Politik
Nächtliche Justiz-Mails bringen Zadic unter Druck
Ein nächtlicher E-Mail-Verkehr zwischen ranghohen Justizvertretern sorgt für Wirbel. Neos, FPÖ und SPÖ fordern von Ministerin Zadic Konsequenzen.
Das Nachrichtenmagazin "profil" veröffentlicht Auszüge aus einer E-Mail-Korrespondenz ranghoher Justizvertreter im Kontext der sogenannten "Eurofighter-Dienstbesprechungsaffäre". Darin diskutieren unter anderem der Strafrechtssektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, und der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, über das vorangegangene ZiB2-Interview von Ilse-Maria Vrabl-Sanda, der Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), am 6. Juni 2019.
Negative Campaigning gegen eigene Behörde
Die WKStA warf den beiden damals den Wunsch nach Abwürgen des Eurofighter-Verfahrens vor und zeigte sie – erfolglos – wegen Amtsmissbrauchs bzw. Anstiftung zum Amtsmissbrauch an (siehe Video unten). Fuchs schrieb, der WKStA gehe es vor allem um die "Verteidigung der Komfortzone möglichst ohne Einflussmöglichkeit der Dienst- und Fachaufsicht" und forderte eine "Reaktion auf die Grenzüberschreitungen" der Behörde, es bedürfe "gemeinsamer Strategien", um dieses "sich ständig aufbauende Problem nachhaltig zu lösen".
Pilnacek bezeichnete die damals eben erst anlaufende Mediation als "gescheitert", beklagte den mangelnden "Flankenschutz" aus den eigenen Reihen und schlug vor, "aktive und breite Öffentlichkeitsarbeit [zu] betreiben und insgesamt die Leistungen der WKStA [zu] hinterfragen.“
Neos: "Zadic muss jetzt die Reißleine ziehen"
Auf "profil"-Anfrage verwies Pilnacek darauf, dass es sich um eine "emotional sehr belastete Situation" gehandelt habe. Jedoch hätte seine "Verärgerung" seine "tatsächlichen öffentlichen und internen Reaktionen" nie geprägt und die Mediation sei erfolgreich absolviert worden.
Bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien sieht man den "damaligen, sehr bedauerlichen Konflikt“ vor allem aufgrund der Mediation bereinigt. Anstatt jedes Wort aus den E-Mails in die Waagschale zu werfen, sollten "die handelnden Personen an den von ihnen gesetzten Maßnahmen gemessen" werden, nämlich an der "Schaffung eines Arbeitsumfelds, das von Vertrauen und Wertschätzung geprägt" sei. Zur Negativ-PR: Die OStA Wien betreibe "ganz generell keine Stimmungsmache".
FPÖ: "Was wusste Sebastian Kurz?"
"Die E-Mails zeigen ein Bild von Realitätsverlust und Allmachtsfantasien. Christian Pilnacek hat offenbar jegliches Gespür für seine Zuständigkeiten verloren und mischt sich kontinuierlich in Bereiche ein, die ihn überhaupt nichts angehen", poltert Neos-Aufdeckerin Stephanie Krisper. Dass Pilnacek seine Hand schützend über die ÖVP hält - sei es in der Causa Eurofighter, sei es in der Causa Casinos -, werde mit jedem Tag klarer.
Ein Sektionschef, der Negative Campaigning gegen die eigene Behörde in Auftrag gibt und Beschuldigte in Strafverfahren trifft, sei schlicht untragbar, so Krisper. Pilnacek sollte seines Amtes unverzüglich enthoben werden, dafür im Ibiza-Untersuchungsausschuss aussagen.
Auch für FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sei mit den nächtlichen Emails ein "neuer, nicht für möglich gehaltener Tiefpunkt in der österreichischen Rechts- und Justizgeschichte erreicht". Pilnacek scheint ein "Exekutor türkiser parteipolitischer Anliegen und Wünsche an die Justiz" zu sein, weshalb sich für den FPÖ-Klubobmann die Frage stellt: "Was wusste [Bundeskanzler Sebastian] Kurz von Pilnacek und umgekehrt und welche Deals und Absprachen wurden hier zwischen ÖVP-Spitzen und der Spitze der Strafrechtsbehörden getroffen?" Kickl fordert von Justizministerin Alma Zadic, den Vertrag des Sektionschefs nicht weiter zu verlängern.
SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim findet die nächtlichen E-Mails "in höchstem Maße verstörend" und erinnert daran, dass auch schon Bundeskanzler Kurz Attacken gegen die WKStA geritten habe. "Es scheint bis in die Kreise der Regierung den dringenden Wunsch zu geben, die Aufdeckungen dieser Behörde flachzuhalten oder zu verunmöglichen“, so Yildirim, welche die Einsetzungen eines unabhängigen und weisungsungebundenen Bundesstaatsanwaltes fordert.