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Schweden setzen auf riskanten Corona-Plan

In Schweden sind Kindergärten und Restaurants weiter geöffnet. Trotz internationaler Kritik setzt man hier auf einen riskanten Corona-Plan.

Heute Redaktion
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Menschenleere Straßen in den Metropolen rund um den Globus durch strenge Quarantäne-Maßnahmen: Ein Anblick, an den man sich fast schon gewöhnt hat. In Schweden setzt man auf jedoch auf einen anderen Kurs.

"Durchseuchung erwünscht"

Die rot-grüne Minderheitsregierung unter Stefan Löfven setzt dabei ganz auf die Expertise des schwedischen Gesundheitsamts, zu dem auch der Staatsepidemologe Anders Tegnell gehört, der einen Lockdown und Grenzschliessungen als "völlig sinnlos" bezeichnete.

Dem 63-Jährige geht es primär um den Schutz von Alten und Menschen mit Vorerkrankungen, sonst soll das Leben so normal wie möglich weiter laufen. Man wolle aber auch "eine gewisse Herdenimmunität" erreichen.

Kindergärten und Schulen offen

Haben sich 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung infiziert, gilt das Virus als besiegt. Der riskante Plan: Die Bevölkerung soll eine eigene Einsicht entwickeln. "Es gibt eine individuelle Verantwortung, die muss jeder für sich selbst, für seine Mitmenschen und sein Land übernehmen", sagte Löfven.

Dafür bleiben die Kindergärten, Grundschulen und Restaurants in dem skandinavischen Land geöffnet, EU-Bürger dürfen weiter einreisen. Einzig Gymnasien, Universitäten und Berufsschulen sind geschlossen und setzen auf digitalen Fernunterricht.

Kindergärten und Schulen offen

"Es ist ein sehr, sehr kniffliges Experiment, das ganze Volk für vier bis fünf Monate einzuschließen", so Johan Carlson, der Chef des schwedischen Gesundheitsamts. Die Infektionskurve aber flacht nicht ab, sie steigt tendenziell weiter an. Bisher sind 24.500 Personen getestet worden, 4.435 davon positiv, 180 Schweden sind an einer Covid-19-Infektion gestorben.

"Solange die Kinder in den Schulen herumspringen und sich anstecken, wird es auch in der Gesellschaft zu einem Anstieg der Infektionen kommen", meint etwa die pensionierte Virologie-Professorin der Universität Oslo, Björg Marit Andersen. Die Nachbarländer Dänemark und Norwegen haben einen Lockdown nach Vorbild des Kontinents in Kraft gesetzt, ebenso Finnland.

Das schwedische Gesundheitsamt spricht von einem "konstanten Anstieg". Dennoch: Seit letzten Freitag sind Versammlungen von mehr als 50 Personen verboten. Die Skigebiete müssen am kommenden Montag schließen und auf das lukrative Ostergeschäft verzichten.

In Stockholm wurde ein großes Feldlazarett auf dem Messegelände aufgebaut, mit einer Intensivstation und 140 Betten, die auf 600 erweitert werden könnten. Zu wenig, befürchten Experten und sagen Schweden bald italienische Verhältnisse voraus.