Szene
Volle Stadthalle: RAF macht seine Eltern stolz
RAF Camora kehrte am Samstag in seine Heimat zurück, um Fünfhaus zum Beben zu bringen. Mit im Gepäck: Die ganze Bande!
Er ist umstritten, das steht außer Frage. Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn und die dritte Gruppe versucht ihn zu ignorieren. Zumindest den letzteren wird ihr Vorhaben am Samstag nicht gelungen sein. Vor allem nicht, wenn sie in der Nähe der Stadthalle unterwegs waren.
Album sorgte für Änderung der Charts
Bereits seit den Mittagsstunden warteten Hardcore-Fans auf die Rückkehr von RAF Camora. Vor 12 Jahren zog es den Rapper nämlich nach Berlin. Er ließ seinen geliebten, 15. Wiener Gemeindebezirk zurück, um sich in der deutschen Hauptstadt die Krone des Rap zu holen. Und das gelang ihm, das steht außer Frage. Ob man mit seiner Musik nun was anfangen kann oder nicht: Die Zahlen sprechen für sich.
Mit dem aktuellen Album brach RAF Camora gemeinsam mit dem Hamburger Bonez MC alle erdenklichen Rekorden: Am ersten Tag nach der Veröffentlichung von "Palmen aus Plastik 2" wurden die Songs 9,5 Millionen Mal gestreamt. Nach nur fünf Tagen bereits 30 Millionen Mal. Absoluter Rekordwert. Das sorgte unter anderem im Oktober für ein Chart-Chaos in Österreich. Unter den ersten 14 Plätzen der offiziellen Hitparade fand man ganze 13 Mal einen Song aus dem Album von Bonez MC und RAF Camora. Der Radiosender Ö3 sah sich gezwungen die Regeln für Charts zu ändern.
Lokalmatadore machen den Anfang
Dem Hype tat die Änderung aber keinen Abbruch. Bereits wenige Tage nach Ankündigung der Tour war der Termin in Wien bereits restlos ausverkauft. Ein Zusatztermin wurde sofort für den darauffolgenden Tag fixiert. Wer aber Karten für Samstag hatte, wollte sich auch die besten Plätze sichern. Da nahmen es einige auch in Kauf, dass sie stundenlang in der Kälte auf den Einlass warten mussten. Die Organisatoren der Stadthalle verteilten sogar Decken, damit die Fans sich zumindest etwas wärmen konnten. Jedoch reichte die Schlange um 18 Uhr bereits bis zur U6. So viele Decken gab es in der Stadthalle leider nicht.
Um kurz nach 18.30 Uhr wurden dann die Tore geöffnet. Sofort brach eine kleine Panik aus. Die ersten Reihen begannen zu drängeln und wollten unbedingt zur Bühne stürmen. Das Sicherheitspersonal hatte in den ersten Minuten alle Hände voll zu tun, um die Situation nicht eskalieren zu lassen. Nach einigen Augenblicken kehrte Ruhe ein. Alles lief gesittet ab.
In der Halle hieß es wieder: Warten. Obwohl der Start der Show für 19.30 Uhr angesetzt war, deutete auch eine viertel Stunde später nur wenig darauf hin, dass das Konzert gleich beginnen würde. Um kurz vor 20 Uhr verdunkelte sich schließlich das Licht. Auf die Bühne trat ein Lokalmatador: Svaba Ortak. Der Rapper, der im dritten Bezirk aufwuchs, heizt das Publikum vorsichtig ein. "Ich glaube, wir sind die ersten Tschuschen, die in der Stadthalle auf der Bühne stehen." Mit "wir" meint er seine Kollegen Emirez und Pirelli. Die holt er nämlich nach nur wenigen Minuten als Unterstützung. Übrigens ist es der einzige Stopp, bei dem nicht Gallo Nero den Voract macht. Wien ist eben anders.
Handys weg, sonst gibt es keinen Song
Mit Balkan-Hooks und hartem Rap bringen sie die ersten Hände zum Wippen. Als dann das Publikum die Taschenlampen der Handys einschalten, wird auch der härteste Rapper weich: "Mir kommen die Tränen, Bruder", meint er beim Anblick der Kulisse.
Danach gibt es einen fliegenden Wechsel. Die drei gehen von der Bühne, Joshi Mizu nimmt ihren Platz ein. Der Rapper, der in der Märzstraße aufwuchs, wird kurz sprachlos, als das Publikum mit "Joshi"-Sprechchören loslegt. Ein seltenes Ereignis bei einem Voract. Seinen Hit "Chardonnay" bricht er zwei Mal ab. Zu viele Handys würde er im Publikum sehen, das störe die Energie. "Hier wird nämlich Geschichte geschrieben. Lasst uns den Moment spüren", meint er. Die Fans hören auf ihn. Beim dritten Anlauf bleiben tatsächlich alle Handys in der Hosentasche. Dafür wird umso lauter mitgesungen.
"Wien, ihr seid jetzt schon die Besten!"
Kurz darauf ist es dann soweit. Auf den Leinwänden werden Zusammenschnitte von Autos, Frauen und Konzerten gezeigt. Dazu läuft ein Countdown von 10 runter. Am Ende sind plötzlich die Silhouetten von Bonez MC und RAF Camora hinter einem riesigen Tuch auf der Bühne zu sehen. Das Publikum kennt kein Halten mehr. Als dann das Mega-Tuch auf den Boden fällt und die zwei Protagonisten des Abends nach vorne treten, wird es nochmal einen Tick lauter.
Bereits als zweiten Song geben die beiden ihren Hit "500 PS" zum Besten. Gleich Vollgas sozusagen. Die Fans danken es ihnen mit einem riesigen Chor. Jedes Wort wird mitgesungen. Teilweise werden sogar die Boxen übertönt. Kurz darauf legt sich RAF Camora fest: "Wien, ihr seid jetzt schon die Besten!"
Der Wiener zeigt sich zunächst als Mann der wenigen Worte. Er lässt lieber seine Songs sprechen. Ohne große Umschweife geht es zu "Palmen aus Plastik" und "Alien". Dabei fliegen die ersten BHs auf die Bühne, die Bonez MC aufhebt und in Richtung Publikum hält.
Stadthalle mit 150.000 Fans?
Erst danach wirkt der Rapper bereit, etwas zu sagen: "Ich habe lange überlegt, was ich sagen soll. Ob ich eine große Rede halten soll." Die wird es schließlich nicht. Ziemlich knackig gibt es die Überleitung zum nächsten Hit, der sowieso für sich spricht: "Ich bin 2007 ist er nach Berlin gegangen. Damals sagten mir alle: 'Was machst du für Musik? Du bist kein Jamaikaner'. Und jetzt stehen wir hier in der Stadthalle. Wir waren die Ersten, wir waren 'Primo'!"
Im Eiltempo geht es auch weiter. Die Stimmung ist heiß. Fans beginnen ihre Shirts auszuziehen und damit in der Luft zu wedeln. Nach acht Songs ist vorerst Schluss. Erneut verdeckt ein Tuch die Bühne. Lx, Maxwell und Gzuz der 187-Straßenbande betreten die Bühne und machen Promo für das Album "Obststand 2". Support füreinander wird in der Gruppe anscheinend besonders groß geschrieben. Die Fans stört es auch wenig. Denn immer wieder brechen 187-Sprechchöre aus. Gzuz zu den Fans: "Ich glaub, dass ist die größte Deutschrap Tour, die je gespielt wurde. Und ihr seid ein Teil davon!" Kurz danach vertut er sich ein wenig und bedankt sich bei "150.000 Zuschauern". So viele passen dann doch nicht in die Stadthalle, auch wenn es die Stimmung am Samstag so manchen glauben lassen mag.
Gelöschter Song beendet die Show
Frisch umgezogen betreten danach wieder RAF Camora und Bonez MC die Bühne und machen genau da weiter, wo sie aufgehört haben. Zwischendurch erklärt er, dass er seiner Bande von Anfang an gesagt habe: "Wartet nur Wien ab". Die Verbindung und die Liebe zu seiner Heimatstadt zieht sich durch die ganze Show durch. Auch vor "Vienna", in dem der österreichische Rundfunk kritisiert wird, betont er, dass nun endlich jeder in Deutschland die österreichische Hauptstadt kenne. Im Anschluss dann: "Macht mal Lärm für den Mann, der Wien ein Gesicht gegeben hat. David Alaba ist irgendwo hier." Der ÖFB-Kicker zeigt sich zwar nicht, dennoch stimmt RAF als Zugabe erneut "500 PS" an.
Als krönenden Abschluss wird noch der umstrittene Song "Beste Leben" performt. Umstritten deshalb, weil RAF und Bonez ohne zu fragen den Beat vom französischen Musiker Stromae entwendet haben. Auf Youtube wurde das Lied deshalb nach wenigen Tagen aus rechtlichen Gründen gelöscht. Diese reichten aber aus, um sich in die Köpfe der Fans zu brennen, denn auch hier wird jede Zeile mitgesungen.
Mama und Papa sind stolz
Danach ist auch Schluss. Etwas plötzlich ist dann die Show um 23 Uhr. Auch wenn knapp drei Stunden Musik aus den Boxen dröhnten, wirkt es so, als ob es zu schnell vorbei war. Wohl auch deshalb, weil die Fans nicht wirklich groß eine Möglichkeit hatten nach einer Zugabe zu verlangen. Und dadurch, dass einige eben seit Stunden in der Kälte standen, war wohl auch die Energie weg, um kurz vor Mitternacht noch mehr zu wollen. Verständlich.
Letzten Endes haben die Fans genau das bekommen, was sie sich wohl erwartet haben. Eine riesige Deutschrap-Show, die man in der Art wohl nur selten zu Gesicht bekommt. Ob man RAF Camora nun gut findet oder nicht: Der Erfolg gibt ihm in irgendeiner Form recht. Und solange die Eltern stolz sind, ist sowieso alles gut. Denn die saßen am Samstag auch im Publikum und freuten sich über beide Ohren. Dagegen kann man dann dann auch nur wenig sagen.
HIER gibt es den ganzen LIVE-Ticker zum Nachlesen!
(slo/wil/zdz)