Asyl-Aufreger

Schallenberg: "Grüne blockieren Rücknahme-Abkommen"

Außenminister Alexander Schallenberg geht im "Heute"-Interview hart mit dem europäischen Asylsystem ins Gericht. Man müsse es "völlig neu aufsetzen".

Schallenberg: "Grüne blockieren Rücknahme-Abkommen"
Alexander Schallenberg (VP) ist mäßig erfreut über den Endspurt der türkis-grünen Koalition.
Helmut Graf

Mit Lungenentzündung musste er mehrere Tage stationär im Spital behandelt werden – jetzt ist Außenminister Alexander Schallenberg (55) zurück im Amt. Sein Laster, die Zigaretten, hat er sich nicht abgewöhnt. Und auch der Ärger über den grünen Koalitionspartner raucht gehörig.

"Die Grünen mögen das Thema nicht"

"Heute": Herr Außenminister, Sie mussten sich zuletzt wegen einer Lungenentzündung in Spitalsbehandlung begeben. Ist die Sache ausgestanden?

Alexander Schallenberg: Dank perfekter gesundheitlicher Versorgung geht es mir Gott sei Dank schon besser. Ich habe aus erster Hand erlebt, wie toll das Gesundheitssystem in diesem Land ist. Eine Lungenentzündung muss man ernst nehmen, es ist mehr als eine Grippe. Ich bin froh, dass ich wieder am Damm bin.

Das Rauchen haben Sie dennoch nicht aufgegeben?

Das ist meine Achillesferse.

Kommen wir zu aktuellen politischen Themen: Deutschland schiebt neuerdings wieder nach Afghanistan ab. Wie sieht es in Österreich aus?

Es ist begrüßenswert, dass in Deutschland endlich die Diskussion in Gang kommt, die in Österreich schon seit Jahren läuft. Es wäre erfreulich, wenn sich die Deutschen jetzt auch in Brüssel so engagieren, wie sie es momentan in ihrem Land tun. Derzeit haben wir nämlich ein System, wo die Menschen entscheiden können: "Wo gehe ich hin?" und "Welches Land passt zu mir?" Das ist doch kein Zustand.

Warum tut man sich so schwer, Menschen, die keinen Asylstatus bekommen – also kein Recht haben, hier zu bleiben – abzuschieben?

Weil sie von ihren Herkunfts- oder den Transitländern nicht zurückgenommen werden. Seit 2023 haben wir sechs Rücknahmeabkommen abgeschlossen, noch diese Woche kommt ein siebtes dazu: Ich werde nach Ghana reisen, um es zu unterschreiben. Außerdem hätten wir zwei unterschriftsreife Abkommen mit Kasachstan und der Mongolei in der Schublade. Zu meinem großen Bedauern werden sie vom Koalitionspartner blockiert.

Mit welcher Begründung blockieren die Grünen die Abkommen?

Das müssen Sie die Grünen fragen. Sie mögen dieses Thema einfach nicht.

Fordern Sie die Grünen auf, den Abkommen zuzustimmen?

Ja, natürlich.

Warum ist der illegale Übertritt der Außengrenze ein humanitäres Recht und nicht eine Verwaltungsübertretung?
Alexander Schallenberg
Außenminister (ÖVP)

Sie haben Rückführungsabkommen angesprochen: SPÖ-Vizechefin Doris Bures hat die Bundesregierung in "Heute" kritisiert, hier viel zu wenige zustande gebracht zu haben. Hat Sie also recht?

Bei allem Respekt: Frau Bures sollte sich mit den Fakten vertraut machen, bevor sie so etwas sagt. Unter den SPÖ-Bundeskanzlern Kern und Faymann wurde kein einziges abgeschlossen. Aktuell liegen wir bei sieben und zwei sind in der Pipeline – ein enormer Unterschied.

Gibt es Gespräche mit Afghanistan?

Es gibt intensive Gespräche mit den zentralasiatischen Staaten. Derzeit geht es nur über Rückführungen in einen Drittstaat. Man muss sich auch Syrien ansehen. Nicht das ganze Land ist Kriegsgebiet. Ich kenne Leute, die dorthin auf Urlaub fahren und ihre Familien besuchen, das ist Tourismus.

Wenn jemand vorgibt, vor Krieg geflohen zu sein und dann in seinem Heimatland urlaubt – sollte er dann nicht dortbleiben?

Ja. Denn es gibt offenkundig keinen Asylgrund mehr, wenn jemand zu einer Familienfeier oder Hochzeit reist, dann ist er ganz offensichtlich nicht gefährdet. Teilweise stehen wir uns mit unseren Regeln in Europa selbst im Weg.

Alexander Schallenberg im Interview mit den "Heute"-Chefredakteuren Clemens Oistric und Peter Lattinger
Alexander Schallenberg im Interview mit den "Heute"-Chefredakteuren Clemens Oistric und Peter Lattinger
Helmut Graf

Wie meinen Sie das?

Lassen Sie es mich so formulieren: Wenn jemand beispielsweise in Serbien ist und nach Ungarn weiterreist, dann ist er schon in Serbien sicher. Warum ist der illegale Übertritt der Außengrenze dann ein humanitäres Recht und nicht eine Verwaltungsübertretung? Das Gleiche gilt übrigens auch für die ungarisch-österreichische Grenze.

Was macht Österreich, wenn Deutschland nun Flüchtlinge an der Grenze zurückweist?

Was Deutschland jetzt macht, ist eine Panikreaktion. Fakt ist: Es gibt das Dublin-Abkommen und alle EU-Staaten müssen sich daran halten. Wir können nur gemeinsam überlegen, wie wir die Regeln ändern. Deutschland kann es sich also nicht so einfach machen.

Es ist kein humanitäres Recht, sich mit Schleppern in ein EU-Land einzuschleichen.

Ist Dublin gescheitert?

Das gesamte Asylsystem in Europa verdient seinen Namen nicht. Man müsste es völlig neu aufsetzen. Österreich ist umgeben von EU- und Schengenstaaten. Jeder, der zu uns kommt, muss also durch mehrere sichere Staaten gereist sein, bevor er ankommt. Das ist doch absurd. Es ist kein humanitäres Recht, sich mit Schleppern in ein EU-Land einzuschleichen, damit in Österreich das Asylverfahren stattfinden kann. Das ist nicht im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.

Was müsste man verändern?

Es braucht endlich einen gescheiten Außengrenzschutz, der den Namen verdient. Und Menschen, die kein Recht auf Asyl haben, müssen schneller abgeschoben werden können.

Soll man mit den Taliban verhandeln?

Es gibt klare Regeln auf europäischer Ebene, dass wir auf politischer Ebene keinen Kontakt mit den Taliban haben. Es gibt technische Kontakte und auch über Partner in der Region.

Deutschland zahlt Migranten, die freiwillig ausreisen, 1.000 Euro "Handgeld". Ist das für Sie eine Überlegung wert?

Ein gewisser Beitrag als Starthilfe bei freiwilliger Rückkehr in die Heimat macht durchaus Sinn. Man muss sich vor Augen halten: Diese Menschen haben all ihre Ersparnisse in Schlepper investiert. Wichtig ist, dass diejenigen, die kein Recht haben hier zu bleiben, auch konsequent außer Landes gebracht werden.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit Karl Nehammer an der Spitze Nummer eins werden.

Blicken wir nach Österreich: In drei Wochen wird gewählt. Wie bringen Sie sich in den Wahlkampf ein?

Ich stehe auf keiner Liste, bringe mich aber aktiv in den Wahlkampf ein, zum Beispiel bei Verteilaktionen. Die Stimmung ist durchaus gut – viel besser als noch vor einigen Monaten. Demnach erwarte ich eine hohe Wahlbeteiligung und gehe sehr optimistisch in diese Wahl.

Bezieht sich dieser Optimismus auch auf die ÖVP?

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit Karl Nehammer an der Spitze Nummer eins werden.

Die Umfragen sagen etwas anders.

Die waren schon bei der EU-Wahl nicht sehr treffsicher, eher wie 14-Tage-Wetterprognosen. Umfragen sind wie Parfüm, sagte einst Wolfgang Schüssel, man soll daran schnuppern, aber nicht davon trinken.

Wollen Sie nach der Wahl Außenminister bleiben?

Lebensplanung ist etwas für Anfänger. Was ich versprechen kann: Ich werde bis eine neue Regierung steht, mit voller Kraft weiterarbeiten. Die Menschen in diesem Land haben es verdient, dass man außenpolitisch bis zum Schluss handlungsfähig ist. So werde ich wenige Tage vor der Wahl etwa für Österreich an der UNO-Generalversammlung in New York teilnehmen.

Können Sie sich einen Regierungs-Job unter einem Kanzler Kickl vorstellen?

Nein! Ich kann mir aber auch keinen Kanzler Kickl vorstellen.

Kickl ist eine Gefahr für dieses Land.

Auch nicht, wenn eine Mehrheit der Wähler ihm die Stimme gibt?

Eine Person, die andere Menschen zur Fahndung ausschreibt und von der Todesstrafe spricht, kann dieses Amt nicht bekleiden. Das spüren auch die Österreicher.

Wäre eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ohne Kickl für Ihre Partei denkbar?

Wir haben die FPÖ niemals als Partei ausgeschlossen, derzeit sehe ich jedoch keine Anzeichen für eine FPÖ ohne Kickl. Aber Kickl ist eine Gefahr für dieses Land.

Mit Verlaub: Ihr Wahlprogramm ist nur mit der FPÖ umsetzbar – und das der Blauen in vielen Bereichen deckungsgleich mit jenem der ÖVP.

Gerade bei der Migration gibt es natürlich große Schnittmengen, deutlich mehr als mit den Grünen. Die Grünen stehen für offene Grenzen

Wie würden Sie aktuell das Verhältnis zum Koalitionspartner beschreiben?

Die Schnittmengen sind derzeit sehr überschaubar. Stellen Sie sich vor, ein blauer Minister hätte einen Alleingang gewagt, wie ihn Frau Gewessler vollzogen hat.

Halten Sie ihr Vorgehen juristisch für gedeckt?

Nein, ist es absolut nicht. Wenn das jeder Minister macht, wird Österreich international handlungsunfähig. Demnach halte ich es für einen lebensgefährlichen Präzedenzfall.

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    HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

    Auf den Punkt gebracht

    • Außenminister Alexander Schallenberg kritisiert im "Heute"-Interview das europäische Asylsystem und fordert eine grundlegende Neuausrichtung
    • Er wirft den Grünen vor, Rücknahmeabkommen zu blockieren, und betont die Notwendigkeit eines effektiven Außengrenzschutzes sowie schnellerer Abschiebungen für Personen ohne Asylrecht
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