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Nein, das hier ist keine Maus auf der SpaceX-Rakete
Auf Social Media geht ein Video viral, das eine Maus auf einer SpaceX-Rakete im Weltall zeigen soll. Der Raketenflug wäre fake, wird behauptet.
Eine der heiß diskutiertesten Verschwörungstheorien unter Weltraum-Kritikern ist die erste Mondladung. Wehende Flaggen, sternenlose Bilder und falsche Schatten sind nur einige der Argumente, die seit über 50 Jahren von den Kritikern verbreitet werden. Dies führte dazu, dass in der Geschichte der Raumfahrt immer wieder Debatten rund um die Erforschung abseits der Erde angeheizt wurden. Nun gibt es einen neuen Übeltäter, der auf Social Media für Gesprächsstoff sorgt: eine angebliche Maus.
Was ist passiert?
Solche Videos, wie dieses auf TikTok, gehen viral. Nutzer analysieren die regelmäßig stattfindenden Abflüge von SpaceX, die unter anderem in den lokalen Nachrichten in den USA oder auf YouTube angesehen werden können. In diesem Video zeigt der TikTok-User mit dem Finger auf den Bildschirm, genau an dem Punkt, bei der mitten im Raketenflug etwas beim Antrieb herumkrabbelt, was wie eine Maus aussieht. "Wir haben nun Mäuse im Weltall? SpaceX wir haben euch ertappt", behauptet er im Video.
Auch andere Stimmen auf Social Media sind überzeugt davon, dass der Abflug gefaked wurde. "Wie will SpaceX diesen Vorfall erklären?" heißt es unter anderem. Das US-amerikanische Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmen von Elon Musk hat bisher noch keine Stellung bezogen. Ein Grund dafür könnte sein, dass solche Phänomene immer wieder bei verschiedensten Missionen auftauchen. Es handelt sich um eine chemische Reaktion, die durch Abgase in der Atmosphäre entsteht.
Hintergrund des SpaceX-Videos
Doch was geht da überhaupt vor sich? Im Video oben ist ab Minute 12:43 – 12:50 das vermeintliche "Krabbeln" zu erkennen. Beim viralen TikTok-Video wurde die Aufzeichnung vom Mittwoch, den 19. April, verwendet. SpaceX startete am Nachmittag ihre Falcon-9-Rakete inklusive 21 Starlink-Satelliten in die erdnahe Umlaufbahn. Ort des Geschehens war der Raketenstartplatz Space Launch Complex 40 in der Cape Canaveral Space Force Station in Florida, USA. Ziel der Satelliten ist es, weltweiten Internet-Zugang zu ermöglichen.
Es handelte sich um die erste Stufe der Falcon 9-Trägerrakete, die regelmässig für Starlink-Missionen startet. Die rund 20-minütigen Videos zeigen den Prozess vom Start bis hin zur Landung, ein Spektakel für Interessierte der Weltraumfahrt, das auf den offiziellen Social-Media-Kanälen von SpaceX live gestreamt wird. SpaceX hat bisher bereits rund 4400 Satelliten in den Weltraum transportiert, dieses Jahr allein waren es mehr als 29 Falcon-9-Flüge. Dies allein macht das Fälschen solcher Abflüge zu einer riesigen Herausforderung.
Gefrorener Treibstoff-Cocktail
Die Rakete fliegt laut den Videos der Starlink-Missionen mehr als 100 Kilometer über dem Meer in die äußere Erdatmosphäre. Das führt zu extremen Temperaturschwankungen, die von minus 80 in der Strato- bis zu 1.700 Grad Celsius in der Thermosphäre reichen – und das in nur über zehn Minuten. Wenn also bei solchen Konditionen Flüssigkomponenten wie Treibstoff austreten, gibt es extreme Einflüsse auf die Aggregatzustände.
Die Falcon 9 verwendet flüssigen Sauerstoff und flüssiges Kerosin als Treibstoff für ihre Triebwerke. Bei der Verbrennung dieser Treibstoffe entstehen Wasserdampf und Kohlendioxid als Nebenprodukte. Wenn diese Abgase in einer kalten Umgebung auf eine noch kältere Oberfläche treffen, kann der Wasserdampf kondensieren und zu Eispartikeln werden. Wenn die Abgase der Rakete aus den Triebwerken vermischt werden und austreten, können aufgrund der hohen Geschwindigkeit und der Kälte in diesem Bereich also Eispartikel entstehen und sichtbar werden.
Leidenfrost-Effekt
Umgekehrt könnte auch der Leidenfrost-Effekt zum Tragen kommen. Dieser beschreibt das Phänomen,
bei dem auf einer heißen Herdplatte Wassertropfen "tanzen", quasi wie auf einem Dampfkissen, weil das Wasser auf der Oberfläche der Platte direkt verdampft. Wenn der gefrorene Treibstoff-Mix also an einem heißen Punkt in der Nähe des Antriebs auftritt, könnte es so aussehen wie eine krabbelnde Maus.
Die genaue Zusammensetzung und das Erscheinungsbild der Abgase sind von verschiedenen Faktoren abhängig, wie z.B. der spezifischen Raketenkonfiguration, der Flugphase und den Umgebungsbedingungen. Die Beobachtung von Eispartikeln oder anderen Phänomenen in diesem Bereich kann von Mission zu Mission unterschiedlich sein, sind aber auf fast allen Videos der Starlink-Missionen ersichtlich.
Wie wurde die Aufnahme gemacht?
Ein weiterer Punkt der Kritiker war, dass die Aufnahme in einem Studio gefilmt wurde. Zwar gibt es Aufzeichnungen und Dokumente von SpaceX, die belegen, dass bei den Abflügen echte Kameras verwendet wurden, explizite Bilder von den Kameras selber gibt es aber kaum. Doch ein Fund eines US-Bürgers zeigte, dass diese existieren.
Er fand nach einer fehlgeschlagenen Mission in den Trümmerteilen einer Rakete im Meer eine GoPro-Kamera, bevor SpaceX sie wieder einsammelte (siehe Bild oben). Diese wurde, wenn man den Winkel der Falcon-9-Videos betrachtet, wohl an der Zweitstufe der Rakete feuerfest angebracht, gleich oberhalb der Triebwerke (von unten her betrachtet).
Fazit
Die Behauptung, dass hier Mäuse am Werk sind, ist also mit höchster Wahrscheinlichkeit falsch. Solche Phänomene kommen immer wieder vor, auch bei den auf Social Media verbreiteten Starlink-Missionen. Diese sind nachweislich echt, lassen sich zurückverfolgen und zeigen, dass die von der Rakete Falcon 9 verursachten Abgase in der Erdatmosphäre zu gefrorenen Partikeln werden, die dann abgeworfen werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass solche Videos in Bezug auf die Weltraum-Missionen von SpaceX oder der Nasa viral gehen. Immer wieder werden offizielle Videoformate aus dem Kontext gerissen und auf Social Media mit einer Verschwörungstheorie verbreitet. Die Maus-Videos werden also wohl nicht die letzten Clips sein, die unter diesem Vorwand in Zukunft geteilt werden.