Spieletests
"Mortal Shell: Enhanced Edition" – Souls-Nachschub
"Dark Souls" ist Geschichte, "Demon's Souls" nur für die PS5 da und "Nioh" auch schon etwas her. Da liefert kommt "Mortal Shell" gerade rechtzeitig.
Was das "alte" und originale "Demon's Souls" und "Dark Souls" begonnen haben, sorgte für gigantische Spiele, die die Zocker bis an ihre Grenzen gehen und Kritiker jubeln ließen. Über die Jahre erschienen mit den "Nioh"-Teilen, drei "Dark Souls"-Games und Titeln wie "Bloodborne" oder den "The Surge"-Games brillante Vertreter des Genres. Dennoch: Hardcore-Rollenspiele sorgen nicht gerade für massig Nachschub am Spielemarkt. Nun hat aber der Entwickler Cold Symmetry nicht nur ein "Souls-like" veröffentlicht, sondern auch gleich eine Enhanced Edition für PS5 und Xbox Series vorgelegt.
Schon bei der Handlung wird klar, dass "Dark Souls" eines der großen Vorbilder war. Um was es genau geht und was im Verlauf passiert, muss sich der Spieler über weite Strecken selbst zusammenreimen, eine stringente Erzählung gibt es nicht. Der Spieler schlüpft dabei anfangs in die Haut eines humanoid aussehenden "Findlings", der fast nackt und wehrlos durch eine düstere Welt schleicht. Gut, dass der Spieler nicht nur seine Haut verhärten kann, um Schaden abzuwehren, sondern auch "Mortal Shells", sterbliche Hüllen von verstorbenen Charakteren nutzen kann.
Typische, aber tolle Genre-Kost
Diese "Shells" sind die verschiedenen Klassen des Spiels, die man nutzen kann. Wurde eine Hülle gefunden, schalten sich ihre Fähigkeiten permanent frei und der Spieler kann beim Besitz mehrerer Hüllen jene nutzen, die seinem Spielstil am besten entgegenkommt. Anfangs gibt es allerdings für das Genre typische Gameplay: Ein schnelles Tutorial mit den wichtigsten Skills und Steuerungsbefehlen, Feinde die einen bei einem falschen Schritt sofort töten, eigene Angriffe die kaum Schaden anrichten und ein erster Boss, bei dem es gewollt ist, dass man das Zeitliche segnet.
Story-technisch gibt es ebenso typische Genre-Kost: Ohne viel über die Welt zu wissen stolpert man in einen Glockenturm, der als Zurücksetz-Punkt dient und bekommt von einer mysteriösen Gestalt den Auftrag, ihm die drei ebenso mysteriösen Glandulas zu bringen, die in der Spielwelt hinter Bossfeinden versteckt sind. Warum und was mit den Items gemacht werden soll, ist unklar. Ab diesem Zeitpunkt kann man fast vollständig selbst entscheiden, in welches der verschiedenen Areale man sich vor wagt und wo man nach den begehrten Gegenständen zuerst suchen will.
Viele Mechaniken selbst erlernbar
Die Spielwelt selbst zeigt sich dabei insgesamt dunkel und düster, bietet aber trotzdem etwas Abwechslung. Als Wald- und Sumpfgebiet zeigt sich das Start-Areal, danach geht es in Feuer- und Eis-Gebiete ebenso wie in Areale mit schwebenden Plattformen und heimtückischen Fallen. Was allerdings etwas nervt: Von einer Übersichtlichkeit ist keine Spur. Trotz zumindest einiger einprägsamer Stellen gibt es in den verwinkelten Welten kaum Übersichtspunkte und eine Weltkarte gibt es auch in diesem "Souls-like" nicht. So kommt es vor, dass man minutenlang auf der Suche nach dem Weg herumrennt.
Das Besiegen der durchaus abwechslungsreichen und fairen Bosse belohnt nicht wirklich: Streift man endlich eine der gesuchten Glandulas ein, legt sich ein schwarzer Schleier über die Spielwelt, der konstant Feinde auf einen hetzt, ohne dass man sich in einigen Fällen schnell genug wehren kann. Nicht ganz schlüssig sind zudem bestimmte Szenen, in denen man die Mechaniken erst lernen muss. So ist es in einem Areal möglich, sich zu teleportieren, doch es dauert lange, bis man sich auskennt, wie das funktioniert und wo man dabei eigentlich landet. Nicht die einzige Mechanik, die man sich selbst anlernt.
Schnell gelernt, schwierig gemeistert
Auch bei sammel- und einsatzbaren Gegenständen merkt man erst nach und nach, dass hier einiges anders läuft: So wird ein Horten bestraft, denn nur der Item-Einsatz entwickelt unseren Charakter weiter. Pilze zur Gift-Immunisierung oder zur Gesundheits-Regenration wirken anfangs sehr zurückhaltend oder sogar schädigend auf den Charakter, bis er sich an die Wirkung "gewöhnt" hat und die Effekte drastisch höher ausfallen. Simpel ist das Inventar ausgefallen: Seine bevorzugten Items legt man sich auf die Schnellauswahl, kurze Begleittexte zeigen die Effekte des jeweiligen Gegenstands an.
Kommt es zu Kämpfen, ist das System schnell gelernt und schwierig gemeistert. Auf Knopfdruck ausgeführt werden simple Aktionen wie Ausweichen, leichter oder schwerer Angriff. Jede Aktion kostet ein Stück auf der Ausdauer-Anzeige. Ist sie leer, ist man Angriffen schutzlos ausgeliefert. Es kommt also die alte "Dark Souls"-Formel zu tragen: Bewegungsmuster beobachten, Angriffsfenster erkennen, ein- oder zweimal zuschlagen und dann Kontern ausweichen. Die Kämpfe laufen dabei in typischer, eher behäbiger "Souls"-Geschwindigkeit ab und drehen sich vor allem ums Ausdauermanagement.
Gestorben wird auch hier doppelt
Als Spezialfähigkeit dient das Entschlossenheits-System. Dieses füllt sich durch Kämpfe auf und ermöglicht den Einsatz einer durchschlagenden Attacke, die vor allem gegen Bosse kampfentscheidend sein kann. Etwas seltsam allerdings: Das Blocken von Angriffen ist zwar möglich, im Test setzten wir es aber kaum ein, da das Timing oftmals einfach nicht passt oder die Feinde keinerlei Anzeichen geben, wann ein Block genau eingesetzt werden müsste. Besser ist das "Erhärten": Die Figur kann sich mit seiner Steinhaut gegen einen Hieb unverletzlich machen, danach muss der Skill regenerieren.
Im späteren Verlauf des Spiels lassen sich dabei coole Zusatzfähigkeiten wie eine schnellere Regeneration, aber auch Flächenschaden oder automatisierte Angriffsmanöver aktivieren. Und: Gestorben wird auch in "Mortal Shell" doppelt. Beim ersten Tod verliert man zwar seine Hülle, bekommt aber eine Chance, sie am Todesort wieder einzusammeln und damit alle erspielten Werte zu behalten. Gelingt dies nicht, startet man am letzten Rücksetzpunkt mit eingebüßten Werten. Gut gelungen ist übrigens die Abwechslung bei den Hüllen, die für jeden Spieltyp von aggressiv bis zurückhaltend etwas bietet.
Wenig Angebot außer Nahkampf
Die Hüllen selbst können gegen erbeutetes Spielgeld aufgerüstet und damit die zuvor genannten Spezialeffekte freigeschaltet werden. Etwas stört allerdings, dass sich die Werte der Hüllen für jeden Spielstil unterscheiden, es aber keine Varianz für Fernkämpfer oder Magier sowie dergleichen gibt. Im Kern dreht sich hier alles um Nahkampf und auch bei diesen Waffen lassen sich nach dem Starter-Schwert nur eine Handvoll Langschwerter oder Keulen finden. Dafür können auch die Waffen an in der Spielwelt verstreuten Werkbänken mit eingeheimsten Items aufgelevelt werden.
Umso mehr Abwechslung bieten die Feinde, die nicht nur zahlreich sind, sondern in jedem Areal auch sehr unterschiedlich daherkommen. Machen uns im Starter-Gebiet simple Gnomwesen und Schützen das Leben schwer, trifft man später auf riesige Titanen und beim Wechsel in andere Dungeons auf glühende Riesenkrieger oder aus dem Nichts über das Eis daherschlitternde Monster, die Ähnlichkeit mit bizarren Eishockey-Spielern haben. Wie schwer das wird? Die Bosse brauchen oftmals schon vier, fünf Versuche, insgesamt ist das Spiel aber verzeihender als alle seine Genre-Kollegen.
Das kann die Enhanced Edition
Abschließend noch ein paar Worte zur Enhanced Edition des Games. Die bietet sowohl auf der neuen Xbox, als auch auf der neuen PlayStation nicht nur blitzschnelle Ladezeiten, sondern auch schön anzusehende 4K-Auflösung und 60 Bilder pro Sekunde. Die Details sind deutlich verbessert, das sieht man allerdings kaum an den eher kargen Welten, sondern vor allem an den nun beeindruckend aussehenden Feinde und vor allem Bossen. Mehr wäre beim PS5-DualSense-Controller drinnen gewesen, der bietet nur neu ein dezentes Ruckel-Feedback, ohne sonst seine Möglichkeiten auszunutzen.
Das rund 25 Stunden lange Spiel bietet zwar jede Menge Angriffsfläche, bei aller Kritik muss aber auch geschrieben werden, dass es sich um ein wirklich, wirklich gutes "Souls-like" handelt. Begleitet von dezenter Hintergrundmusik sind die Kämpfe immer fair und Frustmomente entstehen eher bei der Wegfindung. Dafür ist "Mortal Shell" aber auch für Anfänger beim Schwierigkeitsgrad und bei den Mechaniken weit zugänglicher als "Dark Souls" und Co., kann trotz großem Vorbild auch eigene Akzente im Kampf setzen und gefällt vor allem mit seinem eindrucksvollen Boss-Design.