- und Sicherheitsexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations in Berlin in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf.
Screenshot ORF

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan macht den Weg für den schwedischen Nato-Beitritt frei. "Schweden wird Vollmitglied der Allianz", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag nach einem Vermittlungsgespräch mit Erdogan und dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Erdogan sagte laut einer Erklärung zu, die Ratifizierung der schwedischen Beitrittsakte durch das Parlament seines Landes sicherzustellen. Dies soll nach Stoltenbergs Worten "so bald wie möglich" erfolgen.

Was der Nato-Beitritt Schwedens, aber auch andere brisante Entwicklungen wie die Lieferung umstrittener Streumunition durch die USA an die Ukraine bedeuten, ordnete am späten Montagabend der Militär- und Sicherheitsexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations in Berlin in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf ein. Überraschend auch für den Experten sei, dass die Türkei ihre Blockade des Nato-Beitritts Schwedens aufgegeben habe – die kommenden Tage müssten zeigen, was die Türkei dafür im Gegenzug bekomme.

Kriegserfolge verbessern Ukraines Chancen

Bei einem Nato-Beitritt der Ukraine beziehungsweise überhaupt einer Einladung für das Land sah Gressel weniger gute Chancen. Auch Deutschland habe Widerstände gezeigt, wolle aber den "amerikanischen Schatten nicht verlassen", so Gressel. Gleichzeitig gebe es weiter die Hoffnung, dass die Ukraine im Zuge ihrer Gegenoffensive die russischen Truppen weiter zurückdrängen könne, was die Verhandlungsgrundlagen bedeutend verändern würde. Wenn die Ukraine wirklich schon eine Einladung hättem dann wäre der Preis, den man von Putin verlangen könnte, ein höherer", so Gressel.

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    In Sachen Streumunition habe man den Einsatz der Waffen aus dem falschen Blickwinkel kritisiert, so Gressel. Sie sei bereits zum Einsatz gekommen, auch gegen zivile Ziele und Städte, so der Experte, das dürfe nicht einmal mit konventioneller Munition passieren. Man müsse aber auch sagen, dass weder die USA, noch die Ukraine eine entsprechende Konvention unterschrieben hätten. "Der Zeigefinger, der moralisch erhoben wurde", sei "etwas zweideutig". Die Ukraine müsse jedenfalls abwägen, was schwerer wiege – ein vielleicht erfolgsbringender Einsatz oder die lange Räumung der gefährlichen Munition.

    Treffen in Vilnius

    Die Türkei will den Nato-Beitritt von Schweden nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht länger blockieren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zugestimmt, das Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament vorzulegen, sagte Stoltenberg am Montagabend auf einer Pressekonferenz in Vilnius.

    Zuvor hatten sich Erdogan, Kristersson und Stoltenberg in der litauischen Hauptstadt einen Tag vor dem Nato-Gipfel beraten. Der Frage, wann der Nato-Betritt Schwedens vollzogen sein könnte, wich Stoltenberg allerdings aus. Er wiederholte nur, dass es eine klare Zusicherung gebe, die Ratifikationsdokumente dem Parlament zuzuleiten.

    Antrag im Mai 2022

    Schweden und Finnland hatten im Mai 2022 unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Finnland ist bereits Anfang April zum 31. Mitglied des Bündnisses geworden. Schweden fehlt dagegen nach wie vor die Zustimmung der Türkei und Ungarns, was in erster Linie an der türkischen Blockadehaltung gelegen hat. Ungarn hatte zuletzt erneut beteuert, sich der Aufnahme Schwedens nicht in den Weg stellen zu wollen, sollte die Türkei grünes Licht geben.

    Die türkische Führung blockiert den schwedischen Beitritt seit gut einem Jahr. Sie verweist darauf, dass das skandinavische Land nicht ausreichend gegen «Terrororganisationen» vorgehe – dabei geht es ihr vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Dass Ende Juni erstmals seit Monaten wieder ein Koran bei einer Demonstration in Stockholm angezündet worden war, belastete das Verhältnis zu Ankara zuletzt zusätzlich.