Ukraine
Russen-Rückzug oder Falle? ORF-Experte analysiert Krieg
Am Mittwoch zogen sich die russischen Truppen aus dem südukrainischen Cherson zurück. ORF-Korrespondent Wehrschütz erklärt, wie es nun weiter geht.
Die Meldung kam recht überraschend: Wurde in den letzten Tagen über eine "große Entscheidungsschlacht" bei Cherson spekuliert, ging es dann doch recht schnell. Erst die Meldung, dass Kirill Stremoussow, Vizechef der örtlichen Verwaltung, bei einem "Autounfall" gestorben sei.
Dann der Paukenschlag: Die einzige während der Invasion eroberte Provinz wird komplett aufgegeben. Das russische Verteidigungsministerium hat den Rückzug seiner Truppen aus Cherson angeordnet. Demnach werde sich Russland nun auf die Verteidigung des linken Ufers des Dnjepers konzentrieren.
Kein Zauberstück
"Es ist noch nicht ganz klar, was da vor sich geht", sagt ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz im "Ö1-Morgenjournal" nüchtern. Bisher wurden solche Rückzüge nie auf diese Art und Weise angekündigt. Aber: Wenn die ukrainischen Truppen nachrücken, bedeutet das auf den ersten Blick, dass Russland den Angriffsdruck auf den Norden und Süden verloren hat. Mit dem Dnepr gibt es nun eine klare Frontlinie, mit denen man in die "Winterpause" der Gefechte geht.
Es ist eine Niederlage, aber bestimmt noch keine kriegsentscheidende, immerhin kontrollieren die Russen immer noch rund 20 Prozent des ukrainischen Gebiets. Er hält die Vermutung aber für falsch, dass das ganze nur ein Bluff sein könnte. "Wir sind ja nicht bei einem Zauberstück", Russland könne nicht einfach tausende Soldaten verstecken. "Die Zeiten des trojanischen Pferds sind vorbei."
Schlamm-Periode
Trotzdem reagiert die Ukraine vorsichtig. Unterm Strich sei es Russland gelungen, die Front zu stabilisieren. "Wenn wir nicht irgendeine ganz besondere Überraschung erleben, dann wird die jetzige Frontlinie auch die sein, mit der man in die Winterpause geht."
Denn in der Ukraine gibt es zwei Schlamm-Perioden, die erste habe bereits begonnen, eine weitere folgt im Frühling. Mit Panzern kann man dann nur die Hauptstraßen befahren, weil sie sonst im Schlamm stecken bleiben. "Der Rückzug ist mit sehr sehr vielen Opfern erkauft worden." Die Frage sei nun, ob Russland die kritische Infrastruktur weiter angreifen wird.