Wintersport
Raich: "Den ÖSV kannst du so nicht führen"
Ski-Ikone Benni Raich sieht den ÖSV an einer Weggabelung. "Die Neuen müssen es anders machen." Bei Manuel Feller ortet er einen Wandel.
Benni Raich wird heute pünktlich zur Primetime vor seinem Fernseher im Pitztal sitzen. Auf der selektiven "Birds of Prey" in Beaver Creek (US) geht es ab 19.45 Uhr im Super-G um den dritten ÖSV-Sieg im vierten Saisonrennen.
Raich ist doppelter Olympiasieger und dreifacher Weltmeister. Im Weltcup stand er in 19 Saisonen 36 Mal ganz oben am Stockerl. Davon sind die aktuellen ÖSV-Stars ein Stückerl entfernt: Matthias Mayer hält bei elf Siegen, Vincent Kriechmayr bei neun.
„"Feller hat sich gefunden. Er wirkt beruhigt."“
Dabei wird es aber nicht bleiben, ist Raich überzeugt. Er rechnet mit weiteren rot-weiß-roten Siegen – auch in den Technik-Bewerben. "Manuel Feller hat sich gefunden. Er wirkt beruhigt. Auch Marco Schwarz wird nach seiner Verletzung eine positive Rolle spielen." Die Riesentorlauf-Krise sieht er im "Heute"-Talk als beendet an. "Die Tendenz zeigt nach oben, das ist wichtig."
„"Schröcksnadel lebte im ÖSV-Büro. Ich weiß nicht, ob das jeder so kann."“
Den ÖSV ortet Raich nach der 31-jährigen Ära Peter Schröcksnadel an einer Weggabelung. "Peter hat den Skisport geprägt. Er hat den ÖSV nach vorne gebracht. Den ÖSV kannst du so nicht führen wie Peter. Da muss man der Typ sein und das auch wollen. Er war so ehrlich, dass es für manche nicht auszuhalten war. Und er lebte im ÖSV-Büro. Ich weiß nicht, ob das jeder so kann. Das ist immer noch ein ehrenamtlicher Job.“
350 Tage im Jahr werkte Schröcksnadel für den ÖSV. Auf seinem Schreibtisch in der ÖSV-Zentrale stand das Schild: "Hüte dich vor allem, was es gibt."
Wenn man mit Schröcksnadel, der als ÖSV-Präsident 1.288 Weltcupsiege und 409 Medaillen gewann, auf Benni Raich zu sprechen kam, dann geriet der Ski-Professor zumeist ins Schwärmen. Mehr als bei den Seriensiegern Marcel Hirscher oder Hermann Maier. Raich galt als sein Lieblingsschüler. "Der Benni ..." begann er dann seine Sätze, am Ende schwang er ziemlich sicher mit einem Lob ab.
10, 20 oder 100 Prozent vom Kopfsponsor?
Seine Top-Stars wie Marcel Hirscher oder Hermann Maier vermarktete Schröcksnadel als ÖSV-Boss selbst. Wenn ein Manager von außen involviert war, dann mit hohen Abschlagzahlungen an den ÖSV - 20 Prozent. "Er hat ein gewaltiges System aufgestellt", sagt Raich. "Aber er ließ Athleten ihr eigenes Ding machen. Das muss man erst einmal zulassen." Andere Verbände würden bis zu 100 Prozent vom Kopfsponsor kassieren.
Natürlich hätte es auch Konflikte mit Schröcksnadel gegeben. "Er ist sicher nicht immer einfach. Er kann auch nachtragend sein. Auf der anderen Seite versucht er, sich zu versöhnen, wenn er ein Problem hatte."
„"Die Neuen müssen nicht alles neu machen. Aber sie müssen Vorreiter sein."“
Die neue ÖSV-Spitze um Roswitha Stadlober müsse es laut Raich "anders machen". "Die Neuen sind die Neuen. Jetzt ist das Ganze auf verschiedene Schultern aufgeteilt, was Sinn macht. Sie müssen auch nicht alles neu machen, aber sie müssen Vorreiter sein. Schröcksnadel war das. Er hatte dafür einen Riecher."
„"Wenn ich keine Skifahrer mehr im Lande habe, dann habe ich irgendwann ein Problem"“
Raich sieht vor allem beim fehlenden Nachwuchs ein Problem. "Ohne Breite gibt es keine Spitze. Wenn ich keine Skifahrer mehr im Land habe, dann habe ich irgendwann ein Problem." Noch sei es nicht so weit, aber Tendenzen gäbe es. Obwohl er als Vater von sportbegeisterten Kindern im letzten Corona-Winter auch das Gegenteil erlebt hätte. "Die Einheimischen waren letztes Jahr so begeistert. Da war Schwung da, den müssen wir mitnehmen."
Er selbst genießt das Skifahren. "Es macht mir Freude. Wir sind da während Corona privilegiert gegenüber Eltern und Kindern in der Stadt. Ich weiß das zu schätzen."
Die neuen Hirscher-Ski schnallte er am Berg nicht an. "Kein Bedarf", winkt er ab.