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"Mr. Vizepräsident, jetzt rede ich!"

Heute Nacht stieg in Salt Lake City die einzige TV-Debatte der Vizepräsidentschaftskandidaten. US-Präsident Trump twitterte aus der Quarantäne.

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US-Vizepräsident Mike Pence traf in einem Rededuell auf Kamala Harris, die im Falle eines Wahlsieges Joe Bidens dessen Stellvertreterin wird.
US-Vizepräsident Mike Pence traf in einem Rededuell auf Kamala Harris, die im Falle eines Wahlsieges Joe Bidens dessen Stellvertreterin wird.
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In Salt Lake City lieferten sich heute Nacht die beiden Bewerber um die US-Vizepräsidentschaft ihre erste und einzige Debatte. Das Duell unterschied sich stark vom vorangehenden zwischen Donald Trump und Joe Biden: Zwischen Kamala Harris (55) und Mike Pence (61) ging es um Politik und man hörte sich zumindest teilweise gegenseitig zu.

Hart aber fair

Die beiden Kandidaten äußerten sehr unterschiedliche Haltungen zu Themen wie Corona, dem Klimawandel und Rassismus. Harris stellte die Vorzüge von Joe Biden in den Vordergrund, Pence sprach darüber, was die Trump-Regierung in den letzten Jahren erreicht habe. Beide ignorierten teilweise Fragen der Moderatorin und sprachen stattdessen über Themen ihrer Wahl.

"Diese Regierung hat das Recht auf eine Wiederwahl verwirkt" - Kamala Harris

Gleich zu Beginn des Duells stand der Umgang mit der Coronavirus-Pandemie im Mittelpunkt. «Das amerikanische Volk hat miterlebt, was der größte Misserfolg einer Regierung in der Geschichte unseres Landes ist», sagte Harris. Pence und Trump hätten bereits am 28. Januar alle nötigen Informationen über das Virus gehabt, es bewusst heruntergespielt und unnötig Leben riskiert. "Das amerikanische Volk hat Opfer bringen müssen wegen der Inkompetenz dieser Regierung."

Wann kommt der Corona-Impfstoff?

Pence verteidigte die Bemühungen der US-Regierung zur Bekämpfung des Virus, einschließlich Trumps Entscheidung Ende Januar, die Einreise vom Epizentrum der Pandemie in China zu beschränken. «Dr. Fauci und andere Gesundheitsexperten sagten in der zweiten Märzwoche, wenn Trump die Wirtschaft nicht geschlossen hätte, könnten inzwischen 2,2 Millionen Menschen getötet worden sein», entgegnete er. Trump habe unverzüglich die Forschung eines Impfstoffes vorangetrieben, nur deswegen stünde jetzt bald ein solcher Stoff zur Verfügung.

Beide Kandidaten wichen der Frage aus, wie ihre Absprachen mit den jeweiligen Präsidentschaftsanwärtern für eine Machtübergabe sind. Es ist ein wichtiger Punkt: Trump ist 74 Jahre alt und an Covid-19 erkrankt, Biden ist 77. Jeder der beiden wäre bei Amtsantritt im Januar 2021 der älteste Präsident in der US-Geschichte. Moderatorin Page hakte auch nicht nach.

"Hör auf, mit dem Leben der Menschen Politik zu machen" - Mike Pence

Pence ging zudem nicht darauf ein, ob Trump und er eine Wahlniederlage akzeptieren würden. «Ich denke, wir werden diese Wahl gewinnen», sagte der Vizepräsident. Trump liegt in landesweiten Umfragen deutlich hinter Biden zurück.

Zeitweise landete eine Fliege auf dem Kopf des Vizepräsidenten. Auf Twitter stellen viele diese nun als eigentliche Siegerin der Debatte dar.

Genauso wenig beantwortete Harris die von Pence gestellte Frage, ob Biden und die Demokraten im Falle ihres Wahlsiegs und der Rückeroberung der Mehrheit im Senat das Oberste Gericht vergrößern würden. Die Republikaner versuchen gerade, die Juristin Amy Coney Barrett in das höchste US-Gericht zu bringen. Sie würde eine konservative Mehrheit im Gericht zementieren.

Harris bezeichnet Trump als unehrlich

Bei den Themen Gesundheitswesen und Steuererhöhungen ging Harris in die Offensive: Sie verurteilte die Bemühungen der Trump-Regierung, den «Affordable Care Act» für ungültig zu erklären und griff Trump an, weil er als Präsident in den vergangenen Jahren laut einem Artikel der «New York Times» nur 750 Dollar pro Jahr an Bundeseinkommenssteuern gezahlt habe. «Als ich zum ersten Mal davon hörte, sagte ich buchstäblich: Sie meinen 750.000 Dollar?», sagte sie.

"Joe Biden wird Ihre Steuern am ersten Tag erhöhen" - Mike Pence

Dies sei nur ein weiterer Beleg für Trumps Unehrlichkeit gegenüber dem amerikanischen Volk, das ein Recht habe zu erfahren, auf welcher Grundlage der Präsident seine Entscheidungen treffe. "Es wäre gut zu wissen, wem der Präsident der USA Geld schuldet."

Pence wiedersprach und erklärte, dass Trump ein Geschäftsmann sei, tausende Arbeitsplätze geschaffen habe und Millionen Dollar an Unternehmenssteuern zahle. Dann lenkte der Vizepräsident das Thema auf die Wirtschafts- und Steuerpolitik und verschärfte den Ton: «Am ersten Tag wird Joe Biden Ihre Steuern erhöhen», richtet sich Pence direkt in die Kamera.

Hart aber fair: Das Duell der beiden Vizes bot ordentlich Zündstoff, aber keine Beleidigungen und Unterbrechungen.
Hart aber fair: Das Duell der beiden Vizes bot ordentlich Zündstoff, aber keine Beleidigungen und Unterbrechungen.
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Harris unterbrach: «Lassen Sie uns bei den Fakten bleiben, für die diese Debatte gedacht ist.» Pence entgegnet: «Sie haben Anspruch auf Ihre eigene Meinung, aber Sie haben keinen Anspruch auf Ihre eigenen Tatsachen.»

Ganz anders als die erste Debatte

Weitere Themen waren Klimawandel, Polizeigewalt und Rassismus, die Ernennung der neuen Richterin für den Obersten Gerichtshof sowie die Durchführung der Wahl. Die Debatte am Mittwoch, bei der sich die Kandidaten mit einer Reihe von politischen Themen befassten, verlief im Gegensatz zur chaotischen Präsidentendebatte der vergangenen Woche geordnet.

Trump hatte den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Biden wiederholt unterbrochen und die beiden Männer hatten sich gegenseitig mit persönlichen Beleidigungen überzogen.

"Mr. Vizepräsident, jetzt rede ich!" - Kamala Harris

Angesichts der Corona-Infektion des US-Präsidenten Donald Trump wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft: In der Fernsehdebatte trennten Plexiglasscheiben die sitzenden Stellvertreter-Kandidaten. Zudem war auf der Bühne der Abstand auf vier Meter vergrößert.

Spaltung der Gesellschaft

"Glaubt nicht, dass die Medien die Gesellschaft der USA abbilden", sagt Pence und spricht die Freundschaft zwischen den Verstorbenen Richtern Scalia und Bader Ginsburg an. Man könne in den USA über Politik streiten, vertrage sich aber danach wieder.

Harris sagt, sie glaube an eine gute Zukunft. "Sie haben die Stimme, um dieses Land zu verändern."

Page fragt, ob die Kandidaten eine Nichtwahl akzeptieren würden und wie sie eine Machtübergabe mit ihren jeweiligen Präsidenten geregelt hätten.

Harris sagt, man habe Verbündete bei den Republikanern. Trump habe offen versucht, die Wahl in Frage zu stellen. «Wir dagegen glauben ans Volk der USA. Geht wählen!»

Pence sagt: "Wir werden diese Wahl gewinnen." Ob er eine Nichtwahl akzeptieren werde, sagt er nicht.

Die Demokratische Partei habe die letzten Jahre lang versucht, die Präsidentschaft von Trump rückgängig zu machen. Harris und ihre Kollegen hätten versucht, Trump abzusetzen «nur wegen eines Telefonats».

Rassismus und Polizeigewalt

Page spricht den Tod von Breonna Taylor an, einer Afroamerikanerin, die von Polizisten erschossen wurde. Harris sagt, sie habe mit Taylors Mutter gesprochen und bedaure den Fall sehr.

Sie habe an den friedlichen Protesten nach dem Tod von George Floyd teilgenommen. Man müsse ständig gegen Rassismus vorgehen. Sollten Biden und sie die Wahl am 3. November gewinnen, würden Würgegriffe bei der Polizei verboten. Es werde außerdem eine nationale Datenbank geschaffen, in der Polizisten registriert würden, die gegen Gesetze verstoßen haben. Privat betriebene Gefängnisse würden abgeschafft. Marihuana werde entkriminalisiert.

In der TV-Debatte ging es auch um die <a href="https://www.heute.at/s/polizisten-bei-anti-rassismus-demo-in-usa-angeschossen-100103646">Afroamerikanerin&nbsp;Breonna Taylor</a>, die von Polizisten erschossen wurde.
In der TV-Debatte ging es auch um die Afroamerikanerin Breonna Taylor, die von Polizisten erschossen wurde.
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Pence antwortet, er bedaure den Todesfall von Taylor. Er habe aber Vertrauen in das US-Justizsystem. Mit Blick auf Ausschreitungen am Rande von Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt fügte er hinzu, für Randale und Plünderungen gebe es keine Entschuldigung. Die Aussage, dass die USA systematisch rassistisch sei, sei eine Beleidigung gegen die Polizisten im Land. Er und Trump stünden auf der Seite der Polizisten.

Harris sagt, im Gegensatz zu Pence habe sie als ehemalige Staatsanwältin Erfahrung in der Strafverfolgung. «Ich werde hier nicht sitzen und mich vom Vizepräsidenten belehren lassen, was es heißt, die Gesetze unseres Landes durchzusetzen. Ich bin hier die einzige auf der Bühne, die alles strafrechtlich verfolgt hat, von Kindesmissbrauch bis Mord.» Zudem habe sich Trump bei der letzten Debatte geweigert, «White Supremacy» zu verurteilen.

Pence sagt, Trump sei kein Rassist. Seine Aussagen würden von den Medien falsch wiedergegeben. Harris dagegen habe als Staatsanwältin nichts dagegen unternommen, dass in Kalifornien die Strafverfolgung verbessert werde.

Harris widerspricht, sie habe etwa Bodycams für Polizisten eingeführt. Ihr Modell aus Kalifornien werde bei einer Wahl von ihr und Biden im ganzen Land eingesetzt.

Trump meldet sich über Twitter

US-Präsident Donald Trump hat die Vizekandidatin der US-Demokraten, Kamala Harris, bei ihrer TV-Debatte mit Vizepräsident Mike Pence per Twitter kritisiert. "Sie ist eine Ausrutscher-Maschine", schrieb Trump am Mittwochabend (Ortseit) während des laufenden TV-Duells in Salt Lake City im Bundesstaat Utah.