Spieletests

"Returnal" im Test: Noch nie war sterben so spannend

Das PlayStation-5-exklusive "Returnal" ist da. Und es wird dem Hype gerecht, denn der Zeitschleifen-Shooter trumpft technisch und inhaltlich groß auf.

Rene Findenig
Teilen
1/10
Gehe zur Galerie
    Das PlayStation-5-exklusive "Returnal" ist da. Und es wird dem Hype gerecht, denn der Zeitschleifen-Shooter trumpft technisch und inhaltlich groß auf.
    Das PlayStation-5-exklusive "Returnal" ist da. Und es wird dem Hype gerecht, denn der Zeitschleifen-Shooter trumpft technisch und inhaltlich groß auf.
    PlayStation

    Entwickler Housemarque ist eigentlich für ein ganz anderes Genre bekannt. Titel wie "Matterfall" und "Alienation" haben gezeigt, welche großartige Side-Scrolling- und Twin-Stick-Shooter samt gewaltigen Effektgewittern das Studio herstellen kann. Aber einen Hochglanz-Third-Person-Shooter mit überaus ambitioniertem Konzept, einer tiefgründigen Story und vor allem mit der Technik der neuen PlayStation 5 – was wird dabei herauskommen? Die Antwort ist das PlayStation-exklusive "Returnal", das Spieler in eine Zeitschleife entführt und dabei nicht nur alles richtig, sondern auch richtig gut macht.

    Nicht das einzige Besondere an dem Game: Das oftmals zu Unrecht verschriene Roguelike spielt mit dem endgültigen Tod des spielbaren Charakters ("Permadeath"), schlägt einen Bogen vom Arcade-Genre für Anfänger zum Hardcore-Genre für Experten und kombiniert geschickt Science-Fiction mit Horror und Psycho-Thriller. Und je länger man spielt, umso klarer wird: Housemarque stützt sich auch im PS5-AAA-Game auf die Erfahrungen aus ihren arcadigen Shooter-Titeln, ergänzt dies aber nun mit neuer Technik und bietet ein rund 40 bis 50 Stunden langes Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst.

    Sterben, lernen, besser werden

    Die Ausgangssituation – sie bleibt bei jedem neuen Versuch die gleiche – ist im Spiel eine verzwickte: Als Weltraumpilotin Selene stürzt man auf den Planeten Atropos ab. Dort muss man feststellen, dass man in einer Art Zeitschleife gefangen ist. Versucht man, vom Planeten zu entkommen und stirbt dabei, wird am am Ausgangspunkt neu "geboren" – und das Spiel beginnt von vorne, bis man einen Weg gefunden hat, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Klingt frustrierend, und ist es für Nichtkenner des Genres vielleicht auch. Immerhin bedeutet Roguelike: Sterben, lernen, besser werden.

    Typisch für jeden Durchgang ist auch, dass man den Großteil der im vorangegangenen Durchlauf erbeuteten Waffen, Artefakte und Gegenstände verliert. Übrig bleiben nur wenige Ausnahmen, die man von Spieldurchlauf zu Spieldurchlauf mitnehmen und verbessern kann: Einfache Waffen wie Schwert und Pistole, dazu kleine Verbesserungen wie der Schub des Raumanzugs und die freigeschalteten Inventar-Slots. Dazu gibt es kleinere Veränderungen wie etwa tägliche Herausforderungen, die man im abgestürzten Raumschiff aktivieren kann.

    Jedes Mal eine fast ganz neue Welt

    Darauf, dass man im nächsten Anlauf bereits die Fundorte der verlorenen Items bereits kennt, sollte man sich nicht verlassen. Denn "Returnal" verschärft den Roguelike-Aspekt auch noch dadurch, dass die Beute nach dem Zufallsprinzip verteilt wird. Außerdem gibt es die früheren Fundorte meist gar nicht mehr, denn auch wenn die beeindruckend detaillierte Welt mit Hochglanz-Grafik und toller Abwechslung lockt, sieht sie bei jedem Durchgang anders aus. Wo früher ein Berg war, kann nun eine Schlucht zu sehen sein, aus Felsen werden Höhlen, aus Ruinen Türme.

    Bei mehreren Durchgängen ist allerdings erkennbar, dass das Spiel dabei aus einem Pool an Objekten schöpft und nicht alle komplett neu aufbaut. Heißt: Wer eine Schlucht in einem Durchgang entdeckt hat, wird sie in einem der weiteren Durchgänge möglicherweise wiederentdecken. Die Abwechslung ist dennoch riesig und nie entsteht der Eindruck, dass hier nur Bausteine wiederverwertet werden. Stattdessen fühlt es sich jedes Mal wie eine neue Welt – eben mit nur ein paar bekannten Schauplätzen – an, in die man eintaucht, auch wenn man das jeweilige der sechs Biome bereits Dutzendfach gespielt hat. 

    Technik ist ganz, ganz große Klasse

    Generell ist das Spielwelt-Design ein faszinierendes. Die Macher verstanden es, in jedem Detail eine unglaublich spannende Atmosphäre zu erzeugen. So löst bereits eine harmlos wirkende Pflanze oder ein wehrlos aussehender Wurm Aufregung aus. Könnte Selene die genauere Betrachtung nützen – oder wartet hinter dem unscheinbaren Auftreten gar eine perfide Falle und der sichere Tod? Erkunden will man trotz der Gefahr erst einmal alles, denn nicht nur spielerisch können Flora, Fauna und Co. nützen, vieles zeigt zudem atemberaubende Licht- und Neon-Effekte. 

    Picture

    So sehr die Spielwelt ins Detail geht, so sehr tut es auch das Drumherum. Die Soundkulisse ist gigantisch geraten und gehört zum Besten, das man je in einem Videospiel erleben durfte. Blätterrascheln, das Pfeifen des Windes, energiegeladene Laser und Plasmakugeln, Regentropfen, alle Geschehnisse wirken, als würden sie rund um den Spieler tanzen, denn nur aus den TV-Lautsprechern zu dringen. Ebenso Klasse: Der neue DualSense-Controller kommt bei so gut wie jeder Gelegenheit mit neuen Feedback zum Zug. Regen tropft in leichten Vibrationen auf unseren Anzug, Schadenstreffen spürt man umso wuchtiger.

    Schock und Grusel inklusive

    Anders als so gut wie jeder andere Roguelike-Titel verfügt "Returnal" aber auch über eine alle Versuche überspannende Handlung. Nicht nur, dass unsere Heldin einfach eine Aufgabe bekommt und damit alleingelassen wird, in jedem Versuch kommen neue Informationen dazu. Die lesen sich im Bordcomputer als Informationstexte oder sehen sich in den Videosequenzen – die teils auch spielbar sind und in die Ich-Perpektive wechseln, Gruselfaktor inklusive! – anfangs rätselhaft an, bis sie wie ein Puzzle zusammengesetzt werden und man dem Geheimnis des Planeten immer näher kommt.

    Ebenfalls für Gänsehaut sorgen auffindbare Audiologs ebenso wie auffindbare Leichen von – nunja, uns selbst aus früheren Durchgängen. Während Zweiteres immer wieder aufs Neue ein Schock ist, verraten uns die Logbücher, was unsere Heldin zuvor dachte und fühlte, denn neben einigen Standardsätzen der Motivation und Verzweiflung gibt es auch lange Spielpassagen, in denen Selene einfach nur gerne schweigt. Die Sprachausgabe ist übrigens wie so vieles andere hervorragend ausgefallen und bietet eine deutsche Fassung sowohl bei der Sprache als auch Untertiteln.

    Mehr als nur eine Prise "Sekiro"

    Am Ende eines jedes Bioms wartet ein Boss, dessen Überwindung jeweils das nächste Biom freischaltet. Hier zeigt sich "Returnal" ähnlich unnachgiebig wie das Hardcore-Rollenspiel "Sekiro: Shadows Die Twice". Zwar geht es nicht ganz so brutal beinhart zu, doch weder gibt es einen auswählbaren Schwierigkeitsgrad, noch eine Auflevelfunktion. Um "stärker" zu werden, muss Selene den jeweiligen Boss bezwingen. Erst dadurch kann man mit zusätzlichen Boni in das nächste Biom starten. Da sind selbst "Dark Souls" und "Nioh" versöhnlicher, denn da levelt und farmt man, bis man sich gerüstet fühlt.

    Picture

    Die Kämpfe selbst sind spektakulär ausgefallen – und erinnern trotz Bombast-Effekten und superflüssig sowie detailreich animierten Gegnern an die Bullet-Hell-Games des Studios. Laserstrahlen und Plasmakugeln muss flink ausgewichen werden, Bewegungsmuster von Feinden und Bossen gilt es zu erkennen und immer muss im Blick bleiben, wie man die Flucht antreten kann. Nicht immer ist das allerdings möglich: Gibt es anfangs wenige und vor allem fernkämpfende Gegner, kommen von Biom zu Biom größere, schnellere und gefährliche Feinde hinzu, die dann oft auch in abgeschlossenen Arenen und Gruppen bekämpft werden müssen.

    Absolut perfekte Steuerung

    Einen Hauch von "Nioh" und "No Man's Sky" gibt es auch hier: Gegner und Objekte können gescannt oder im Kampf "kennengelernt" und in einen Katalog aufgenommen werden. So erfährt man einerseits mehr über die Feinde und die Welt, kann aber andererseits auch nach und nach die Alien-Symbole auf Strukturen und Gebäuden entziffern – und so manches Mal sogar einer tödlichen Falle entkommen. Zu entdecken gibt es schließlich an jeder Ecke etwas, vom kleinen Story-Schnipsel bis hin zur fetten Beute. Dabei kommen auch einige eher leichte Umgebungsrätsel wie das Umlegen von Schaltern, aber auch akrobatische Manöver wie der punktgenaue Einsatz der Schubdüsen des Raumanzugs zum Einsatz.

    Perfekt gelöst ist die Steuerung. Sie ist so präzise, dass Selene selbst im wildesten Gefecht im Sprint blitzschnell dashen, eine Salve auf den Feind losfeuern, sich mit den Schubdüsen in die Luft katapultieren und mit dem Greifhaken außer Reichweite schwingen kann, ohne dass man nur einen Augenblick die Kontrolle verliert. Ein Scheitern ist also immer Spieler-gemacht und fair. Toll ist ebenso, dass die wachsende Zahl an Gadgets nicht nur im Kampf Verwendung finden. Mit wachsender Schubleistung erreicht man Plattformen, mit dem Haken gelangt man über Schluchten und das Laserschwert säbelt Sperren durch. was zu immer neuen Bereichen der Spielwelt führt.

    Viel Risiko heißt auch viel Belohnung

    Zentral beim Überlebenskampf sind die Währungseinheiten Obolites, die an Terminals gegen Unterstützungsgegenstände ausgegeben werden können, sowie Beutestücke, die Gesundheit regenerieren und verbessern. Eine Besonderheit stellen Parasiten da, die in der Spielwelt gefunden werden können. Entscheidet man sich dazu, sich mit ihnen zu infizieren, haften sie an Selenes Körper fest. Die Folge: Manche Attribute werden deutlich verstärkt, andere geschwächt oder gleich ganz ausgeschaltet. So kann man sich etwa verstärkt Nah- oder Fernkämpfen widmen, ist aber für das Gegenteil weit anfälliger. 

    Returnal ist ein Third-Person-Actionspiel vom finnländischen Entwickler Housemarque, das am 30. April 2021 exklusiv für PlayStation 5 erscheint.
    Returnal ist ein Third-Person-Actionspiel vom finnländischen Entwickler Housemarque, das am 30. April 2021 exklusiv für PlayStation 5 erscheint.
    Sony PlayStation

    Klassische Munition gibt es in "Returnal" übrigens nicht. Waffen ballern durchgehen, zumindest solange, bis sie überhitzen. Passiert das, kann sie ein Button-Puzzle wieder schneller einsatzfähig machen. Gekonnt umgesetzt wurde die unterschiedliche Wirkungsweise der Waffen. So richtet die Pistole wenig Schaden an, zielt dafür aber präzise. Eine Schrotflinte heizt wiederum mehreren Feinden auf kurze Distanz ein, verliert aber mit wachsender Entfernung ihre Effektivität. Ein bisschen wie in den neuen "Doom"-Titeln darf man auch an den Schießeisen schrauben, einen alternativen Feuermodus nutzen oder Modifikationen wie Raketen und Streugeschosse freischalten. 

    Eine Sache nervt uns dann aber doch

    Je länger man in Gefechten ungetroffen bleibt, desto mehr Statuseffekte darf Selene selbst übrigens nutzen – und je mehr Gegner besiegt werden, umso stärkere Waffen hält die Spielwelt bereit. Immer natürlich mit dem Risiko, zu sterben und alles zu verlieren. Bei all dem Lob, eine Mechanik erschließt sich uns letztlich nicht ganz. Als Standard-Spieler wird man gut drei bis fünf Stunden brauchen, um ein Biom in einem einzigen Anlauf abschließen zu können. Dabei gibt es bisher aber keinerlei Möglichkeit, das Spiel zu speichern. Wer also weiß, dass er gerade einmal 30 Minuten am Stück zocken kann, hat kaum Grund, zu diesen Gelegenheiten einen Anlauf zu starten. 

    Denn beendet man das Spiel mittendrin, geht es beim nächsten Mal von vorne los und das Erreichte ist weg. Seltsam, dass nicht einmal das Beenden des Spiels einen Speicherpunkt vorsieht. Gut gemacht ist dafür wiederum die Online-Anbindung des Einzelspieler-Games. Hologramme anderer, gestorbener Spieler lassen sich abspielen und damit die Gründe für ihren Spieltod finden – was uns vor besonders starken Feinden oder Fallen in der Nähe warnt. Will man ihren Tod rächen, bekommt man dafür etwas Spielwährung und einen besonders starken Feind serviert – oder aber man zahlt etwas an Währung und kann dafür so gar nicht heldenhaft die Leiche des anderen Spielers plündern. 

    Noch nie war sterben so spannend

    Ein gemeinsames Spielen und Entdecken gibt es bisher allerdings bis auf Säulen, an denen man Materialien für andere Zocker hinterlassen kann, nicht. Muss es aber auch gar nicht geben, denn der Titel bietet so viel zu entdecken, dass ein gemeinsames Hetzen von Punkt zu Punkt nur schaden würde. "Returnal" überrascht an allen Ecken und Enden. Die Entwickler von Housemarque haben ihre eigenen Stärken bei Arcade-Shootern noch einmal ausgebaut und sich bei Story, Technik und Steuerung auf Neuland gewagt, das sie gekonnt erobern. 

    Picture

    Wäre da nicht das Speicher-Manko, würden wir gar vom "perfekten Spiel" für jene sprechen, die eine harte Herausforderung suchen, die ebenso gewaltig belohnt wie bestraft. Die komplexe Handlung gruselt und gefällt, die Steuerung ist auf den Punkt getroffen und die Grafik sowie das Steuerungs-Feedback sind einer PlayStation 5 mehr als würdig. Die größte Bewunderung verdient "Returnal" aber letztlich dafür, dass sich das Konzept um Tod und Wiedergeburt nie abzunutzen scheint. Bei jedem Durchgang bleibt man wegen neuen Gegnern, Arealen und Gegenständen hochmotiviert. Sterben war nie spannender.