Die zwei Migrations-Abstimmungen diese Woche sorgten für heftige politische Diskussionen in Deutschland. Eine Übersicht der Ereignisse.
In den vergangenen zwei Tagen fanden im Deutschen Bundestag zwei bedeutende Abstimmungen zur Migrationspolitik statt, die sowohl inhaltlich als auch politisch für Aufsehen sorgten. Eine Übersicht.
Am Mittwoch brachte die CDU/CSU-Fraktion unter der Führung von Friedrich Merz einen Entschließungsantrag ein, der eine Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik forderte. Kernpunkte des Antrags waren:
Einführung permanenter Kontrollen an allen deutschen Grenzen und Zurückweisung aller Personen ohne gültige Einreisedokumente, unabhängig davon, ob sie Asyl beantragen möchten.
Erhöhung der Anzahl von Abschiebungen und die Möglichkeit, ausreisepflichtige Personen unmittelbar in Haft zu nehmen.
Der Antrag wurde mit 348 Ja-Stimmen bei 345 Nein-Stimmen und zehn Enthaltungen angenommen. Die Mehrheit kam durch die Unterstützung der AfD und Teile der FDP zustande. Bei einem Entschließungsantrag handelt es sich lediglich um einen Appell an die Regierung. Die erste Abstimmung war für die Union und die AfD daher nur ein symbolischer Erfolg – keine Gesetzesänderung.
Am Freitag stand der Gesetzentwurf der Union (CDU/CSU) für ein sogenanntes "Zustrombegrenzungsgesetz" zur Abstimmung. Dieser sah unter anderem vor:
Festschreibung der Migrationsbegrenzung als Ziel im Aufenthaltsgesetz.
Stopp des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte.
Die Bundespolizei soll selbst Haftbefehle für ausreisepflichtige Personen beantragen dürfen.
Dieser Gesetzentwurf wurde mit 338 Ja-Stimmen zu 349 Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen abgelehnt. Auffällig war, dass zwölf Abgeordnete der Union nicht für den eigenen Entwurf stimmten.
Besonders die Zusammenarbeit der Union mit der AfD bei der ersten Abstimmung führte zu einem politischen und medialen Aufschrei. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem "Tabubruch". Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in einer Erklärung, sie halte es für falsch, "sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen". Bundesweit ist es zu mehreren größeren Demonstrationen gegen die Union gekommen. Es gab sogar Angriffe auf CDU-Geschäftsstellen – von Farbattacken bis zu Stürmen.
Am Mittwoch ist etwas passiert, was es noch nie gegeben hat: Im Bundestag konnte ein Antrag nur deshalb eine Mehrheit finden, weil erstmals auch die vom Verfassungsschutz als verdächtig rechtsextreme Partei eingestufte AfD-Fraktion zugestimmt hat. Die Stimmen aus CDU/CSU und FDP hätten nicht gereicht – auch nicht mit Stimmen des BSW und von Fraktionslosen.
Merz sagte auch nach den Abstimmungen, dass er weiterhin keine Zusammenarbeit mit der AfD wolle. Er erklärte: "Da können jetzt AfD-Leute triumphieren, wie sie wollen, die wird es nicht geben." Auf die Vorwürfe reagierte Merz mit Unverständnis. Er bezeichnete die Kritik als "infam" und "niederträchtig" und sagte: "Was in der Sache richtig ist, wird nicht falsch, wenn die Falschen zustimmen." Während seiner Rede im Bundestag betonte er nach den Vorfällen in Magdeburg und Aschaffenburg auch immer wieder die Notwendigkeit der Gesetzentwürfe gegen Ausländerkriminalität und die Wichtigkeit, "einen offenen Dialog über die Einwanderung zu führen".
Experten sind sich einig, dass die AfD als Hauptprofiteur dieser Ereignisse hervorgeht. Durch die Unterstützung der beiden Unions-Anträge konnte die AfD ihre Position stärken und ihre Themen zur Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik in den Vordergrund rücken. Die Zusammenarbeit der beiden Parteien habe zudem zu einer Normalisierung der rechtspopulistischen Partei beigetragen, was ihr weiteres Wählerpotenzial erschließen könnte, so Politikwissenschaftler Thorsten Faas gegenüber dem ZDF. AfD-Parteichefin Weidel erklärte nach dem Sieg am Mittwoch, dies sei ein "großartiger Tag für die Demokratie".
Auch die Union mit Friedrich Merz könnte trotz der Abstimmungsschlappe vom Freitag profitieren. Die klare Haltung zur Migrationspolitik könnte Wähler ansprechen, die eine restriktivere Linie unterstützen, so Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte gegenüber dem ZDF. Die Mehrheit der Experten vermutet, dass der Tabubruch mit der AfD seine Führungsstärke infrage stellen könnte. Besonders die zwölf Abweichler aus den eigenen Reihen könnten ihn Stimmen kosten für die Wahl in drei Wochen. Auch die FDP wirke für viele nun gespalten, da ein Viertel der Fraktion das "Zustrombegrenzungsgesetz" ablehnte und sich somit gegen Parteichef Christian Lindner stellte.