Wirtschaft
"Nicht in Panik verfallen" – Experte lässt aufhorchen
Der Metaller-KV ist Wegweiser für folgende Lohnverhandlungen. Im ORF sagt IHS-Chef Bonin, warum das in der aktuellen "Sondersituation" gefährlich ist.
Mit der Forderung nach einer deutlichen Erhöhung, die "mindestens" im zweistelligen Prozent-Bereich liegen soll, starten die wie jedes Jahr die Metaller in die Lohnverhandlungen. Schon im Vorfeld war deutliches Säbelrassel zu vernehmen: Die Gewerkschaft will 11,6 Prozent mehr, bei einer rollierenden Jahresinflation von 9,6 Prozent. Ein Abschluss unter dem Teuerungsausgleich wurde von den Arbeitnehmervertretern kategorisch ausgeschlossen.
Chefverhandler auf Gewerkschaftsseite ist Reinhold Binder. Dieser erklärte bereits am Sonntagabend in der ORF-"ZIB2", dass Einmaleffekte der Bundesregierung keine Wirkung gehabt hätten, die Arbeitnehmer starke Lohn- und Gehaltserhöhungen "wie einen Bissen Brot" brauchen würden.
Doch kann die Industrie da mitziehen? In der ZIB2 war dazu Montagnacht der Wirtschaftsforscher Holger Bonin, Direktor des Instituts für höhere Studien (IHS), bei Moderatorin Margit Laufer zu Gast.
"Wir müssen aufpassen"
Gleich zu Beginn bezeichnete der Ökonom die Metaller-Forderung als überraschend niedrig, zumal historisch der tatsächliche Lohnabschluss meist deutlich unter der Anfangsforderung liegt. In der aktuellen "Sondersituation" sei es aber auch für die Industrie schwierig, wettbewerbsfähig zu bleiben. Das müsse man bei den Verhandlungen "austarieren". Deshalb werde man "am Ende irgendwo landen, wo man in der Nähe der Inflation ist", schätzt Bonin.
Der IHS-Chef plädiert auf einen "cleveren Abschluss" und einer zumindest vorübergehenden Abkehr der Vorbildfunktion des Metaller-KVs für andere Branchen: "Wir müssen aufpassen, was in den Dienstleistungen passiert. Ich halte das nicht für einen Selbstläufer, dass wir den Metaller-Abschluss auch in anderen Branchen akzeptieren." Denn dann könnten sich die errungenen Preissteigerungen erst recht wieder "in Preissteigerungen niederschlagen".
Einmalzahlungen als Option, wenn...
Die gesamten Modus operandi der jährlichen Lohnrunden auf Basis der sogenannten Benya-Formel (Lohnforderung = 3% plus Inflationsrate) jetzt zu überdenken, "macht keinen Sinn" in der aktuell schwierigen Lage, betont Bonin weiter. Allerdings solle in ruhigeren Zeiten "reflektiert werden", ob man die Laufzeiten nicht ausdehne oder andere Inflationswerte als Basis nehme. Der Wirtschaftsexperte wünscht sich hier mehr Flexibilität.
Auch Einmalzahlungen "sollte man überlegen". Allerdings sei deren Wirkung "im nächsten Jahr verloren". Deshalb müsse man dann beim nächsten Lohnplus ordentlich drauflegen, um das auszugleichen.
"Die Situation ist sehr fragil"
Zum Ende hin drängte Moderatorin Laufer ihren Studiogast noch auf eine allgemeine Prognose zum Wirtschaftswachstum. Diese sei schwierig, sagte Bonin: "Die Situation ist sehr fragil. Auf jeden Fall müssen wir achtsam sein, was die Tarifverhandlungen angeht und wir müssen sehen, dass das Risiko, dass wir in eine Rezession drehen, schon erheblich ist."
Einige Indikatoren würden derzeit daraufhin weisen, dass Österreich Deutschland eben in eine solche Rezession folgt. "Aber das hängt eben auch davon ab, dass wir einerseits nicht in Panik verfallen und andererseits auch wie sich die Sozialpartner jetzt in der nächsten Verhandlungsrunde verhalten".
Für 2025 überwiegt Optimismus
Für das nächste Jahr seien die Prognosen hingegen weltweit optimistisch "und das teilen wir zum guten Teil", dass im nächsten Jahr der Aufschwung kommen wird. "Wir wissen nur nicht ganz genau, wann das im nächsten Jahr passieren wird."
Allerdings ist vieles noch von unsicheren Faktoren abhängig. Die Energiepreis-Entwicklung sei weltmarktgetrieben und auch wie es mit China weitergeht, ist noch unsicher.