Poker nach der Wahl

"Naiv im besten Fall" – Brutale Abrechnung mit SPÖ-Chef

Die SPÖ erleidet eine Wahlschlappe, fährt ein historisch schlechtes Ergebnis ein – und will trotzdem regieren. Die Situation analysiert ein Experte.

Newsdesk Heute
"Naiv im besten Fall" – Brutale Abrechnung mit SPÖ-Chef
Der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina am Montagabend in der ORF-"ZIB2".
Screenshot ORF

SPÖ-Vorsitzender Andreas Bablerwill einen beachtenswerten Koalitions-Poker starten. Beachtenswert deshalb, weil die Roten trotz Platz 3 bei der Nationalratswahl und historisch schlechtem Ergebnis mitregieren wollen. "Wir stehen für eine Regierungsbeteiligung bereit". hieß es nach der Wahlschlappe in einer Nachricht an die SPÖ-Funktionäre, es gelte, die "FPÖ zu verhindern". Nicht einmal 24 Stunden nach der Wahl stellten die Roten zudem ein Verhandlungsteam für etwaige Sondierungsgespräche zusammen, angeführt von Babler.

Und Ansprüche stellen die Roten auch: "Die FPÖ unter Herbert Kickl ist kein Koalitionspartner", hielt Klubobmann Philip Kucher fest, das würde die Gespräche im Wahl-Poker auf die zweitplatzierte ÖVP und womöglich die NEOS beschränken. Wie passt das alles zusammen? Das versuchte am späten Montagabend der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer und jetzige Politikberater Josef Kalina in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf zu klären – nahm sich dabei kein Blatt vor den Mund. Nicht, dass es keine Obmanndiskussion gebe, so Kalina, man habe sich geeinigt, keine zu führen.

Mächtige SPÖ-Granden schützen Babler

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und der ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian hätten "einen Kurs vorgegeben", Verantwortung übernehmen zu wollen, packte Kalina aus. Man könne in solche Verhandlungen natürlich nicht mit Positionen reingehen, die für die ÖVP oder die NEOS inakzeptabel seien, so Kalina. Schiefgelaufen sei Kalinas Meinung nach "die Positionierung", "schiefgelaufen ist total der Wahlkampf". "Einen Wahlkampf zu führen mit der zentralen Forderung nach zwei neuen Steuern ist offen gestanden naiv im besten Fall, da wird das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt", so Kalina.

Man müsse Wählern die Ziele nennen, erst dann mit Partner die Finanzierung klären, so würde es richtig gehen, sagte Kalina. "Die Art des Wahlkampfs und die Tonalität des Spitzenkandidaten" habe außerdem sehr viele Leute ins Nichtwählen gebracht, analysierte Kalina das SPÖ-Ergebnis. Erfreulich seien Zugewinne in Städten wie Wien, das sorge aber auch "für ein strategisches Dilemma", denn wenn man wie angesagt die Mehrheitsverhältnisse verändern wolle, müsse man Menschen links und rechts überzeugen, hieß es. "Absurd" sei wiederum die Behauptung einiger SPÖ-Politiker, dass man den Abwärtstrend der Partei gestoppt habe. "Wenn das der Anfang eines neuen Weges sein soll, das kann nicht stimmen", das könne auch niemand in der SPÖ wollen, so Kalina.

Doskozil-Pressekonferenz zur Wahlschlappe der SPÖ (30.9.2024)

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    Andreas Bablers schärfster Konkurrent in den eigenen Reihen, Hans Peter Doskozil, will am Tag nach dem Wahl-Desaster keine neue Führungsdebatte beginnen.
    Andreas Bablers schärfster Konkurrent in den eigenen Reihen, Hans Peter Doskozil, will am Tag nach dem Wahl-Desaster keine neue Führungsdebatte beginnen.
    HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com

    Babler müsse "den weitesten Weg zurücklegen"

    Das Land stehe vor großen herausforderungen und einem Schuldenberg, es werde viel Arbeit uns intensive Gespräche mit anderen Parteien brauchen, attestierte Kalina. Und er gestand, nicht zu wissen, wie groß der Rückhalt für Babler in der partei eigentlich noch sei. Die Begeisterung für Babler in den Bundesländern, die sich bei der Wahl umgefärbt haben, habe wohl "Grenzen", so der Epxerte. Ob da eine Obmann-Diskussion "aufgeschoben oder aufgehoben" sei, werde sich weisen. Was aber sicher sei: In Koalitionsverhandlungen werde Babler wohl von SPÖ, ÖVP und NEOS "den weitesten Weg zurücklegen" müssen.

    Österreichweite Demonstration gegen Rechts am Wahltag 2024

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      In Wien und in ganz Österreich wird am Wahltag gegen die FPÖ demonstriert.
      In Wien und in ganz Österreich wird am Wahltag gegen die FPÖ demonstriert.
      ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

      Bedeutet? "Realistisch wird er Vermögens- und Erbschaftssteuer nicht durchbringen, 32-Stunden-Woche schon gar nicht", so Kalina. Es gebe viele große Baustellen, man müsse mit den Ländern "zu einer neuen Zusammenarbeit finden". Und Kalina erklärte: "Wenn diese Regierung eine Chance haben will, und nicht so enden will wie die zerstrittene deutsche Ampelkoalition, dann muss sie eine Handvoll, zehn, Reformprojekte definieren, ganz genau übrigens ein Regierungsprogramm detailliert ausarbeiten, wo es wenig Interpretationsspielräume zum Streiten gibt, und das dann der Bevölkerung vorlegen und sagen: 'Das wollen wir gemeinsam umsetzen und nicht gegeneinander im Hick-Hack". "Orchideen-Themen" zum Streiten würden die Parteien dann noch genug finden, so Kalina.

      Österreich wählt – alle Parteien, Kandidaten, der Wahltag

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        Van der Bellen: Hier entlässt er die Regierung
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        HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com

        Auf den Punkt gebracht

        • Die SPÖ hat bei der Nationalratswahl ein historisch schlechtes Ergebnis erzielt, will aber dennoch regieren und plant eine Koalition ohne die FPÖ
        • Trotz des dritten Platzes bei der Wahl hat SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler ein Verhandlungsteam zusammengestellt, um mögliche Koalitionsgespräche mit der ÖVP und den NEOS zu führen, um die FPÖ zu verhindern
        red
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