Nahost-Konflikt
"Mehr und mehr stellen Frieden mit Israel infrage"
Im Nahost-Konflikt eskaliert die Situation komplett. Was das bedeutet, analysiert ein Experte im ORF – und lässt dabei ordentlich aufhorchen.
Im Nahost-Konflikt eskaliert die Situation weiter. Die Gefechte im Gazastreifen und anderen Gebieten im Nahen Osten dauern an, das humanitäre Leid wird immer größer. Israel ignoriert weiter eine Aufforderung des Internationalen Gerichtshofs (IGH), den Militäreinsatz in Rafah unverzüglich zu beenden, die Terrororganisation Hamas beschießt Israel indes erneut mit Raketen. Nicht die einzigen Brennpunkte im Konflikt, der sich zu einem Flächenbrand auszubreiten droht. Auch eskaliert nach der geplanten Anerkennung eines Staates Palästina durch Spanien der diplomatische Konflikt zwischen dem EU-Staat und Israel beinahe täglich.
Zudem werden vermehrt zahlreiche Tote bei israelischen Angriffen gemeldet. Bei einem israelischen Luftangriff am Sonntag sind nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds Zelte geflüchteter Zivilisten getroffen worden. Die israelische Armee erklärte, bei dem Luftangriff sei ein "Hamas-Komplex in Rafah getroffen worden, in dem wichtige Hamas-Terroristen tätig waren". Der Angriff mit "Präzisionsmunition" habe sich gegen "legitime Ziele" gerichtet. Genau wegen dieses Angriffes schaltet sich nun auch die Türkei ein.
Ägyptischer Soldat bei Gefecht mit israelischen Soldaten getötet
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat angekündigt, die israelische Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. "Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um diese Barbaren und Mörder, die nichts mit Humanität zu tun haben, zur Verantwortung zu ziehen", sagte Erdogan am Montag. "Wie Hitler, Milosevic, Karadzic und weitere Pharaonen der Geschichte, die sie bewundern, können sie nicht verhindern, verflucht zu werden", so Erdogan. Erst am Abend räumte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu einen "tragischen Fehler" ein.
Ebenso brisant: Beim Grenzübergang Rafah ist es am Montagmorgen offenbar zu einem Feuergefecht zwischen Truppen des israelischen Militärs und ägyptischen Soldaten gekommen. Dabei wurde ein ägyptischer Soldat getötet, wie der israelische Fernsehsender N12 berichtet. Ägypten hat den Todesfall mittlerweile bestätigt. Ägyptische Truppen sollen das Feuer eröffnet haben, das dann von den israelischen Soldaten erwidert wurde, wie der Sender mit Berufung auf einen Sprecher der israelischen Armee schreibt. Auch die israelische Armee selbst hat den Vorfall mittlerweile bestätigt und eine Untersuchung angekündigt. Derzeit würden zudem Gespräche mit Ägypten geführt.
Experte ortet, dass beide Seiten Kompromisse eingehen müssen
Erleben wir hier einen Krieg, der nicht mehr aufzuhalten ist? Die Situation analysierte am späten Sonntagabend der Nahost-Experte Daniel Gerlach in der ORF-"ZIB2" bei Moderatorin Margit Laufer. "Große Empörung und Entsetzen, dass das immer so weitergeht", lösen die Geschehnisse aus, so der Experte. Es käme immer öfter dazu, dass Israel zwar das Ziel habe, Terroristen zu töten, dabei aber mehr Zivilisten ums Leben kämen. "Die arabischen Staaten haben immer wieder Lösungsangebote gemacht", so Gerlach, der sich überrascht von dieser Zurückhaltung zeigte. Ob der Zwischenfall an der Grenze zu Ägypten nun etwas verändere, könne noch gar nicht abgesehen werden.
"Mehr und mehr Menschen in Ägypten stellen diesen grundsätzlichen Frieden mit Israel infrage", so der Experte. Ob die Geduld der anderen arabischen Staaten aufrecht bleibe, werde darauf ankommen, ob es demnächst Verhandlungsfortschritte geben werde, so Gerlach. Die Amerikaner müssten dabei "eine Führungsrolle übernehmen", könnten dies aber nur, wenn sie bereit dazu seien, Druck auf den verbündeten Israel auszuüben, so der Experte. Klar sei: Benjamin Netanyahu müsse den Krieg stoppen, auch wenn das nicht das Ende der Hamas bedeuten werde. Umgekehrt brauche man die Ägypter und die Kataris, wenn man auch die Hamas zu Kompromissen zwingen wolle.