Wien
Sarah (21) leidet an Herzfehler: "Mein Job gab mir Mut"
"Die Jobsuche wird schwer für dich", hörte Sarah als Jugendliche. Mit Hilfe eines Wiener Vereins ist sie nun auf dem Weg zu ihrem Traumberuf.
Sarah Pree hatte keinen leichten Start ins Leben. Bereits während der Schwangerschaft zeichnete sich ab, dass das Kind nicht gesund zur Welt kommen würde. Die Wienerin leidet am Goldenhar-Syndrom, einer angeborenen Fehlbildung. Sie ist zu 60 Prozent beeinträchtigt, hat einen Herzfehler sowie eine Seh- und Hörbeeinträchtigung.
"Ich liebe Ordnung im Kühlschrank"
Bereits als junges Mädchen musste Pree zahlreiche Operationen über sich ergehen lassen, verbrachte einen Großteil ihrer Zeit in Krankenhäusern. "Dadurch habe ich viel in der Schule versäumt", sagt sie. Nach der Volksschule wurde sie in einer Sonderschule unterrichtet. Ein Berufswunsch zeichnete sich schon früh ab.
"Ich wollte immer in den Einzelhandel. Warum? Weil ich gerne mit Lebensmittel arbeite. Ich liebe es einkaufen zu gehen und zuhause bin ich für die Ordnung im Kühlschrank zuständig", lacht sie. Dass der Weg ins Berufsleben nicht einfach werden würde, war ihr bewusst: "Ich habe schon gehört, dass es schwierig für mich wird. Aber daran habe ich nicht gedacht, sondern war positiv gestimmt und motiviert."
Wiener Verein gibt Jugendlichen eine Chance
Über Zufall stieß die Familie auf den Wiener Verein "T.I.W." (Verein für Training, Integration und Weiterbildung). Die gemeinnützige Organisation gibt benachteiligten Jugendlichen die Chance, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden. Die Philosophie dahinter: "Alle Jugendlichen haben Potential". "Zu uns kann jeder kommen, egal welche Art von Beeinträchtigung die Person hat. Wir klären dann, ob Wünsche und Möglichkeiten zusammenpassen, suchen eine Stelle und begleiten die Jugendlichen während der gesamten Lehre", erklärt Obmann Andreas Pollack.
Über 1.000 Jugendliche wurden im Vorjahr betreut, die Partner reichen vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum großen Unternehmen. "Es geht darum, die Misserfolgsspirale zu durchbrechen und Selbstvertrauen aufzubauen. Zu einem selbstbestimmten Leben gehören nun mal auch die finanziellen Mittel."
"Sarah ist eine Bereicherung"
2019 begann Sarah Pree mit Unterstützung des Vereins eine Lehre beim Rewe-Konzern und ist seither Mitarbeiterin einer Brigittenauer "Billa Plus"-Filiale. Im Team wurde sie herzlich aufgenommen, der Chef ist begeistert: "Sie hat mich schon im Bewerbungsgespräch fasziniert, als sie von ihrer Ordnung im Kühlschrank erzählte. Sarah ist eine Bereicherung, eine Erfolgsgeschichte und ein echtes Allroundtalent. Sie hat sich überall bewährt", so Marktleiter Reinhard Fickert. Trotz ihrer Fehlzeiten während der Schulzeit kann Pree in der Lehre bislang mit einem Notendurchschnitt von 1,0 glänzen.
Für die Filiale ist sie eine vollwertige Mitarbeiterin, betonen die Kollegen. Einschränkungen durch ihre Behinderung gäbe es im Arbeitsalltag kaum. "Ich kann nur nicht schwer tragen, das ist das einzige", so Pree. "Sarah wird dann eben nicht die Getränkekisten schleppen, dafür achten wir auf ihre Stärken und setzen sie in anderen Bereichen ein", ergänzt der Chef. Diskriminierung habe die 21-jährige nicht erlebt, sagt sie. Ganz im Gegenteil: Ihr Selbstbewusstsein sei seit dem Beginn der Lehre gestiegen. Ein Schlüsselmoment war eine Weihnachtsfeier: "Sarah durfte die Tombolapreise ziehen. Das Mädchen, das anfangs schüchtern und zurückhaltend war, stand plötzlich im Rampenlicht vor 60 Personen. Wir waren alle stolz", so Fickert.
Appell: "Habt Mut!"
Für den Rewe-Konzern sei die Kooperation mit "T.I.W." einzigartig, betont eine Sprecherin. Vor allem deshalb, weil die Lehrlinge die ganze Zeit über begleitet und unterstützt werden, es immer eine Ansprechperson gibt. Seit sechs Jahren nimmt der Konzern an dem Projekt teil.
Für Sarah Pree bot das Projekt die Möglichkeit, in ihrem Traumberuf tätig zu sein. "Ich kann nur jedem raten, der in einer ähnlichen Situation ist, Mut zu haben und es zu probieren." Ihr größter Wunsch? "Hier in der Filiale zu bleiben", strahlt sie. Vom Chef gibt es dazu ein klares Ja!