Teamchef nachdenklich
Rangnick warnt vor "Rechtsextremismus und Faschismus"
Teamchef Ralf Rangnick positionierte sich klar gegen Diskriminierung. Jetzt schärft der Deutsche nach, äußert sich mit Blick auf die Weltlage besorgt.
"Rangnick du Oaschloch", hallte es am Freitagabend in dessen Anwesenheit in Rapids Allianz Stadion aus dem Block West in Richtung VIP-Tribüne. Die Rapid-Ultras antworteten auf ihre Weise auf Rangnicks klare Distanzierung vom Derby-Skandal und den homophoben Gesängen, speziell jener drei Teamspieler, die er in Folge nicht für den März-Lehrgang nominiert hatte: Marco Grüll, Guido Burgstaller, Niklas Hedl.
Der deutsche Teamchef fordert von seinen Spielern klare Werte ein, zu denen er trotz augenscheinlichen Gegenwinds öffentlich steht. Das Trio disqualifizierte sich durch ihr Verhalten, das im krassen Gegensatz zur Offenheit steht, für das Rangnick und sein Team stehen möchten.
Der Deutsche ließ sich am Freitag nicht anmerken, was die neuerlichen Fan-Entgleisungen auf der Tribüne, speziell die Beschimpfung in seine Richtung, in ihm auslösten. Die Frage danach moderierte der 65-Jährige nun im "Standard"-Interview knapp ab. Und dennoch wurde er emotional. In einem bemerkenswerten Gespräch zeichnete Rangnick ein deutliches Bild von seinen Wertevorstellungen, warnte vor einer düsteren Zukunft und forderte seine Spieler auf: "Die Leiwanden müssen zusammenhalten, aufstehen. Sie dürfen nicht schweigen, sie müssen den Mund aufmachen."
Angst vor Rechtsextremismus
Was er damit meint? "Was momentan passiert, macht mich nachdenklich und traurig. In Deutschland und in Österreich gibt es politische Strömungen und Entwicklungen, die mir große Sorgen bereiten. Vor allem aufgrund der Geschichte der beiden Länder. Wenn uns die Historie beider Länder etwas gelehrt hat, dann ist es die Gefahr, die von Rechtsextremismus und Faschismus ausgeht. Man redet derzeit offen von Remigration und Deportation, manche finden das auch noch gut, für mich sind diese Begriffe schrecklich. Alle extremen Positionen sind schlecht."
Die knallharten Rapid-Strafen für den Derby-Skandal
Rangnick weiter: "Ich bin Teamchef, aber ich bin auch Vater von zwei Söhnen. Ich sehe die Gefahr, dass die Rechtsextremen an die Macht kommen und sie einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen. Minderheiten werden verantwortlich gemacht. Es sind die Juden, die Ausländer, man findet irgendwen, der Schuld daran ist, warum es uns schlecht geht. Dabei geht es uns in Europa immer noch relativ gut."
Die eindringlichen Worte richten sich ausdrücklich auch an Schützlinge und Kollegen aus dem sportlichen Umfeld: "Es ist gut, dass es Massendemonstrationen gegen rechts gibt, die schweigende Mehrheit nicht mehr länger bereit ist, den Mund zu halten. Wir können nicht sagen, wir sind Sport, wir halten uns komplett aus allem raus. Wir stehen alle in der Verantwortung." Und: "Auch wir als Nationalmannschaft müssen aufstehen, für die richtigen Werte eintreten. Schauen wir unser Team an, man kann sich auch auf das deutsche oder ein anderes beziehen. Nehmen wir alle raus, die Migrationshintergrund haben, da bleibt nicht viel übrig. Wir im Fußball leben Toleranz und Integrität, wir sind die heterogenste Sportart."
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Rangnick sorgt sich um Klima
Außergewöhnlich deutlich wurde Rangnick auch zum Thema Klimawandel. Die drohende Katastrophe sieht er als große Gefahr für die Gesellschaft, ganz persönlich auch für seine Kinder und Enkelkinder: "Wir reden von künstlicher Intelligenz. Ich habe vielmehr Sehnsucht nach der natürlichen Intelligenz. Unser Planet hat so viele Probleme: Klima, Armut, Kriege, Flucht. Würden wir dort leben wollen, wo es nicht genug zum Essen und kein Wasser gibt? Kann man wo nicht überleben, ist es klar, dass man woanders hingeht. Das ist reiner Selbsterhaltungstrieb. Nehmen wir den Klimawandel. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr sagen können: Kümmern wir uns in ein paar Jahren darum. Es ist vielleicht schon fünf Minuten nach zwölf. Wir können alles nur gemeinsam lösen, es ist ein gemeinsamer Planet. Das müssen wir verstehen."