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Klimakrise brodelt im Mittelmeer – Hurrikans drohen
Abkühlung findet man an Land dieser Tage kaum und auch das Wasser ist warm. Vom Tyrrhenischen Meer, einem Teil des Mittelmeeres, werden aktuell Temperaturen von bis zu 30 Grad Celsius gemeldet. "Das sind zwei bis drei Grad mehr als normalerweise", so der Meteorologe Claudio Tei vom Nationalen Wissenschaftsrat zur DPA. Für die kommenden Monate verheißt das nichts Gutes. Denn ab 26 oder 27 Grad Wassertemperatur entstehen im Mittelmeer sogenannte Medicanes. Die Bedingungen für die Bildung solcher Wirbelstürme sind derzeit also ideal.
Was genau sind Medicanes?
Bei einem Medicane handelt es sich um eine Art Tropensturm, der auf den Mittelmeerraum begrenzt ist. Das schlägt sich auch in ihrer Bezeichnung nieder: "Medicane" ist ein Kunstwort, das aus den Begriffen "mediterranean" (engl. für "das Mittelmeer betreffend") und "hurricane" zusammengesetzt ist.
Wie entstehen sie?
"Medicanes sind eigentlich Tiefdruckgebiete, wie man sie bei uns auch öfters mal auf der Wetterkarte hat", sagt Meteorologe Michael Eichmann von Meteonews. Der Unterschied zwischen tropischen Tiefs und normalen Tiefs bestehe darin, wo sie ihren Antrieb haben. Denn "um entstehen und wandern zu können, braucht es Energie. Die tropischen Stürme beziehen diese vom warmen Oberflächenwasser." Die normalen Tiefs entstünden dagegen aufgrund von Temperaturunterschieden in den Luftschichten. Bei Medicanes komme beides zusammen: Wassertemperaturen von mindestens 26-27 Grad, "damit sie überhaupt genug Energie aus dem Wasser ziehen können", und große Temperaturunterschiede zwischen Land und Wasser.
"Medicanes" ist also nicht bloß eine andere Bezeichnung für Hurrikans im Mittelmeer?
Nein, Medicanes und Hurrikans sind sich zwar ähnlich, unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten: Anders als die Mittelmeer-Wirbelstürme beziehen Hurrikans ihre Energie allein aus dem warmen Meerwasser: «Durch Verdunstung und anschließende Kondensation wird latente Energie in der Atmosphäre freigesetzt – der Wasserdampf fungiert wie eine Art Batterie», schreibt Meteorologe Klaus Marquardt im "Meteoblog". Grundvoraussetzung dafür sei eine entsprechend hohe Wassertemperatur von 26 oder 27 Grad Celsius an der Oberfläche, aber auch in etwas tieferen Wasserschichten.
Meteorologen alarmiert
Medicanes und Hurrikans unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Größe: Während Hurrikans bis zu 1500 Kilometer Durchmesser haben können, bringen es Medicanes in der Regel auf höchstens 300 Kilometer. Zudem sind sie meist kurzlebig und lösen sich nach ein bis zwei Tagen wieder auf. Hurrikans können dagegen bis zu zehn Tage wüten. "Der Hurrikan hat ein großes Einzugsgebiet und nimmt fortwährend Energie auf", erklärt Eichmann. "Medicanes können das nicht, weil das Mittelmeer so klein ist." Sie erschöpften schnell und richteten deswegen auch nicht so große Schäden an, "wie man es beispielsweise von Hurrikans der Stufe 5 in den USA kennt, wo hinterher nichts mehr steht", so der Meteorologe. "Sie bringen nicht die totale Zerstörung, aber bringen sicher große Niederschlagsmengen." Wozu das führt, zeigen Beispiele aus den vergangenen Jahren.
Warum treten Medicanes überwiegend im Herbst auf?
"Weil wir dann in der Regel die wärmsten Wassertemperaturen haben", so Eichmann. Es habe sich über die Sommermonate aufgeheizt und kühle aufgrund der Trägheit von Wasser erst nach und nach ab. "Die Landmasse hat sich dann schon längst abgekühlt", so der Meteorologe. Diese Kluft führt "zu einer rasanten Bildung eines Sturmtiefs, weil die feuchtwarmen Luftmassen innerhalb des betroffenen Gebiets rasch nach oben schießen und dabei durch Kondensation des Wasserdampfs dem Gebilde weiter Energie zuführen", schreibt Handelsblatt.com.
Wie sieht die Medicane-Prognose für den Herbst und die Zukunft aus?
Angesichts der warmen Wassertemperaturen sind Medicanes in diesem Jahr wahrscheinlich. "Solche Ereignisse werden sich angesichts der warmen Meerestemperaturen sicher häufen", so Eichmann. Zumindest auf kurze Sicht. Langfristig könnten sie laut einer im Fachjournal "Geophysical Research Letters" veröffentlichten Studie sogar seltener werden. Darin kommen Forschende um Juan González-Alemán von der Universität Castilla-La Mancha zu dem Schluss, dass sich Medicanes in Zukunft seltener entwickeln, weil der Temperaturgegensatz zwischen Nord und Süd abnimmt. Dafür heize sich aber das Mittelmeer weiter auf, wie Handelsblatt.com zitiert. Das heißt: Wenn sich ein Medicane bildet, dürfte er intensiver ausfallen.