Viereinhalb Jahre lang war Elisabeth Lerch-Muß als erste gehörlose Bezirksrätin für die ÖVP-Penzing tätig. Sie war Behindertensprecherin, stellvertretende Vorsitzende der Kleingartenkommission und Mitglied im Umweltausschuss. Viele Projekte, darunter maßgebliche Verbesserungen für die Barrierefreiheit des 14. Bezirks, hat sie vorangetrieben.
Doch kurz vor der kommenden Wien-Wahl wurde Lerch-Muß von der ÖVP fallengelassen. Im Gespräch mit "Heute" erzählt die Politikerin aus Penzing von "Machtspielchen" und unschönen Vorgängen innerhalb der Volkspartei. Unterkriegen lassen will sie sich nicht; mit einer eigenen Liste wird sie bei den kommenden Bezirksvertretungswahlen antreten.
Das Blindenleitsystem in der Kefergasse, ein Handlauf beim Loudonsteg, die Übersetzung des Livestreams von den Bezirksvertretungssitzungen in Gebärdensprache und barrierefreie Zugänge zu öffentlichen Gebäuden und Ämtern sind nur einige der Projekte, auf die die 42-Jährige stolz zurückblickt – alle umgesetzt in ihrer Rolle als Bezirksrätin für die ÖVP Penzing. So hätte es auch weitergehen können; auf der Liste für die kommende Wien-Wahl wurde Lerch-Muß auf Platz 8 gereiht. Über die gesamte Liste sollte dann parteiintern abgestimmt werde, doch es kam anders.
"Es gab einen großen Wirbel zwischen Wirtschaftsbund und anderen Bünden. Es wurde dann nicht über die komplette Liste, sondern über die einzelnen Listenteilnehmer abgestimmt. Die Mitglieder des Wirtschaftsbundes haben dann Personen herausgestrichen. Auch mich", erzählt die Bezirksrätin. Ihrem Vater, der für den Seniorenbund angetreten ist, und der Obfrau von der ÖAAB Penzing erging es gleich. Auch in anderen Bezirken soll es zu unschönen Vorgängen bei der Listenerstellung der Volkspartei gekommen sein.
Begründet wurde die Streichung von der Liste bis dato nicht. Von der ÖVP ist Lerch-Muß enttäuscht. "Das sind Machtspiele des Wirtschaftsbundes, der sich in diese Listen hinein reklamieren möchte. Und das lasse ich mir nicht gefallen", sagt die Bezirksrätin. Die Deadline für die Listeneinreichung für die kommende Wahl war bereits nahe. Innerhalb der verbleibenden vier Tage schaffte es Lerch-Muß über 300 Unterschriften zu sammeln. Knapp 80 Personen kamen ins Bezirksamt Penzing und gaben ihre Unterschrifterklärung für die Politikerin persönlich ab.
Das anfangs gute Verhältnis zu ÖVP-Bezirksparteiobmann Wolfgang Gerstl habe mit der Zeit abgenommen. "Bei den Vorgängen zur Listenerstellung hat er nicht entgegengewirkt, sondern mitgespielt. Er hat dann sogar einige meiner Unterstützer angerufen und hinterfragt, wieso sie mich und meine Liste unterstützen. Das ist ein Schritt, der zu weit geht und absolut nicht in Ordnung ist", so Lerch-Muß.
Seitens der ÖVP Penzing teilt man mit, dass 14 von 17 Kandidatinnen und Kandidaten für die Bezirksvertretungswahlen bestätigt wurden. "Das heißt, die überwiegende Mehrheit der Kandidaten erhielt weit über die erforderlichen Mehrheiten hinaus Zustimmung. Dass einzelne Kandidaten in einer Reihungssitzung nicht die erforderliche Mehrheit bekommen, geschah sowohl in früherer Zeit in der ÖVP Penzing als auch in anderen Bezirksparteien in Wien und in ganz Österreich unabhängig von der Parteienzugehörigkeit", erklärt ÖVP-Obmann Gerstl.
Betreffend der Unterstützungserklärungen für die eigene Liste von Lerch-Muß hätte es Verwirrung gegeben. Einige hätten gemeint, dass mit einer Unterschrift eine Vorzugsstimme für die Politikerin auf der ÖVP-Liste möglich werden könnte. Daher hätte Gerstl Personen telefonisch kontaktiert. "Es ist meine Aufgabe als Bezirksparteiobmann, klarzustellen, dass es sich bei derartigen Unterstützungserklärungen um solche für eine andere wahlwerbende Gruppe handelt", sagt er.
Mit der Liste "Fair – Elfvierzig Wien" möchte Lerch-Muß weiterhin für Menschen mit Behinderung, Senioren und Familien im 14. Bezirk einsetzen. Gemeinsam mit ihrem Team, bestehend aus vier weiteren Personen, will sie dringende Probleme angehen. Beispiele sind die Halteverbotszonen in der Kordonsiedlung, das Parkplatz-Problem in Altpenzing und die drohende Verbauung der Steinhofgründe.
"Barrierefreiheit ist ein weiteres wichtiges Thema, für das ich mich einsetzen möchte. Im Juni kommt das Barrierefreiheitsgesetz, da muss noch viel geändert werden", sagt die Penzingerin.
Über 15 Anträge, die man im Bezirksparlament einbringen möchte, hat das Team bereits erstellt. Ganz oben stehen dabei die Etablierung eines Behindertenrates, der Menschen mit Behinderung vertreten soll, sowie eine Kommission für Mitbestimmung, in der sich Bürger einbringen können.
Das große Ziel von Lerch-Muß und ihrem Team ist, genug Wählerstimmen für den Einzug ins Bezirksparlament zu bekommen. "Aber egal wie die Wien-Wahl ausgeht, wir bleiben weiterhin aktiv und werden eine Anlaufstelle für Bürgeranliegen bleiben", so die Bezirksrätin.