Selbes Vorgehen schon 2006
Missbrauch durch Künstler – weiteres Opfer meldet sich
Ein bekannter Wiener Maler stand kürzlich vor Gericht, soll zwei Frauen missbraucht haben. Nun zeigt sich: Es könnte vielleicht noch mehr Opfer geben.
Im Dezember 2022 soll der bekannte Maler mit einem Jobinserat nach jungen Frauen für ein "Bodypainting-Projekt" gesucht haben. Gegen ein Honorar von etwa 100 Euro lud er sie in seine Döblinger Villa ein, dort soll es dann zu schweren Übergriffen gekommen sein, so die Vorwürfe. Beide Opfer schilderten vor Gericht unabhängig voneinander einen fast identen Ablauf ihrer Begegnung mit dem Angeklagten. Er fasste 9 Monate bedingte Haft aus und muss an beide Frauen Schmerzensgeld zahlen. Nun zeigt sich aber: es könnte mindestens noch ein weiteres Opfer geben.
Auch sie bewarb sich auf ein Inserat
Denn Recherchen der "Zeit" zeigen, dass es mindestens ein weiteres Opfer geben könnte – die schon viele Jahre vor den beiden anderen Opfer das selbe Martyrium durchgemacht haben könnte. Die Frau, die anonym bleiben möchte, ist heute 35 Jahre alt. Dass sie bei dem Künstler war, lässt sich durch Fotos belegen. Der Vorfall soll bei ihr 2006, also 16 Jahre vor den anderen Vorwürfen, stattgefunden haben.
Auch sie hatte sich auf ein Jobinserat hin beworben, wünscht sich heute, sie hätte dieses nie gesehen. Die 35-Jährige habe den Vorfall jahrelang verdrängt, zeigte den Künstler erst im November 2023 an, als sie von dem anderen Gerichtsverfahren erfuhr. Sie war 18 Jahre alt und eine kunstbegeisterte Schülerin, als sie das Inserat las. Für sie war es damals eine Ehre, für den bekannten Maler Modell zu stehen.
Selbes Vorgehen wie bei den anderen Opfern
Die Wienerin hatte bereits bei einem Bodypainting-Workshop "positive Erfahrungen" als Modell gesammelt. Am Inserat des Künstlers war sie sofort interessiert, bewarb sich. Das Shooting soll im September 2006 stattgefunden haben, an das genaue Datum kann sich die 35-Jährige nicht mehr erinnern. Nur das sie ein professionelles Setting mit Team und Fotografen erwartet hatte. Doch im Studio war nur der Künstler mit einer kleinen Digitalkamera.
Er habe sich von Anfang an anzüglich ihr gegenüber verhalten, so die Frau. Sie habe eigentlich weglaufen wollen, hatte aber Angst, weil sie nicht wusste, wie er reagieren würde. Sie habe mit dem Künstler ausgemacht, dass sie ihre Unterhose während des Bodypaintings anlassen dürfe. Doch er habe sie bald gedrängt, die Unterhose auszuziehen. Als sie das nicht tat, schob er sie einfach zur Seite, ignorierte ihren Protest. Auch ihr soll er vaginal einen Pinsel eingeführt haben. Ein Vorgehen, dass auch die anderen beiden Opfer Jahre später schildern.
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Künstler beharrt weiter auf Unschuld
Viele der Erinnerungen seien heute weg, so das mutmaßliche Opfer. Auch, ob sie ihr Honorar erhalten hat, ist sie heute nicht mehr sicher. Die Erinnerungen setzen erst wieder ein, als sie vor der Villa des Künstlers steht. Da habe sie sich unglaublich schlecht gefühlt, schildert sie der "Zeit". Erst am 13. November 2023 brachte sie den Vorfall über die Beratungsstelle Tamar schriftlich zur Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Wien leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Künstler wegen des Verdachts auf sexuelle Belästigung ein.
Das Opfer hat den Vorfall lange verdrängt, redete sich ein, dass sie selbst Schuld sei, weil sie den Job angenommen habe. Bis heute leidet sie an Depressionen, einer Angststörung, einer Zwangsstörung und einer posttraumatische Belastungsstörung. Aufgrund ihrer Erkrankungen kann sie seit Jahren keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Künstler hat sich auf Anfrage der "Zeit" nur spärlich geäußert. Auf den konkreten Fall des möglichen dritten Opfers ging er nicht ein. Er, beziehungsweise sein Anwalt, beharren trotz Schuldspruch auf seine Unschuld.