Harte Entscheidung der Richter

Mann versendet ungefragt Dick-Pic, bleibt ohne Strafe

Ein 21-Jähriger erstattete Anzeige, weil er sich durch ein zugeschicktes Dick-Pic sexuell belästigt fühlt. Doch dem Absender drohen keine Konsequenzen

Mann versendet ungefragt Dick-Pic, bleibt ohne Strafe
(Symbolbild).
iStockphoto.com

Der Schweizer Leon S. (Name geändert) aus Bern erstattete Ende Mai Anzeige gegen einen ihm unbekannten Mann. Dieser hatte ihm auf einer Gay-Dating-App unaufgefordert eine anzügliche Nachricht und ein Foto von seinem entblößten, schlaffen Penis zugesandt.

Von demselben User hatte Leon bereits am Tag zuvor eine explizite Anfrage für ein "Sexdate" sowie eine Illustration erhalten, die Männer bei verschiedenen Sexualstellungen zeigt. Mit Geld-Emojis schien der Mann außerdem zu signalisieren, dass er Sex gegen Geld mit Leon haben möchte. "Diese Nachrichten haben bei mir starke Gefühle der Belästigung und Erniedrigung ausgelöst", so Leon. Für den Berner handelt es sich demnach klar um einen Fall sexueller Belästigung.

Reine Entblößung ist keine sexuelle Handlung

Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland sieht das anders: Sie hat den Strafantrag des 21-Jährigen abgelehnt und folglich beschlossen, keine Untersuchung zu eröffnen. Die Begründung: Bei den Chatnachrichten an Leon S. handle es sich weder um sexuelle Belästigung noch um Pornografie oder Exhibitionismus.

Der Straftatbestand der sexuellen Belästigung sei nicht erfüllt, weil "die reine Entblößung" des Glieds nicht als sexuelle Handlung zu werten sei. Überdies fehle beim Versenden eines Bildes die für den Tatbestand erforderliche räumliche Nähe zum Täter. Exhibitionismus setze genauso eine räumliche Unmittelbarkeit voraus.

Keine Pornografie, weil er schlaff war

Auch Pornografie liege eindeutig nicht vor, weil der Penis auf den Bildern nicht erigiert war. Und schlaffe Penisse seien kaum geeignet, jemanden sexuell aufzureizen. "Vielmehr vermitteln solche Aufnahmen – insbesondere wenn weder der restliche Körper noch das Gesicht der Person zu sehen ist – den Eindruck einer rein anatomischen Abbildung", befindet die Staatsanwaltschaft. Sie beruft sich dabei auf empirische Studien, die zeigen würden, "dass solche Bilder nicht mit Erregung, sondern vorwiegend mit Befremdung, Ekel oder gar Schock empfangen werden".

Derlei Ausführungen stoßen bei Leon S. auf großes Unverständnis. "Ich finde, man darf nicht nur das unaufgeforderte Penisbild als solches betrachten. Auch der Gesamtkontext der Nachrichten muss in die Beurteilung miteinbezogen werden". Die Sexdate-Anfrage und die Abbildung mit den Sexualpraktiken zeige "eindeutig die Absicht des Absenders, mich sexuell zu belästigen und zu erniedrigen." Das werde auch darin deutlich, dass er selbst zu keinem Zeitpunkt auf die Nachrichten des Unbekannten reagiert und so sein Desinteresse bekundet habe.

Was tun, wenn man belästigt wird?

Die Berner Opferhilfe berät im Bereich der sexuellen Belästigung immer wieder Betroffene, die das Erlebte als grenzüberschreitend empfinden, wohingegen aus juristischer Sicht die Handlungen noch nicht strafrechtlich relevant und verfolgbar sind. Diese Diskrepanz äußere sich auch im vorliegenden Fall, sagt Geschäftsführerin Pia Altorfer: "Aus rechtlicher Sicht hat die Staatsanwaltschaft korrekt entschieden. Hier kommen das subjektive Erleben des Lesers und die objektive Sichtweise der Staatsanwaltschaft zum Tragen." Eine sexuelle Belästigung läge nach juristischer Auslegung nur vor, wenn Leon S. unter 16 Jahren wäre.

"Auch wenn gewisse Handlungen strafrechtlich nicht relevant sind, heißt das nicht, dass das Erlebte okay war und nicht verwerflich ist", betont Altorfer. Doch wie kann man sich als Erwachsener zur Wehr setzen, wenn man mit unerwünschten Penisbildern belästigt wird? "Wir raten Betroffenen, sich entweder nicht mehr auf diesen Plattformen zu bewegen oder aber den Verursacher zu blockieren, damit keine Chats mehr erfolgen können", sagt Altorfer. Wenn ein Betroffener dann immer noch nicht in Ruhe gelassen werde, würden andere Straftatbestände wie beispielsweise Cyberstalking respektive Missbrauch einer Fernmeldeanlage in den Vordergrund treten.

red, 20 Minuten
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