Bein-Amputation verhindert
OP im Ausland: 28-Jährige will 73.000 Euro von Kasse
Aufgrund einer Infektion drohte Oleande M. eine Amputation. Heimische Ärzte wollten nicht operieren, deutsche schon. Nun will sie die Kosten zurück.
Gesundheit ist das höchste Gut, heißt es. Offenbar aber nicht, wenn es um Kosten geht. Das Vertrauen von Oleande M. (28) in das österreichische Versicherungssystem ist jedenfalls erschüttert. Denn die gebürtige Kosovarin hat laut ihrem Anwalt Nikolay Dimitrov alles richtig gemacht: "Sie hat darauf gebaut, dass es zu keinen Komplikationen kommt", meint der Jurist im Gespräch mit "Heute".
Vor rund vier Jahren plagte die BWL-Studentin ein Stechen beim Sitzen. Ärzte stellten schließlich einen gutartigen Tumor in ihrem linken Bein fest, in dessen Innerem allerdings bösartiges Gewebe lag. Im Dezember 2019 wurde der Tumor am LKH Graz entfernt, Oleande M. eine Hüftprothese eingesetzt.
Ärzte wollten keine neue Hüft-Prothese einsetzen
Mehr als zwei Jahre lang ging es der Wahl-Steirerin anschließend gut, doch dann kam der Krebs zurück: Im März 2021 wurden Metastasen in der Lunge entdeckt, die mittels Chemotherapie erfolgreich bekämpft wurden. Doch acht Monate später breitete sich eine hartnäckige Infektion in der Hüfte der jungen Frau aus.
Oleande M. wandte sich an das LKH Graz, die Mediziner setzten auf Antibiotika und Salben zur Wundheilung. Gleichzeitig machten ihr die Ärzte aber klar, dass – sollte sich die Infektion verschlimmern – nur noch eine Bein-Amputation von der Hüfte abwärts in Frage käme. Das Einsetzen einer neuen Hüftprothese wurde aufgrund des hohen Risikos von Komplikationen ausgeschlossen.
„Als die Ärzte mir das mit der Amputation gesagt haben, war es ein Schock. Das war schlimmer, als der Tag, an dem ich vom Tumor erfahren habe“
Doch für die Grazerin kam eine Amputation auf keinen Fall in Frage: "Als die Ärzte mir das gesagt haben, war es ein Schock. Das war schlimmer, als der Tag, an dem ich vom Tumor erfahren habe. Da hatte ich wenigstens Hoffnung, dass es besser wird", erinnert sich die 28-Jährige im Gespräch mit "Heute".
Oleande M. holte sich daher im Wiener AKH eine Zweitmeinung. "Laut Aussage meiner Mandantin hatte sie dort eine Besprechung mit einem Orthopäden. Dieser soll in Bezug auf eine Prothesen-Austausch-OP von einem 50:50 Risiko gesprochen haben. Sie wollte diese OP unbedingt und ging daher davon aus, dass diese im AKH stattfinden würde", erklärt Anwalt Dimitrov. In einer später vom Anwalt eingeforderten ärztlichen Stellungnahme empfahl der Mediziner allerdings keine OP.
Oleande M. sendete dem AKH daher in gutem Glauben den Antrag auf Kostenübernahme für die OP – doch sie erhielt wochenlang keine Antwort. Schließlich wurden die Schmerzen so schlimm, dass sie sich nach Alternativen im Ausland umsah: "Sie konnte nicht mehr gehen und sitzen. Die Gefahr, dass sich die Infektion noch weiter verschlimmert, war groß", so Dimitrov.
Familie nahm für OPs Kredit auf
Drei Kliniken in Mailand, Heidelberg und Berlin befürworteten eine Austausch-OP, der "Zuschlag" ging schließlich an die Charité Uni-Klinik in Berlin: "Beim ersten Eingriff wurde die alte Prothese entfernt und die Infektsanierung vollzogen. Beim zweiten Eingriff, heuer am 26. Jänner, wurde dann die neue Prothese eingesetzt. Insgesamt haben beide OPs bzw. Klinik-Aufenthalte rund 140.000 Euro gekostet", erzählt der Jurist.
Seit der zweiten OP kann die junge Frau nur mit Unterstützung von Krücken gehen, nicht länger als eine Stunde lang sitzen: "Es geht mir aber gut, ich habe keine Schmerzen. Ich mache jetzt auch eine Physiotherapie, es geht ganz langsam voran", meint Oleande M.
Um diese hohe Summe stemmen zu können, nahm sich die Familie von Oleande M. extra einen Kredit auf. Die heute 28-Jährige erhielt zwar rund die Hälfte des Betrages zurück – mittels Teil-Refundierung durch die Charité und Kostenersatz für den stationären Aufenthalt von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) –, rechnete aber damit, dass die ÖGK auch die restlichen Kosten übernehmen würde. Doch diese weigert sich.
„Es laufen derzeit zwei parallele Verfahren. Wir fordern die Kostenübernahme der restlichen 73.000 Euro“
Nun ist das Gericht am Zug: "Es laufen derzeit zwei parallele Verfahren, wir fordern die Kostenübernahme der restlichen 73.000 Euro. Im ersten Verfahren wurde bereits ein Sachverständigen-Gutachter aus Innsbruck beauftragt. Wir rechnen damit, dass das Gutachten in einigen Wochen fertig ist", meint Dimitrov. Am 14. November wird die Verhandlung fortgesetzt.
Auch ORF-Moderator Peter Resetarits berichtet heute, Donnerstag, ab 21.05 Uhr auf ORF2 in der Sendung "Am Schauplatz Gericht" über den ungewöhnlichen Fall.