Neuer Mechanismus entdeckt

Schlucken macht glücklich – warum wir uns überessen

Schlucken kann ein Wohlfühlgefühl im Gehirn auslösen, das zum Essen anregt. Das fanden deutsche und britische Forscher jetzt heraus.

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Schlucken macht glücklich – warum wir uns überessen
Der Geruch und Geschmack auf der Zunge motivieren dazu, mit der Mahlzeit zu beginnen. Das gute Gefühl nach dem Schlucken ist jedoch maßgeblich dafür verantwortlich, dass man weiter isst.
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Hast du dich schon einmal gefragt, warum es dir so schwerfällt, nach nur einem Stück Pizza oder einem Kartoffelchip mit dem Essen aufzuhören? Wissenschaftler haben möglicherweise die Antwort gefunden, und sie liegt an einer überraschenden Stelle: in deinem Hals.

Eine neue Studie von Forschern der Universität Bonn (Deutschland) und der Universität Cambridge (Großbritannien) hat einen faszinierenden Regelkreis in unserem Körper aufgedeckt, der eine entscheidende Rolle dabei spielt, warum viele Menschen so gerne essen. Es ist das angenehme Gefühl beim Schlucken, das uns immer wieder nach mehr verlangen lässt. Der Hauptakteur ist das Serotonin, das oft als "Wohlfühlhormon" bezeichnet wird. Wenn wir etwas Gutes essen, schüttet unser Gehirn Serotonin aus, was ein Gefühl der Freude und Belohnung erzeugt. Das uns ermutigt, weiter zu essen.

Nervenzellen in der Speiseröhre

Die Forscher entdeckten, dass beim Schlucken von Nahrung mechanosensorische Nervenzellen (Neuronen) in der Speiseröhre Signale an serotonerge Neuronen im Gehirn senden. Diese Neuronen reagieren auf den Wert der Nahrung, beispielsweise auf Geschmack oder Nährwert, und helfen dem Körper bei der Entscheidung, ob mehr geschluckt werden muss. Serotonin steigert dann die Aktivität der Motorneuronen, wodurch die Speiseröhre effizienter bewegt wird und die Nahrung problemlos hinuntergeschluckt wird.

Rolemodel Fruchtfliegenlarve

Untersucht wurde dieser Regelkreis anhand von Fruchtfliegenlarven. Diese winzigen Lebewesen mit ihrem relativ einfachen Nervensystem aus nur 10.000 bis 15.000 Nervenzellen (im Vergleich zu unseren 100 Milliarden) waren das perfekte Modell für die Untersuchung dieses komplexen Prozesses. "Sie können erkennen, ob es sich um Nahrung handelt oder nicht und auch deren Qualität beurteilen", erklärt Dr. Andreas Schoofs, Erstautor der Studie. "Nur wenn Nahrung von guter Qualität erkannt wird, produzieren sie Serotonin, was wiederum dafür sorgt, dass die Larve weiter frisst."

Selber Mechanismus beim Menschen denkbar

Obwohl sich die Studie auf Fruchtfliegenlarven konzentrierte, glauben die Forscher, dass dieser Mechanismus so grundlegend ist, dass er wahrscheinlich auch beim Menschen existiert. Diese Entdeckung könnte weitreichende Auswirkungen auf unser Verständnis von Essstörungen wie Magersucht oder Essattacken haben. "Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genug darüber, wie der Regelkreis beim Menschen tatsächlich funktioniert", gibt Professor Michael Pankratz von der Universität Bonn zu bedenken. "Hier sind noch jahrelange Forschungsarbeiten nötig." Dennoch eröffnet diese Forschung spannende neue Wege zur Erforschung der komplexen Beziehung zwischen unserem Verdauungssystem und unserem Gehirn. Sie legt nahe, dass der Akt des Schluckens selbst eine entscheidende Rolle beim Essen spielt und über die bloße Beförderung von Nahrung in unseren Magen hinausgeht.

Auf den Punkt gebracht

  • Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Cambridge haben einen Regelkreis entdeckt, der erklärt, warum wir oft nicht aufhören können zu essen: Das angenehme Gefühl beim Schlucken, ausgelöst durch Serotonin, motiviert uns, weiter zu essen
  • Diese Erkenntnisse, basierend auf Studien an Fruchtfliegenlarven, könnten auch beim Menschen zutreffen und haben potenziell weitreichende Auswirkungen auf das Verständnis von Essstörungen
red
Akt.
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