Politik

Nehammer "setzt auf lahmen Gaul"– heftige Kritik im ORF

Auto-Kanzler Karl Nehammer macht sich für Verbrennermotoren mit E-Fuels stark. Damit setze er auf "einen lahmen Gaul", sagt ein Experte im ORF-Radio.

Roman Palman
Nicht nur mit dem Auto, sondern auch mal zu Fuß unterwegs: Karl Nehammer
Nicht nur mit dem Auto, sondern auch mal zu Fuß unterwegs: Karl Nehammer
Max Slovencik / EXPA / picturedesk.com

Beim EU-weiten Aus für Verbrennermotoren stieg Karl Nehammer kräftig in die Bremsen und schwenkte in den Windschatten der Deutschen ein. Der Brüsseler Kompromiss mit Deutschland sieht vor, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 weiter verkauft werden dürfen, wenn sie ausschließlich mit sogenannten E-Fuels (siehe Infobox unten) betrieben werden.

So weit ist es beschlossen. Nehammer will im Auto-Thema nach der EU-Vollbremsung jetzt wieder Gas geben, kündigte ein Gipfeltreffen für diese Woche an. Am Dienstag reiste der Kanzler dann auch nach Oberösterreich, wo er in Begleitung von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ebenso ÖVP) nicht nur beim Stahlriesen voestalpine in Linz, sondern auch beim BMW-Werk in Steyr vorfährt. 

BMW: E-Fuels nur ein "Randthema"

Doch kann das mit den E-Fuel-Verbrennern als grüne Alternative wirklich funktionieren? Ein deutliches Nein schallte am Dienstag aus dem ORF-Radio Ö1.

Gegenüber den Reportern betonte der BMW-Werksleiter Klaus von Moltke, dass der Elektroantrieb "die zentrale Technologie" der Zukunft sei. "Wir befinden uns inmitten der Transformation am Standort. Bereits heute beschäftigt sich mehr als ein Drittel unserer Belegschaft am Entwicklungszentrum mit der E-Mobilität." Bis 2030 sollen es über 90 Prozent sein und jedes zweite Fahrzeug dann mit Elektroantrieb vom Band rollen.

Alleine in Steyr will BMW deshalb eine Milliarde Euro in die E-Mobilität investieren. E-Fuels hingegen seien ein Randthema, an dem selbst nicht geforscht werde. Die synthetischen Kraftstoffe könnten "nur ein Zusatz für die bereits bestehenden Verbrennerautos" sein, meint von Moltke. 

Kanzler-Kurs für Experte unverständlich

Deutliche Kritik an Nehammers Kurs äußerte in Folge auch der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Ferdinand Dudenhöffer. Für ihn ist der Kanzler-Fokus auf E-Fuels (auch SynFuels) unverständlich: "Wenn man auf SynFuels für Autos, Pkws, setzt, dann setzt man wirklich auf einen lahmen Gaul."

Er schreibt dem Kraftstoff maximal eine "Nischenposition" zu, für die Mehrheit des Individualverkehrs sei der Batterieantrieb "das Maß der Dinge" – auch würden Elektroautos immer erschwinglicher.

Der deutsche Auto-Experte stellt im Ö1-"Morgenjournal" dem türkisen Nehammer-Tanker die Ampel vor der Nase auf Rot: "Wenn man die Preise ansieht, die heute die Chinesen machen für Elektroautos, dann braucht man nicht mehr über SynFuels in der Zukunft sinnieren."

Was hinter "E-Fuels" steckt
E-Fuels werden von ihren Befürwortern als klimaneutrale Alternative zum Elektroauto mit Akku hochgelobt, doch das stimmt nur bedingt. 
Es handelt sich dabei um synthetische Kraftstoffe aus Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2). Deren Herstellung ist aber aufwendig und energieintensiv. E-Fuels sind daher – wie E-Autos auch – maximal genauso grün, wie die Kraftwerke, die den nötigen Strom dafür produziert haben.
E-Fuels haben zwar gewisse Vorteile (normal tankbar, geringeres Gewicht als ein Akku, etc.), doch der Knackpunkt ist ihre, der Herstellung geschuldete, horrende Energiebilanz gegenüber anderen Antriebsarten.
Der ADAC (ein E-Fuel-Befürworter) rechnet vor: mit einer 3-Megawatt-Windkraftanlage könnte man 1.600 E-Autos versorgen. Nutzt man den Strom für Wasserstoff-Umwandlung könnten nur 600 Fahrzeuge damit ausrücken. E-Fuel-Verbrenner sind es am Ende nur 250 Fahrzeuge.
Die künftigen Einsatzbereiche von E-Fuels werden deshalb vielfach eher in der Luft- und Schifffahrt gesehen als im Individualverkehr.

Kritik an ORF aus Kanzleramt

Die Reaktion aus dem Kanzleramt auf den ORF-Beitrag fiel säuerlich aus: "Die Einseitigkeit dieses Beitrags ist bedauerlich", kritisiert Kanzler-Sprecher Daniel Kosak auf Twitter die Arbeit der Rundfunk-Redaktion. Er hätte sich darin auch Stimmen, "die Technologieoffenheit einfordern bzw. als Chance sehen", gewünscht.

Dazu zitiert er BMW-Vorstandschef Oliver Zipse, der sich gegen das ursprünglich geplante Verbrenner-Aus ausgesprochen hatte: "Vielfalt bedeutet Resilienz", sagte dieser mit Blick auf eine entstehende Abhängigkeit von Batterie-Rohstoffen. 

Die Antriebsarten im Vergleich: Reichweite mit 100 kWh Primärenergie.
Die Antriebsarten im Vergleich: Reichweite mit 100 kWh Primärenergie.
APA-Grafik / picturedesk.com
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