Politik
Russland-Experte nimmt sich Nehammer im ORF zur Brust
Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck äußerte sich in der ZIB2 über den bevorstehenden Kanzler-Besuch in Moskau.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) reist am Sonntagabend über die Türkei nach Russland und will am Montagnachmittag den russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen. Dabei will Österreichs Regierungschef mit Putin auch über die Gräueltaten in der Ukraine sprechen, darunter etwa das Massaker in Butscha.
Ziel der Reise nach Moskau sei, den Dialog zwischen Russland und der Ukraine zu fördern. Österreich habe eine große Tradition als "Brückenbauer". "Wir sind ein neutrales Land, haben aber eine klare Haltung zum Krieg und werden die auch Putin mitteilen", heißt es aus dem Bundeskanzleramt.
Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck sprach am Sonntag in der ZIB2 mit ORF-Moderator Martin Thür über den geplanten Kanzler-Besuch in Moskau und sparte dabei nicht an Kritik. "Ich halte diesen Besuch nicht für eine kluge Entscheidung. Ganz und gar nicht", so Mangott.
Denn auf eine "Brückenbauer"-Funktion habe in der Europäischen Union niemand gewartet. Zudem würden die Osteuropäer das bevorstehende Treffen scharf kritisieren. Laut dem Fachmann würde man in Russland außerdem auch wissen, dass das kleine Österreich "kein Gewicht" habe, um auf die Meinungsbildung der EU zu Russland Einfluss zu nehmen.
"Nur schwer nachvollziehbar"
Nehammer möchte sich bei dem Treffen für humanitäre Korridore, einen sofortigen Waffenstillstand einsetzen und auch für eine vollständige Aufklärung der Kriegsverbrechen in der Ukraine. Doch ist das überhaupt realistisch? "Nein, ein sofortiger Waffenstillstand ist eine ukrainische Forderung", so der Russland-Experte.
Außerdem sei es besser, wenn die Ukraine etwa beim Thema Fluchtkorridore direkt mit der russischen Seite sprechen würde. Kanzler Nehammer "als Vermittler" sei hier "nur schwer nachvollziehbar", erklärt Mangott. Es sei auch nicht ganz klar, was sich Nehammer von dem Besuch erwartet. Zudem sei es auch ein großes Risiko für ihn.
Nehammer-Treffen für Russen-Propaganda
Österreichs Regierungschef habe nämlich nicht die "Macht über die Bilder" in Russland. So werde das russische Staatsfernsehen das Treffen am Montag ganz klar für seine Propaganda benutzen und Putin werde damit auch zeigen, dass er nicht isoliert sei. Nehammer verschaffe dem Kreml-Chef gloriose TV-Bilder.
Außerdem bereite sich Russland gerade auf eine Groß-Offensive in Donbass vor, zur Erreichung des Minimalziels. "Da will niemand über einen Waffenstillstand reden und nicht einmal darüber nachdenken", stellt Gerhard Mangott in der ZIB2 unmissverständlich klar.
Zudem sei die Verhandlungsposition von Karl Nehammer deutlich "zweifellos" geringer, als etwa von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder vom deutschen Kanzler Olaf Scholz. Weder Macron noch Scholz würden laut dem Experten jetzt nach Russland reisen, um Putin diese TV-Bilder nicht zu gönnen.
Vermittlungsbesuch "fragwürdig"
"Es ist auch ein bisschen fragwürdig, warum jetzt dieser Vermittlungsbesuch in Moskau stattfinden soll, wo sich Österreich doch zurecht ganz eindeutig auf die Seite der Ukraine gegen diesen Angriffskriegs Russlands gestellt hat", so Mangott. Und weiter: "Welches Gewicht erwartet sich der Kanzler also in Moskau?"
Die Kommunikation würde hier "von vorne bis hinten" nicht zusammenpassen. Aber welche Rolle spielt Österreich eigentlich für die Ukraine? "Österreich war für Russland immer wichtig, als ein Land, dass zelebriert hat, dass es von Seiten der EU eben doch Staaten gibt, die gute Beziehungen mit Russland suchen", erklärt der Experte.
Aber: "Das ist Geschichte mit dem Verhalten Österreichs seit Ausbruch dieses Krieges. Und ich sage auch explizit: 'Das war auch richtig so." Österreich habe in Russland "jedes Vertrauen und jeden Status verloren."