Der islamische Fastenmonat Ramadan stellt viele Schulen in Österreich vor große Herausforderungen. Noch bis Ende des Monats verzichten gläubige Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Nahrung und Flüssigkeiten – und zwar nicht nur zu Hause, sondern auch in den Klassenzimmern. Und das, obwohl Kinder vom religiösen Fasten ausgenommen sind.
"Heute" sprach mit Prof. Dr. Türkan Akkaya-Kalayci. Sie arbeitet an der Ambulanz für Transkulturelle Psychiatrie und migrationsbedingte Störungen im Kindes- und Jugendalter der Universitätsklinik für Kinder- u. Jugendpsychiatrie des AKH Wien.
"Normalerweise sind Kinder unter 15 Jahren vom Ramadanfasten ausgenommen. Viele Kinder besuchen schon sehr früh Koran-Kurse und lernen über die Tradition des Ramadan und erleben, dass Eltern und Familie fasten. Das führt oft dazu, dass sie bereits in jungem Alter von sich aus am Ritual teilhaben wollen. Viele glauben, dass Kinder von den Eltern zum Ramadanfasten gezwungen werden. Dem ist aber nicht so", erklärt die Kinder- und Jugendpsychiaterin.
„Viele glauben, dass Kinder von den Eltern zum Ramadanfasten gezwungen werden“
Akkaya-Kalayci erzählt, dass oft muslimische, fastende Eltern mit ihren Kindern zu ihr kämen, um sie von der zwanghaften Idee abzubringen, vor dem 15. Lebensjahr zu fasten. Das gelinge nicht immer. Als Kompromiss könne man diesen Kindern anbieten, stundenweise zu fasten. Beispielsweise bis Mittag, dann aber wieder normal zu essen und zu trinken. "Am Ramadan teilzunehmen, gibt den Kindern ein Zugehörigkeitsgefühl und macht sie stolz, weil sie damit etwas schaffen, was normalerweise nur Erwachsene schaffen."
Der Ramadan ist der 9. Monat des islamischen Mondkalenders. Er erinnert an die Offenbarung des Korans durch den Erzengel Gabriel an den Propheten Mohammed. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wird auf Nahrung und Flüssigkeiten verzichtet. Auch auf Rauchen und Sex soll in dieser Zeit verzichtet werden. Das soll dazu dienen, sich dem Leben bewusster zu werden. Muslime bemühen sich durch Verzicht, sich vorbildlich zu verhalten, ihren Charakter zu verbessern und ihren Glauben zu stärken. Der Ramadan endet mit dem großen Fastenbrechenfest, auch Zuckerfest genannt.
Vom Fasten ausgenommen sind alle, die körperlich dazu nicht in der Lage sind. Dazu gehören Schwangere, Stillende und Kranke, alte Menschen sowie Kinder (= Menschen vor der Pubertät).
Dass es wegen des Fastens Probleme mit christlichen Mitschülern gebe, davon kann die Expertin nicht berichten. Eher käme es zu Auseinandersetzungen zwischen fastenden und nicht-fastenden muslimischen Kindern und vor allem Pädagogen würden das Ritual fehlinterpretieren. "Viele Lehrer kennen sich mit diesem Ritual nicht aus. Sie glauben oft, dass die Kinder zum Fasten gezwungen werden und machen den Eltern Druck." Das ginge unter anderem so weit, dass Lehrer eine Gefährdungsmeldung an die Jugendhilfe machen. "Es mangelt an Aufklärung, was leider zu falschen Annahmen führt."
Mehr Probleme als mit dem Fasten gäbe es wegen des Kopftuches, so Akkaya-Kalayci. "Bezüglich der Kleidung gibt es leider viele Vorurteile und Islamphobie. Zu mir kommen viele Mädchen, die wegen ihres Kopftuchs von Schülern und auch Pädagogen gemobbt werden und als Terroristen beschimpft werden und deshalb psychische Krankheiten entwickeln." Je nach Schwere des Leidensdrucks brauchen gemobbte Kinder monate- oder jahrelange Psychotherapie und/oder medikamentöse Begleitung.
In einem ersten Schritt wird dann mit der Schule Kontakt aufgenommen und versucht, die Situation zu klären, indem Schüler und Lehrer aufgeklärt werden. So soll ein stressiger Schulwechsel vermieden werden. Helfen diese Maßnahmen nicht, wird ein Wechsel in eine andere Schule empfohlen, wo das Mobbingrisiko nicht besteht bzw. geringer ist.