Österreich

Missbrauchsopfer (12) eine Stunde lang am Bauch fixiert

Kinder und und Jugendliche in betreuten WGs werden in akuten Krisen oft fixiert oder eingesperrt, kritisiert das VertretungsNetz.

Christine Ziechert
Das Mädchen wurde durch die Fixierung schwer retraumatisiert (Symbolbild).
Das Mädchen wurde durch die Fixierung schwer retraumatisiert (Symbolbild).
Getty Images/iStockphoto

Wie "Heute" berichtete, überprüfte die Volksanwaltschaft 131 sozialpädagogische Wohngemeinschaften in ganz Österreich. In 41 % der Einrichtungen kam es in den letzten sechs Monaten (vor dem Besuch) zu einem oder mehreren Polizeieinsätzen wegen aggressivem Verhaltens der Minderjährigen. 

Wie die Bewohnervertretung vom VertretungsNetz in einer Aussendung kritisiert, werden in akuten Krisen oder während Impulsdurchbrüchen Kinder und Jugendliche manchmal von Betreuern unter Einsatz von Körperkraft festgehalten oder sogar fixiert. Betroffene werden zudem in eigene "Time-out"-Räume gebracht, in einem Zimmer eingesperrt oder unter sedierende Medikamente gesetzt.

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    Helmut Graf

    12-Jährige mit Fixierung in Bauchlage retraumatisiert

    So wurde etwa ein 12-jähriges Mädchen während Wutanfällen gegen seinen Willen in einen "Bewegungsraum" gebracht und dort bis zu einer Stunde unter körperlichem Zwang in Bauchlage festgehalten. Das Sachverständigen-Gutachten war eindeutig: Es hätten schonendere Maßnahmen zur Verfügung gestanden. Da das Kind im familiären Umfeld sexuell missbraucht wurde, hatte das Festhalten eine massive Retraumatisierung zur Folge.

    Die Bewohnervertretung überprüft derartige freiheitsbeschränkenden Maßnahmen und bringt sie in bestimmten Fällen vor Gericht: "Viele Einrichtungen bemühen sich, das Kindeswohl an erste Stelle zu stellen, auch unter den widrigen Umständen der Personalnot. In unserer Tätigkeit nehmen wir jedoch auch anderes wahr. In Gerichtsverfahren nach dem Heimaufenthalts-Gesetz wird immer wieder festgestellt, dass die getroffenen Maßnahmen in den WGs zeitgemäßen pädagogischen Standards nicht entsprechen", erklärt Susanne Jaquemar vom VertretungsNetz.

    "Man muss sich bewusst machen, dass das Fixieren unter Zwang eine Form der Gewalt ist. Das kann zu einer weiteren Eskalation der Situation führen" - Susanne Jaquemar, VertretungsNetz

    "Man muss sich bewusst machen, dass das Fixieren unter Zwang eine Form der Gewalt ist. Das kann zu einer weiteren Eskalation der Situation führen, und die Beziehung zwischen Betreuungsperson und Kind verschlechtert sich“, so Jaquemar weiter. "Auch wir sehen immer wieder, dass aufgrund von Personalmangel nicht-pädagogisches Personal ohne spezielle Ausbildung für hochtraumatisierte Kinder eingesetzt wird. Wenn eskalative Situationen nicht anders gelöst werden können, als dass mehrere Betreuer gleichzeitig ein Kind bis zu einer Stunde festhalten, und in dieser Zeit die übrigen Kinder keine Betreuung haben, dann läuft etwas schief."

    Jaquemar kritisiert zudem, dass bei Deeskalations-Schulungen der pädagogische Zugang aufgrund mangelnder Ausbildung oft fehle. Im Fokus der Trainings stehen meist polizeiliche Sicherungs- bzw. Fixierungstechniken, die im Umgang mit gewalttätigen Erwachsenen geeignet sein können, nicht aber für Kinder und Jugendliche.

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