Szene

Richard III: Ein menschliches Monster mit Charme un...

Heute Redaktion
Teilen

Mit Shakespeares "Richard III" startet das Bronski & Grünberg in eine neue Spielsaison. "Heute" traf das Ensemble um Regisseurin Helena Scheuba und "Richard"-Mime Josef Ellers zum launigen Proben-Talk.

"IST HIER EIN MÖRDER? NEIN. DOCH, NEIN. DOCH!"

"Heute" traf zwei Tage vor der Premiere das Ensemble zu Shakespeares "Richard III" im coolen Bronski & Grünberg Theater am Alsergrund und durfte vorweg schon ein paar Einblicke in den Probenablauf erhaschen. Auch Hausherr Alexander Pschill zeigte sich bei einer Stippvisite hochmotiviert und hofft nur noch auf einen Babysitter, damit auch er sich den Saisonstarter am Freitag (Premiere) ansehen kann.

Nach einer sehr emotionalen Probe ging es in die Flamingobar des Theaters zur anschließenden Kritik. Das Ensemble wirkt sehr vertraut und gut eingespielt, die Bilder wirken lange nach.

Die Bühne lenkt kaum von der Handlung ab, hilft eher wie ein übergroßer Schummelzettel, um bei der Vielzahl an Rollen gut mithalten zu können. Höchst emotional und mit vollem Körpereinsatz zeigten sich die jungen Akteure, die sich im Stück mit voller Wucht an die Gurgel gehen, sich mit Schwertern schlagen oder auch richtig bitterböse Dinge an den Kopf werfen.

Richard selbst ist ein charmanter Manipulator, der sich die Welt so richtet, wie es ihm gefällt. Er verfolgt nur ein Ziel: Er will König werden. Und dazu ist ihm jedes Mittel Recht. Genau, jedes, denn das kleine Krüppel-Monster geht über Leichen. Die Bilder, die einem während des Stückes in den Sinn kommen, sind zahlreich. Und eine Frage stellt sich immer und immer wieder: ist Richard nun ein Monster oder ist er nur ein Mensch? In einer Traumsequenz mutiert der herrscherische Gnom beinahe zu Golom aus "Herr der Ringe". Sein Schatz ist die Krone. Und die verteidigt er bis zum Tod.

Josef Ellers ist hier ein wahres Kunststück gelungen: Ohne sich von anderen Bildern beeinflussen zu lassen (da gibt es doch so manche Vorbilder!) hat er einen Richard erschaffen, genau wie Shakespeare ihn geschrieben hat. Und ihn sich sicher auch gewünscht hätte. Zur Generalprobe gab's hohen Besuch: Shakespeare-Großmeister Michael Niavarani sah sich die Inszenierung von Regisseurin Helena Scheuba vorweg an und war begeistert. Das wunderbare an dem Stück: Während Josef Ellers immer (ein perfekter) Richard bleibt, schlüpfen Sophie Aujesky, Johanna Rehm (großartig, man möchte auf die Bühne stürzen und sie in den Arm nehmen, so leid tut sie einem) und David Jakob in zahlreiche andere Rollen, wechseln innerhalb kürzester Zeit von einem zum anderen Charakter.

Obwohl nur vier Personen auf der Bühne sind, hat man teilweise das Gefühl, als wären es hunderte. Zuletzt gibt es noch ein sehr dramatisches Bild, das lange nachhallt: Das Monster ist tot, aber ist das jetzt gut oder doch irgendwie traurig? Die Inszenierung ist sehr filmisch, die Musik von Kyrre Kvam unterstützt die Handlung auf perfekte Art und Weise, baut Spannungen auf ohne dabei störend einzugreifen. Regieassistentin Raphaela Böck ist die gute Seele des Stückes. Sie hilft wo sie nur kann. Das ganze Ensemble ist sehr bemüht, sehr professionell und sehr motiviert! Bühne und Kostüm von Daniel Sommergruber sind perfekt in Szene gesetzt. Prädikat: Höchst Sehenswert!

Hier das "Heute"-Interview mit Josef Ellers und Helena Scheuba:

Heute: Was war das Schwierigste an der Rolle des Richard für dich?

Josef Ellers: Von Anfang an zu verstehen, dass Richard kein Bösewicht ist, sondern ein Mensch. Die Rolle so zu spielen, dass das, was er (Böses) tut, in seinen Augen vollkommen gerechtfertigt ist. Und, nicht irgendetwas oder irgendjemandem entsprechen zu müssen. Nämlich dem Bild, das man automatisch hat, wenn man „Richard der 3." hört, sondern den eigenen Zugang dazu zu finden mit der Frage: „Warum ist der so, wie er ist, warum macht er das so?" Auch nicht irgendwelche Bilder von Außen darüber zu stülpen oder gar psychologische Sachen. Alles aus sich selbst herauszuholen und sich zu Fragen, was ist da schief gelaufen, wo ist der Mann im Leben falsch abgebogen?"

Heute: Wie seid ihr an die Sache herangegangen?

Helena Scheuba: So klischeefrei wie möglich. Wir haben viel geredet, woher das kommen könnte bei ihm (Richard), sein Bedürfnis alle anderen zu kontrollieren. Das speist sich aus so vielen Dingen, das Verhältnis zu seinem eigenen Körper, was ihn ja total beeinflusst, wenn man so wie er den eigenen Körper nicht unter Kontrolle hat. Umso mehr verspürt man den Drang andere zu kontrollieren. Was Richard körperlich nicht kann, kompensiert er mit dem Kopf, mit seiner Cleverness und seinem Charme.

Josef Ellers: Ich glaube, ein Abend mit diesem Typen auf ein Bier könnte durchaus spannend und lehrreich sein. Es ist zumindest sicher nicht langweilig! Du merkst nicht, dass du „ge-brain-washed" wirst oder gar ob du den Abend überhaupt überlebst. Spannend!

Heute: Ist er jetzt sympathisch oder ist er einfach nur ein Schwein?

Josef Ellers: Genau das war unser Wunsch, dass man die Figur nicht kategorisieren kann: Ist er ein Monster oder ist er es nicht? Er IST ein Monster und er ist es auch gleichzeitig NICHT. Das ist das Spannende daran. Er ist ein Mensch! UND ein Monster!

Helena Scheuba: Sind wir nicht alle auch ein bisschen Monster? Jeder hat doch zwei Seiten. Die meisten zumindest.

Heute: Die Bipolarität Richards kommt ja auch im Traum sehr schön heraus, als er, beinahe wie Golom in Herr der Ringe, mit sich selber, bzw. seinem Gewissen spricht.

Josef Ellers: Und auf einmal ist es nicht nur eine Stimme, sondern tausend!

Helena Scheuba: Die aber alle aus ihm heraus kommen!

Heute: Wie schwierig ist es, dich von deiner vorigen Rolle „Werther", nun auf so eine verkrüppelte, bucklige, humpelnde Rolle einzustellen?

Helena Scheuba: Die Frisur macht viel aus! Am Anfang hab ich mir ja gedacht "Schrecklich!"

Josef Ellers: Die Frisur hilft. Nein, Spaß beiseite. Was mir körperlich sehr hilft ist, dass ich mir meinen Arm als alten, verwitterten Ast vorstelle. Als wäre der Arm und die Hand zwei Kilo leichter, als sie normal ist. Weil man sie nicht benutzen kann in dem Sinn. Und so verfestigt sich das dann im Körper, man wird dann automatisch „weniger". Bei „Werther" bin ich zum Beispiel viel mehr mit Luft gefüllt als hier bei „Richard".

Heute: Was ist denn das Charmanteste an Richard?

Helena Scheuba: Sein Humor! Ich glaube er musste vieles mit Humor nehmen...

Josef Ellers: Ja, sein Humor, glaub ich auch. Das musste er ja auch, sonst würde er sein Leben glaube ich gar nicht packen. Man weiß nicht, was war zuerst: Die Schwierigkeit im Leben, also das, was ihm widerfahren ist, oder er selber. Quasi „Ist er ein Monster oder haben die anderen eines aus ihm gemacht?"

Heute: Wäre er zum Beispiel sehr liebevoll erzogen worden, wäre er vielleicht gar kein Monster geworden?

Helena Scheuba: Und die noch interessantere Frage ist doch: „Warum empfindet die Mutter so?"

Josef Ellers: Genau, denn Richards Brüder, Edward und George hat sie ja eigentlich recht gern gehabt. Was Richard macht ist natürlich Verrat in seiner schlimmsten Form und ich glaube, als Mutter hat man dann vielleicht auch die Legitimation, ihm solche schlimmen Worte an den Kopf zu werfen. Wir fanden auch ganz wichtig, diese Beziehung zwischen Richard und seiner Mutter, stärker herauszuarbeiten.

Helena Scheuba: Ganz genau, stärker als im Original. Das war uns wichtig.

Heute: Wie weit kann denn Richard überhaupt lieben? Oder Liebe empfinden?



Joe: Richard? Lieben?

Helena Scheuba: Interessante Frage! Hm...

Heute: Oder was könnte Richard für die wahre Liebe aufgeben?

Helena Scheuba: Das ist die Frage. Und das ist wieder das Interessante daran: Kannst du jemand anderen lieben, wenn du dich selbst nicht liebst? Und wie sehr liebt er (Richard) sich jetzt wirklich?

Josef Ellers: Das ist eine sehr große Behauptung von ihm, eben, dass er sich liebt und dass er sich für so toll hält. Die Behauptung ist einfach da. Wenn man sich das wirklich oft und laut vorm Spiegel vorsagt: "Du bist toll, du bist der Beste, Wurst was die anderen sagen"...irgendwann glaubt man es vielleicht wirklich.

Heute: Ist es aber nicht ein Unterschied, ob man sich selbst "toll" findet und dennoch nicht selber liebt? Das könnte doch im Falle Richards gelten...

Josef Ellers: Genau, er findet sich zwar toll, sieht sich trotzdem nicht gerne im Spiegel. Er macht immer eine große Show für die anderen und aus seiner Not eine Tugend. Deshalb beschmückt er ja zB. auch seine verkrüppelte Hand mit protzigem Schmuck. Das, was man eigentlich verstecken möchte, wird bei ihm in den Vordergrund gestellt, nach dem Motto: "Tschak, da bin ich und jetzt lebt damit!" Die kleinen Männer sind doch oft die Bösesten!

Helena Scheuba: Daher ist es auch (bildlich) von Vorteil, dass Sophie (Aujesky) als Mutter größer ist als Richard, er wirkt vor ihr wie ein kleiner Bub. Und dennoch gibt dieser kleine Krüppel ihr und den anderen ordentlich Gas.

Heute: Helena, war es für dich bei "Richard III" schwieriger Regie zu führen als bei deinem letzten Stück „Werther"?

Helena Scheuba: Es war anders, mit neuen Herausforderungen und genau das wollte ich ja. Keine „One-Man-Show", sondern eine neue Challenge, mit einem bisschen größeren Ensemble. Was spannend ist, aber eben auch herausfordernd. Ich hab gemerkt, wie ich da stetig dazulerne und was ich an Erfahrungen sammle.

Heute: Was war denn bis jetzt die größte Challenge als Regisseurin bei diesem Stück?

Helena Scheuba: Auf mehr Leute gleichzeitig einzugehen! Jeder funktioniert anders und trotzdem sind wir EINE Gruppe. Das sind ja auch alle sehr starke Persönlichkeiten, jeder sagt natürlich etwas dazu, bringt seine eigenen Ideen mit hinein - was ich grundsätzlich gut finde und schätze - aber es ist dennoch wichtig, fokussiert zu bleiben und nicht den Überblick zu verlieren. Seine eigene Klarheit zu bewahren und sich nicht zu verlieren und zu verzetteln. Den Blick aufs Wesentliche zu behalten.

Heute: Was war der bislang schönste Moment während eurer Proben?

Josef Ellers: Für mich war dieser Moment lustigerweise heute. Oder gestern bei der Generalprobe, als der Nia da war (Anm.: Michael Niavarani besuchte die Generalprobe im Bronski). Da hat es für mich begonnen, dass ich merke, wie wir alle eine große Freiheit auf der Bühne entwickelt haben, wo jeder genau weiß, was ist sein Part in der Geschichte, keine Eitelkeiten dabei sind und während dem „Erzählen" Dank der Regie dennoch so frei sind. Nämlich so, dass das ganze Lebendig bleibt. Es lebt, in einem Korsett, aber einem sehr weiten Korsett. Da weiß jeder genau, für was er kämpft. Und eben diese Gefühl hab ich bei Werther auch gehabt, wenn ich auf die Bühne gehe. Es fühlt sich an wie ein fetter Highway auf dem jede Spur frei ist und auf dem ich fahren darf. Dieses Gefühl fängt jetzt hier auch an, ich merke, die anderen steigen immer mehr darauf ein, wie ein Autorennen, bei dem wir plötzlich alle in die gleiche Richtung fahren, man zwar Spur wechseln kann, aber eben in die gleiche Richtung fährt.

Heute: Welche historische weibliche Person wäre denn Richard II ebenbürtig? Sein weibliches Dependant?

Josef Ellers: Da hat es doch mal diese Frau in Transsylvanien gegeben...die hat die ganzen jungen Mädels auf ihre Burg kommen lassen und sie dann ausbluten lassen.

Helena Scheuba: Vielleicht eh ein bisschen Elizabeth I., in deren Zeit ja das Stück entstanden ist. Die gegen alle Erwartungen auf den Thron gekommen ist, sich gegen ihre Geschwister durchgesetzt hat und dort auch gehalten hat bis zu ihrem Tod. Die hat ja auch gegen Normen und Regeln verstoßen, war z.B. unverheiratet. Ob sie jetzt auch Leute ermordet hat weiß man heute nicht mehr...(lacht). Wenn, dann hat sie es sicher nicht selber gemacht. Aber wie Richard hatte sie ein klares Ziel vor Augen, mit der Sicht: "Das ist mein Recht."

Josef Ellers: Wenn es Richard auch wirklich gegeben hat, ist er natürlich von Shakespeare noch einmal überzeichnet - und dann haben auch wir wieder ein bisschen was eigenes draus gemacht. Aber: Es bleibt Shakespeare!

Heute: Was wünscht ihr euch?

Helena Scheuba: Ich wünsche mir, dass die Leute, die da rausgehen, einen Bezug aufbauen konnten zu der Geschichte und zu den Figuren. Jeder mit seiner eigenen Interpretation und seinen eigenen Fragen aus dem Stück geht und sich fragt: „Ist er ein Monster, ist er keines oder warum ist er es?"

Josef Ellers: Oder auch: "Warum hab ich Mitleid mit dem Schwein oder gar Sympathien?" Denn das kann man ja wieder weiter interpretieren und fragen „Warum hab ich Sympathien für diesen und jenen Politiker, der vielleicht ein Schwein ist?"

Helena Scheuba:Mein Wunsch ist einfach, wie bei jedem Theaterabend den wir machen, dass er die Menschen zum Nachdenken anregt.

Josef Ellers: Dass man Dinge selber hinterfragt und nicht die Antwort mitgeliefert bekommt. Und natürlich auch, dass die Leute zahlreich kommen! Wir lieben es hier im Bronski zu spielen, es macht so viel Spaß. Daher: "Kauft Karten und kommt zu Richard!!!"

Nach der Premiere am Freitag, den 22.9. um 19.30 Uhr geht, köpfelt, stolpert das das BRONSKI & GRÜNBERG in die 2. Saison !!!!

Picture

Mit Konfetti, Pistolen, Clown-Nasen und überlebensgroßen Titeln in unserer Trickkiste, sowie Bier, Wein & Vorfreude im Rucksack, ist das Bronski gesattelt und bepackt für eine neue, bunte SAISON 17/18.

Picture

Nach der Premiere gibt's ein Fest - Der William Shakespeare kommt auch! Beginn: Circa 21:30/22:00

Picture

"Richard III"

PREMIERE: 22.Sept.2017

Regie: Helena Scheuba

Assistenz: Raphaela Böck

mit: Sophie Aujesky, Josef Ellers, David Jakob und Johanna Rehm

Fotos: Jan Frankl und Philine Hofmann

Trailer: Philine Hofmann

Weitere Infos zu RICHARD III hier

Weitere Termine: 23./ 24. September, 4./ 5./ 6./ 7. Oktober