Gegen zwei Punkte verstoßen

Nach Schilling Artikel – Presserat rügt "Standard"

Ein Artikel im "Standard" über die Spitzenkandidatin der Grünen sorgte kurz vor der EU-Wahl für viel Aufregung. Der Presserat überprüfte den Bericht.

Lukas Leitner
Nach Schilling Artikel – Presserat rügt "Standard"
Der Presserat nahm nun zu der Berichterstattung des "Standards" über Lena Schilling (Grüne) Stellung.
Picturedesk; "Heute"-Collage

Nur wenige Wochen vor der EU-Wahl berichtete der "Standard" über das angebliche problematische Verhalten der Grünen-Spitzenkandidatin Lena Schilling. Der Bericht schlug Wellen und prägte über mehrere Wochen die politische Berichterstattung – zum Nachteil der Grünen.

Der erste Artikel

Konkret ging es im Artikel des "Standard" darum, dass die grüne Spitzenkandidatin Gerüchte über ehemalige Freunde, Journalisten und Aktivisten, die in ihrem engeren Freundeskreis waren, verbreitet hatte. Dabei handelte es sich um eine angebliche Fehlgeburt von Veronika Bohrn Mena, nachdem sie ihr Mann geschlagen hätte.

Weiters stand im "Standard", dass Schilling Gerüchte über zwei Journalisten verbreitet haben soll. Dabei habe sie einem privaten TV-Journalisten zu Unrecht Belästigungen vorgeworfen und mit einem anderen TV-Journalisten eine Affäre erfunden.

Der Artikel lebte dabei von zahlreichen anonymen Zitaten, die Schilling in ein negatives Licht stellten. Mehrere Leser wandten sich in der Folge an den Presserat – aus medienethischen Gründen. Dieser leitete auch eine Untersuchung ein und nahm am Freitag dazu Stellung.

Verstoße gegen zwei Punkte

Demnach hätte der Bericht gegen zwei konkrete Punkte des Ehrenkodex verstoßen (Punkt 2.1 und 2.2). Auch wenn "Informationen über das private Verhalten von Politikern vom öffentlichen Interesse gedeckt sein können", wie der Presserat schreibt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine "private Verhaltensweise in Widerspruch zu öffentlichen Auftritten oder Positionen steht".

Bei Schilling würde das auch zutreffen. Immerhin warb sie in ihrer Kampagne unter anderem mit dem Plakat "Herz statt Hetze" und die Grünen sehen sich zudem selbst als eine Partei mit besonderem Anspruch hinsichtlich des politischen Anstands.

Zitate nicht kontextbezogen

Die Verwendung der anonymisierten Zitate im Artikeln seien dabei rechtens gewesen, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Denn zahlreiche Passagen enthielten Aussagen, wie "Vertrauen junger Menschen ausgenutzt"; "‘Verbrannte Erde‘ in Teilen der Klimabewegung"; "mehr als hinterfragenswerter Umgang mit jungen Menschen".  Solche Zitate waren dabei nicht kontextbezogen und eine Wertung von Lena Schilling.

Dadurch würde den Lesern ein zunehmendes negatives Bild von Schilling vermittelt werden und man erhielte den Eindruck, dass "Lena Schilling einen mangelhaften Charakter (habe) und möglicherweise sogar an psychischen Problemen leiden könnte", so der Presserat.

Presserat zum ersten Verstoß

"Nach Auffassung des Senats hätte es eine ausgewogene bzw. faire Vorgehensweise im Sinne von Punkt 2.1 des Ehrenkodex erfordert, die Meinungen und Werturteile mit konkreten Sachverhalten in Bezug zu bringen", heißt es im Wortlaut der Stellungnahme zum ersten Punkt und weiter:

"Aufgrund der zahlreichen veröffentlichten Sichtweisen über den mangelhaften Charakter Schillings kann der Senat auch keine ausreichende Äquidistanz zur Betroffenen und den anderen anonymisierten (politischen) Informanten erkennen. Es liegt daher ein Verstoß gegen das Gebot einer gewissenhaften und korrekten Wiedergabe von Nachrichten vor (Punkt 2.1 des Ehrenkodex)".

Begründung zum zweiten Verstoß

Der zweite Punkt bezieht sich auf die Anonymisierung der Zitate selbst. Diese ist erlaubt, wenn die Sicherheit der zitierten Person gefährdet ist oder durch die Nennung des Namens ein anderer schwerer Schaden entstehen könnte. Das trifft auf die zitierten Personen im "Standard"-Artikel zu.

Der Senat sieht aber dort eine Grenze erreicht, "wo anonyme Zitate lediglich dazu dienen, den Charakter einer einzelnen Person in ein negatives Licht zu rücken, ohne dass dafür ein entsprechendes Tatsachensubstrat veröffentlicht wird". Für den Senat wäre es dabei erforderlich gewesen, lediglich über "die konkreten und belegten Vorwürfe gegenüber Schilling zu berichten".

"Es liegt daher auch ein Verstoß gegen das Gebot einer gewissenhaften und korrekten Zitierweise vor (Punkt 2.2 des Ehrenkodex)", heißt es dabei wörtlich zum zweiten Verstoß.

"Standard" Anwalt fasst zusammen

"Ausdrücklich hält der Presserat daher fest, dass über schwerwiegende Vorwürfe gegen Lena Schilling berichtet werden durfte", erklärte der Anwalt des "Standard" Michael Pilz im dazugehörigen Onlineartikel des Mediums und führte weiter aus: "Kritik übt die Entscheidung daher ausschließlich an der anonymisierten Wiedergabe von solchen Zitaten, die nur subjektive Wertungen über den Charakter von Lena Schilling beinhalteten."

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