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"Monster Hunter Stories 2" im Test: Das Pokémon-RPG
Das neue "Monster Hunter" macht auf "Pokémon"! Und das überraschend gut. "Monster Hunter Stories 2: Wings of Ruin" ist ein kleines Rollenspiel-Juwel.
Wer "Monster Hunter" hört, denkt zwangsläufig an gigantische Gefechte, tiefgehende Skill- und Ausrüstungssysteme und riesige Open-World-Umgebungen. Doch "Monster Hunter Stories 2: Wings of Ruin" macht alles anders: Hier findet der Spieler rundenbasierte Kämpfe, ein sehr an "Pokémon" erinnerndes Gameplay und eine bildschöne Zeichentrick-Grafik. All das funktioniert nicht nur überraschend gut, sondern ist auch alles, was dem "Monster Hunter"-Universum bisher gefehlt hat.
Das neue Capcom-Spiel für Nintendo Switch und den PC hat aber noch ganz andere Tricks auf Lager. So steht nicht primär das Kämpfen gegen, sondern das Leben mit den Monstern im Mittelpunkt des Titels. In den "Monster Hunter Stories" wuchsen nämlich so genannte "Monsties" gemeinsam mit den monsterbändigenden Ridern auf und haben sich gegenseitig liebgewonnen. Daraus entsteht im neuen Spiel keine seichte, sondern wunderbar tiefgründige und emotionale Handlung.
Die Story und die Charaktere begeistern
Ohne zu viel zu verraten: Das Abenteuer beginnt damit, dass die gigantischen Drachen-Monster Rathalos auf der ganzen Welt verschwinden und zu einem Vulkan auf der Heimatinsel des Spielers gezogen werden. Der Spieler - anders als in der Hauptreihe kein eigens gestalteter, sondern vorgegebener Charakter – als Enkel eines berühmten Riders namens Red will das Mysterium ergründen und bekommt von einem Wyverianischen Mädchen ein Ei und ein altes Wächter-Monster anvertraut, das unserem Opa viel bedeutet haben dürfte.
Plötzlich jedoch geht es Schlag auf Schlag: Alle Jäger auf der Insel wollen Monster und Ei vernichten, starten eine Jagd auf unseren Helden und treten damit Geschehnisse los, die die gesamte Welt bedrohen. Zwar ist die Basis der Story so oder ähnlich schon Hunderte Male erzählt worden, so richtig super macht sie aber, dass sie vor allem die Beziehungen zwischen Monstern und Menschen, die Angst vor dem Unbekannten sowie Emotionen wie Trauer, Hoffnung und Mut glaubhaft und ausführlich zelebriert. Zudem sorgen fantastische Haupt- und Nebenfiguren dafür, dass man sich sofort heimisch fühlt.
Spiel nimmt sich kein Blatt vor den Mund
Trotz Zeichentrick-Stils hat "Monster Hunter Stories 2: Wings of Ruin" sehr ernste und tiefgründige Momente, die gegen Ende hin auch düstere Themen wie Tod und Krieg offen anspricht, selbst dabei aber nicht in die Unglaubwürdigkeit abdriftet. Ganz große Klasse: Das Spiel lässt uns selbst mit Szenen à la "Tue ich das Richtige?" auch manchmal zweifeln. So könnte in unserem Ei entweder ein niedlicher Begleiter aufwachsen – oder ein Monster warten, das mit legendären Kräften, konkret den titelgebenden "Schwingen des Ruins", die gesamte Welt mit nur einem Flügelschlag ins Verderben stürzen könnte.
Die Grafik selbst ist spitze geraten. Die zahlreichen und teils sehr ausführlichen Videosequenzen sind so scharf und detailreich, dass das Spiel so auch als neue Japan-Animeserie im TV rennen könnte. Vor allem die Charaktere haben sich im Vergleich zum Vorgänger drastisch weiterentwickelt, fallen nun mit Mimik, flüssigen Animationen und mehr Details auf. Die eigentliche Spielgrafik ist allerdings nicht ganz so spektakulär, fällt auf der Switch mit teils pixeliger Darstellung und Framerate-Einbrüchen und aufpoppenden Objekten auf. Ebenso ärgerlich: Unsere Figur bleibt in jeder Situation stumm.
Spannende Schere-Stein-Papier-Kämpfe
Überraschend dahingehend ist wiederum, dass in den rundenbasierten Kämpfen auch grafisch mehr Abwechslung geboten wird. Hier springt die Kamera zwischen mehreren Perspektiven und Zoomstufen um, was sie Begegnungen auch kurzweilig anzusehen macht. Interessant ist ebenso, wie komplex das Spiel das eigentlich simple Kampfsystem umsetzen kann. Der Spieler hat im Laufe des Games bis zu fünf Monsties an seiner Seite, von denen er eines mit in den Kampf nehmen darf. Dann wird nach einem Stein-Papier-Schere-Konzept gekämpft, bei dem man mit seinem Monstie Angriffe kontern und selbst Angriffe mit den Attributen Geschwindigkeit, Kraft und Technik ausführen darf.
Jeweils eine der Kategorien toppt die andere, was Konter und Abwehr möglich macht. Den meisten Schaden steckt so der unterlegene Kämpfer ein. Hier zählt Erfahrung, denn mit der Zeit findet der Spieler heraus, welche Angriffstypen und-muster die verschiedenen Monsterklassen nutzen und welche Waffen sie optimal kleinkriegen. Das Koop-Monstie kann auf Wunsch selbst befehligt werden oder führt die Angriffe auf die verschiedenen Körperteile der Feinde selbstständig aus. Dabei kommt auch die Möglichkeit von Superangriffen ins Spiel: Zielen Spieler- und Monstie-Angriff aus dasselbe Ziel ab, springen wir auf den Rücken unseres Monsties und reiten zum gemeinsamen Angriff, der toll in Szene gesetzt ist, aus. Das ist immer wieder sehenswert!
Überraschend komplexe Spiel-Systeme
Spitze für "Monster Hunter"-Fans ist, dass viele verschiedene Monster aus dem gesamten Serien-Universum im Spiel verpackt wurden. Angesichts der niedlichen Grafik sollten sich aber Anfänger nicht täuschen lassen: Wie in den übrigen Games ist der Schwierigkeitsgrad durchaus anspruchsvoll. Wer dabei sämtliche Bereiche wie Team-Zusammensetzung, Angriffs-Arten und Bewegungs-Muster außer Acht lässt, stirbt schnell den Bildschirm-Tod. Wobei dieser darin besteht, dass man ins Heimatdorf zurück transportiert wird und den beschwerlichen Weg neu in Angriff nehmen muss. Interessant allerdings: Wir müssen uns für keine Waffe entscheiden, sondern können alle mit uns führen, sie sogar in verschiedener Element-Ausführung sammeln und sie fließend wechseln.
"Monster Hunter Stories 2: Wings of Ruin" bietet glücklicherweise auch eine Komfort-Funktion für ungeduldige Zocker, mit der Kämpfe dann übersprungen werden können, wenn die Spielfigur weit über dem Level des Gegners steht - ein Sieg im Kampf also garantiert ist. Auch die Kämpfe selbst können mit einer Zeiteinstellung beschleunigt werden. Klassisch Rollenspiel leveln sowohl Spielfigur als auch Begleiter durch die Gefechte immer weiter auf, entwickeln neue Skills oder können diese auch von anderen Monstern erben, wenn man auf sie als Begleiter verzichtet. Hinter den Kulissen gibt es außerdem äußerst komplexe Buff-Systeme, wenn etwa zwei Skills gut harmonieren. Wer will, kann sich hier ganz oderntlich reinfuchsen.
Garantiert einer der Sommerhits 2021
Die Komplexität setzt sich auch bei den Waffen-Arten fort, von denen nicht nur jede über eigene Animationen verfügt, sondern sich auch anders spielt. Manche können für schnelle Schläge jede Runde eingesetzt werden, andere haben eine Wartezeit von mehreren Runden, benötigen dafür aber nur einen verheerenden Schlag. Übernommen aus der Hauptreihe wurde auch das System, dass bestimmte Körperteile außer Gefecht gesetzt und damit ganze Angriffswellen gestoppt werden können. Während das System sich trotz aller Komplexität trotzdem sehr intuitiv für Neulinge spielt, haben Veteranen durch die früheren Begegnungen mit den Monstern ein nicht zu unterschätzendes Wissen über Stärken und Schwachpunkte.
Doch unser Titel-Vergleich mit "Pokémon" endet nicht beim Kampf. Damit immer für frische Begleiter gesorgt ist, können wir Eier aus so gut wie überall zu findenden Nestern stibitzen, bei denen es sich um Mini-Dungeons handelt. Die Eier können dann im Stile eines "Pokémon Go" ausgebrütet werden und enthüllen uns immer neue mögliche Begleiter für unsere Abenteuer. Wer will, kann zudem im Online-Multiplayer gemeinsam mit anderen Zockern auf Monstersuche gehen. "Monster Hunter Stories 2: Wings of Ruin" ist eine unglaubliche Überraschung. Der rundenbasierte Ansatz funktioniert dank eines komplexen Kampf-Systems super, die tiefgründige Story begeistert und der Ansatz, das Monster Freunde statt Jagdziele sind, frischt das Spiele-Universum auf. Auf jeden Fall einer der Sommerhits des Jahres!