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ORF-Korrespondent erzählt: "New York ist still"

Spitäler müssen entlastet werden, denn New York ist für Corona nicht gewappnet. ORF-Korrespondent Christophe Kohl erzählt im Interview davon.

Heute Redaktion
US-Korrespondent Christophe Kohl erzählt: "In New York ist es plötzlich still"
US-Korrespondent Christophe Kohl erzählt: "In New York ist es plötzlich still"
Bild: zVg

Mittlerweile haben die USA China überholt und sind das am stärksten von Corona betroffene Land weltweit. Vor allem der US-Bundesstaat und die gleichnamige Stadt New York gelten als "Epizentrum" des Virus in Amerika. Die Zahl der Infizierten und Toten steigt rasant. Heute ist ein Lazarettschiff des US-Militärs in New York angekommen - es soll in der Krise helfen Menschen aufzunehmen.

Christophe Kohl (34), der seit Juli 2019 einer der neuen ORF-Korrespondenten in Washington ist, besuchte für seine Berichterstattung "The Big Apple". Im "Heute"-Interview erzählt er, von der dramatischen Lage vor Ort.

Wie war es nach New York zu fahren in Zeiten von Corona?

Es war ein eigenartiges Gefühl unter diesen Umständen nach New York zu fahren. Aber meinem Kollegen David Kriegleder und mir war es sehr wichtig uns die Lage direkt vor Ort anzusehen, mit den Menschen dort zu sprechen und dann gleich von dort zu berichten.

Rein praktisch war die Anreise aus Washington D.C. wesentlich schneller als zu normalen Zeiten, weil es Corona-bedingt derzeit keine Staus rund um und in New York City gibt.


Was passiert dort gerade vor Ort? Was habt ihr erlebt?

Wir waren bei einem Veranstaltungszentrum, dass in ein voll funktionsfähiges Krankenhaus umgebaut wird. Bis zu 2.000 Betten werden dort eingerichtet um die bereits jetzt überforderten Spitäler zu entlasten. Wir haben hunderte Menschen gesehen, die vor Krankenhäusern angestanden sind, um sich dort in eigens errichteten Zelten auf das Virus testen zu lassen. Hinter einem dieser Krankenhäuser wurde mit riesigen Kühltrucks und Zelten eine provisorische Leichenhalle errichtet. Das zu sehen war bedrückend.

Welche Herausforderungen habt ihr bei eurer Arbeit vor Ort erlebt? Und welche Schutzmaßnahmen musstet ihr selbst treffen?

Wir haben unsere Interviews natürlich aus sicherer Distanz geführt. Wir haben auch Handschuhe und Schutzmasken getragen. Außerdem haben wir unseren gesamten Proviant aus Washington mitgebracht, um zu vermeiden in New York in ein Geschäft gehen zu müssen.

Was hat sich jetzt in New York verändert?

Mich hat vor allem beeindruckt, wie still es dort jetzt ist. Kein Hupkonzert der Taxis, keinen lauten Trucks, kein Lärm der Menschenmassen. Am berühmten Times Square, von dem aus wir live in den Zeit im Bild Sendungen berichtet haben, hörte man nur das Brummen der riesigen Leuchtreklamen. Die berühmten Häuserschluchten Manhattans sind leer. Das ist gespenstisch.

Wie ist die Stimmung? Auch gegenüber von Trump?

Die Stimmung ist natürlich gedrückt. Die Menschen machen sich Sorgen. Gleichzeitig sind viele New Yorker mit denen wir gesprochen haben optimistisch. Sie sagen die Stadt ist nach Terror und Naturkatastrophen krisenerprobt und werde daher auch diese Krise überstehen.

Von Donald Trumps Krisenmanagement halten jene, die wir getroffen haben relativ wenig. Sie vertrauen dem Präsidenten nicht, sondern viel mehr ihrem New Yorker Gouverneur, dem Demokraten Andrew Cuomo. Er beeindruckt mit seiner Krisenkommunikation.

Was sind die größten Schwierigkeiten von Corona im amerikanischen Gesundheitssystem?

Das amerikanische Gesundheitssystem ist größtenteils privatwirtschaftlich organisiert. Es hat zwar exzellente Ärztinnen und Ärzte, aber es ist nicht auf Masse ausgelegt. Daher ist es bereits, zu Beginn der Krise, vielerorts am Limit.

Dazu kommt, dass viele Amerikaner nicht zum Arzt gehen, da sie sich den Arztbesuch schlichtweg nicht leisten können. Rund 30 Millionen Amerikaner haben keine Krankenversicherung.


Hattet ihr selbst auch Angst in machen Momenten oder ein Unbehagen?

Angst nicht, aber wir waren sehr vorsichtig. Es war beklemmend das sonst so lebhafte New York derart ausgestorben zu erleben. ​