Welt
Maturantin vor ganzer Schule als Neonazi geoutet
Mit Sprayereien am Austragungsort ihrer Maturfeier wurde eine Schweizer Gymnasiastin als Neonazi geoutet. Ein Extremismus-Experte kritisiert das.
"Die Junge Tat" ist eine neue Schweizer Neonazigruppierung, die in den vergangenen Jahren rasant gewachsen ist. Ihre Mitglieder wurden verschiedentlich an Corona-Demos gesehen und setzten sich in Bern gar an die Spitze des Demonstrationszugs. Auf Telegram wird der Kanal der rechtsextremen Gruppierung von rund 6.000 Personen abonniert. Ihre Mitglieder gerieten auch ins Visier von Antifa-Gruppierungen, die führende Köpfe auf Online-Prangern outeten. So etwa einen jungen Winterthurer, der als "Leithammel" und "Chefpropagandist" der "Jungen Tat" gebrandmarkt wurde.
Dessen Freundin, eine 21-jährige Baselbieterin, wurde nun ebenfalls öffentlich geoutet. Sie sei eine der ganz wenigen Frauen im Umfeld der "Jungen Tat". Die linksradikalen Aktivisten veröffentlichten Bilder und private Kontaktdaten der jungen Frau im Netz. Und vergangene Woche wurde sie auch an der Maturafeier ihres Gymnasiums geoutet. Unbekannte sprayten ihren Namen auf die Fassade des Kultur- und Sportzentrums in Pratteln, wo die Feier stattfand, bei der auch sie ihr Maturazeugnis überreicht bekam.
"Anprangern nützt gar nichts"
Die Baselbieter Polizei wurde darauf aufmerksam gemacht und avisierte in der Folge die Schule. Als Vorsichtsmaßnahme sei ein Sicherheitsdienst für die Feier aufgeboten, wie Fabienne Romanens, Sprecherin der Baselbieter Bildungs- und Kulturdirektion, auf Anfrage mitteilte. Die Veranstaltung ging schließlich ohne Zwischenfälle über die Bühne. Wegen der Sprayereien ging eine Anzeige wegen Sachbeschädigung bei der Polizei ein.
Das aggressive Anprangern ohne gleichzeitige Präventions- und Ausstiegshilfe von Neonazis im Netz findet Rechtsextremismus-Experte Samuel Althof höchst problematisch und schon gar nicht zielführend im Sinne der Prävention. Althof führt seit Jahrzehnten eine Fachstelle für Extremismus und Gewaltprävention und berät und begleitet Szene-Aussteiger und ihre Familien. "Anprangern nützt gar nichts, das ist selbst schon fast faschistoid. Auf die Aktivitäten der Szene hat das keine Auswirkungen", sagt er. In diesem Fall sei es besonders problematisch, da die junge Frau kaum programmatisch in der Szene aktiv sei. "Solche Outings können ganz schwierige Geschichten in den Familien der betroffenen Personen auslösen. Man sollte solchen Personen eigentlich immer auch die Hand reichen im Sinne der Prävention."