Ukraine
Putins Kinder-Armee: 9-Jährige lernen Umgang mit Waffen
Russlands Gesellschaft wird zunehmend militarisiert. Zwei Journalistinnen zeigen jetzt eindrucksvoll, wie nicht einmal die Jüngsten verschont bleiben.
Zwei russisch-deutsche Journalistinnen geben in einem dreiteiligen Dokumentarfilm seltene Einblicke in Russlands Gesellschaft. Vor allem die Militarisierung sticht heraus, was das "Staatsprogramm zur patriotischen Erziehung" in Kindergarten und Schulen verdeutlicht. In Russlands "Junarmija"-Organisation werden Kinder und Jugendliche dazu erzogen, in den Krieg zu ziehen.
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"Wir bereiten sie auf schwere Zeiten vor", so Ausbilderin Olga Sachran. Sie arbeitet in der russischen Kinder- und Jugend-Erziehungsorganisation "Junarmija" (dt. "Jugendarmee"). Außenminister Sergei Schoigu hatte diese 2016 ins Leben gerufen. Sachrans Job ist es, Kinder und Jugendliche für die Streitkräfte Russlands zu begeistern und dazu zu bringen, Russland "mit der Waffe in der Hand zu verteidigen".
"Der Westen muss umformatiert werden"
"Unsere russischen Militärs erfüllen gerade ihre Pflicht gegenüber der Heimat. Sie verteidigen die russische Welt", so Ausbilderin Sachran. Für die 52-Jährige, die einst als Juristin in Moskau arbeitete, ist es selbstverständlich, die Jüngsten an Waffen zu schulen. Sie sieht sich auf der richtigen Seite der Geschichte. Und sagt: "Diejenigen, die uns feindlich gesinnt sind, die westliche Welt, die müssen wir umformatieren. Russland wird sie vernichten."
Es sind nicht nur Einblicke in die Welt von Ausbilderin Sachran, welche zwei deutsch-russische Journalistinnen einfingen, als sie unter dem Radar der russischen Behörden Ende 2022 nach Russland reisten. Drei Wochen waren Xenia Bolchakova und Veronika Dorman fürs ZDF unterwegs.
Dreiteilige Dok-Serie
Gestartet ist die Dok-Serie "Geheim in Russland" mit den Folgen "Wo Familien am Krieg zerbrechen" und "Wo Soldaten erniedrigt werden". In "Wo Kinder töten lernen" zeigt sich die unheimliche Militarisierung der russischen Gesellschaft. Etwa, wenn im Gymnasium Nr. 36 in Rostow-am-Don das "Staatsprogramm zur patriotischen Erziehung" umgesetzt wird, zu dem auch die "Junarmija" gehört. Zum wöchentlichen Fahnenappell marschieren die Mitglieder der Paramilitärs zu den Klängen der Nationalhymne vor den Schülern und Schülerinnen auf.
Seit September 2022 ist die Teilnahme an der Zeremonie obligatorisch. In der ebenfalls vorgeschriebenen Schulstunde "Gespräche über Wichtiges" will man offiziellen Angaben zufolge den Patriotismus stärken. Videos des Bildungsministeriums zeigen Russland als Opfer des Westens und verbreiten Lügen über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
"Gar nicht so schlimm, für die Heimat zu sterben"
"Ich habe gesehen, worum es bei diesen Gesprächen geht", sagt Tatjana Tscherwenko, bis vor kurzem Mathematiklehrerin in Moskau. "Zum Beispiel um die sogenannte Spezialoperation. Neunjährige Kinder werden darauf eingestimmt, dass es gar nicht schlimm sei, für die Heimat zu sterben".
Tscherwenko stellte sich gegen die Linie und bekam das schnell zu spüren. Als sie sich weigerte, dem Patriotismus-Lehrplan nachzukommen, warf sie die Schuldirektorin per Gerichtsbeschluss raus – ihr Verhalten sei "einer Lehrerin nicht würdig". Die Serie "Geheim in Russland" ist in der ZDF-Mediathek abrufbar.