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"Lost in Random" im Test: Traumhafte Würfel-Welt
"Lost in Random" verbindet eine traumhaft schöne Animationsgrafik mit einem ganz neu gedachten Gameplay. Das Ergebnis begeistert auf Konsolen und PC.
Anders als der Großteil der aktuellen Spiele mit Multiplayer- und Koop-Ansatz richtet sich das Action-Adventure in Third-Person-Perspektive "Lost in Random" aus der Indie-Reihe von Electronic Arts ausschließlich an Einzelspieler. Auch beim Gameplay gibt man sich überaus klassisch und bietet keine Open-World und einen sehr linearen Spielablauf. Dennoch weist "Lost in Random" tolle Innovationen auf, einerseits durch fantastische Grafik, andererseits ein interessantes Kampfsystem.
Die Geschichte des Spiels ist so traurig wie schön und stammt aus der Feder von Ryan North ("Adventure Time", "The Unbeatable Squirrel Girl"): Im Königreich Random mit seinen sechs großen Arealen regiert eine böse Königin. Das Schicksal jedes Lebewesens wird dabei ab dem Alter von 12 Jahren von einem verfluchten schwarzen Würfel bestimmt. Würfelt die Königin eine 6, wartet ein Luxusleben im schönsten der Areale auf das Kind. Fällt dagegen eine 1, geht es in eine komplett verarmte Region, in der Schwerstarbeit auf die Kleinen wartet.
Ein Würfel als Dreh- und Angelpunkt
Der Spieler schlüpft dabei in die Rolle des verarmten Mädchens Even, das verzweifelt nach ihrer ins Luxusreich der Königin entführten Schwester Odd sucht und dazu alle sechs Areale des Königreichs durchstreifen muss. In einem Look, der an düstere Animationsstreifen wie "Nightmare Before Christmas" erinnert, geht es bald ebenso skurril wie in dem Streifen von Produktions-Legende Tim Burton zu: Even trifft auf Dicey, einen lebendigen Würfel, der fast alle seine Augen verloren hat. Er wird auch zum Dreh- und Angelpunkt des überraschend innovativen Gameplays.
Neben der fantastischen Grafik begeistert das innovative Kampfsystem, das Würfel- mit Kartenmechaniken verbindet. Während unsere Spielheldin zwar durch die in sich geschlossenen Level laufen kann und in Arenen-Manier von Wellen an Feinden beharkt wird, kann sie selbst nämlich gar nicht kämpfen. Even ist einzig dazu in der Lage, Kristalle an den Feinden mit einer Schleuder abzuschießen und diese einzusammeln. Die Kristalle aber öffnen uns ein Arsenal an Waffen in Form von Karten, das mit jeder Aufladung wächst. Darunter finden sich Schwerter und Bögen, aber auch magische Sprüche.
Karten und Würfel im Kampf
Aus fünf Karten auf der Hand darf der Spieler dabei auswählen, je nachdem ob er sich heilen oder Feinde attackieren möchte. Bevor man die entsprechende Karte wählt, kommt allerdings die Fähigkeit unseres Begleiters Dicey ins Spiel: Er wird gewürfelt und je nach seiner Augenzahl kann eine Karte mit der gleichen Punktezahl ausgespielt werden. Weil Dicey allerdings kaum mehr Augen besitzt, lassen sich anfangs nur 1en und 2en würfeln, bevor man später höhere Augenzahlen und damit stärkere Angriffe und Zauber freischaltet. Klingt alles kompliziert, spielt sich aber schnell recht natürlich.
Damit die Übersicht nicht verloren geht, pausiert das Spiel in der jeweiligen Würfelphase und setzt erst fort, wenn die Karten-Kombinationen ausgewählt sind. Der Spieler hat dabei mit dem auf 35 verschiedene Karten anwachsenden Stapel viel Freiraum für taktisches Vorgehen. So können die Karten entweder eingesammelt oder im In-Game-Shop gekauft und zu Decks nach eigenem Wunsch zusammengestellt werden. Und auch ausspielen lassen sie sich auf mehrere Arten, etwa ein Zauberspruch verbunden mit einer neuen Waffe, wenn die Augenzahl dazu hoch genug ist.
Abwechslung wurde liegen gelassen
Der Kampf gegen die Feinde ändert sich stetig: Da Zauber recht schnell abklingen und Waffen sich bis zur vollkommenen Zerstörung abnutzen, muss der Spieler auch immer wieder neu versuchen, die besten Karten-Kombinationen zu erwürfeln. "Pay to Win" gibt es zum Glück keines, alle Karten können mit der in den Levels erbeuteten Spielwährung besorgt werden. Wer sich etwas in das innovative Kampfsystem vertieft und zudem der Story (mit seiner unglaublich guten Erzählstimme auf Englisch) folgt, wird rund 15 Spielstunden lang mit dem toll geschriebenen Abenteuer beschäftigt sein.
Schade ist, dass man auf den Stärken des Kampfsystems nicht weiter aufgebaut hat. So bleibt das Kartendeck mit nur 35 verschiedenen Karten recht übersichtlich und man verändert es gerade im späteren Verlauf kaum. Auch die Gegnertypen treten nach nur wenigen Spielstunden immer wieder in vielen Wellen auf, einzig die Bosse der verschiedenen Areale sind abwechslungsreicher umgesetzt worden. Wenig Abwechslung gibt es auch bei den seltenen NPCs: Anfangs sind sie wunderbar frisch und herrlich anzusehen, später tauchen sie aber immer wieder in selber Gestalt auf.
Frisches Gameplay im starren Korsett
Zumindest zeigen sowohl die Protagonistin als auch die NPCs den liebevollen Detailgrad, den ihnen die Entwickler zuteil werden ließen. Immer wieder schmunzelt man, manches Mal lässt das Spiel auch einige Tränen fließen. Doch immer denkt man sich, wie viel mehr Innovation da möglich gewesen wäre. Generell lässt "Lost in Random" die Einzigartigkeit abseits der Grafik und des Kampfes beinahe überall vermissen. Die Story zeigt sich zwar liebevoll umgesetzt, aber bietet typischen "Rette das Mädchen"-Stoff und bis auf ein Minispiel gibt es in den Arenen wenig zu erleben sowie interagieren.
Technisch läuft dagegen alles supersauber ab: Ladezeiten sind kaum vorhanden, grafisch ist das Spiel von Anfang bis Ende eine Augenweide ganz ohne Bugs und die Animationen wirken flüssig und natürlich. Profis hätten sich wohl noch einen härteren Schwierigkeitsgrad gewünscht, für Kinder und unerfahrene Spieler wird er dagegen ansprechend sein. Trotz aller Kritik ist "Lost in Random" ein fantastisches Abenteuer in einer traumhaften Würfel-Welt, das zwar in anderen Bereichen die Abwechslung vermissen lässt, bei Grafik und Kampf-Gameplay aber dafür umso mehr begeistern kann.