Wien
Lobau-Ultimatum: "Geben Ludwig 48 Stunden Zeit"
Harte Kritik üben Umweltorganisationen am Vorgehen der Stadt Wien. Für Gespräche setzt man dem Bürgermeister nun eine 48-Stunden-Frist.
Nach Klagsdrohungen der Stadt gegen Kritiker der Stadtstraße verurteilte heute Amnesty International das Vorgehen von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Umweltorganisationen. Die Anwaltsbriefe gingen im Auftrag der Stadt unter anderem auch an Kinder, Jugendliche und Wissenschaftler. "Für einen Brief hat es gereicht, dass die Personen ihre Meinung öffentlich auf Social Media geäußert haben. Diese Einschüchterungsversuche verletzen das Recht auf freie Meinungsäußerung massiv und sind ein Skandal", kritisierte Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty.
So genannten "SLAPPs" - Strategic Lawsuits Against Public Participation - kenne die Menschenrechtsorganisation sonst nur aus Ländern wie dem Sudan oder Thailand. "Dabei wird die wirtschaftliche Übermacht genutzt, um kritische Stimmen zum Verstummen zu bringen. Dass so etwas einmal bei der Stadt Wien vorkommt, hätte ich mir nie gedacht“, so Schlack.
Klagsdrohungen als "Tiefpunkt der Sozialdemokratie"
Als "Tiefpunkt der Sozialdemokratie" bezeichnete Sophie Lampl, Programmdirektorin bei Greenpeace, die Anwaltsschreiben: "Mit den Drohbriefen wurde eine rote Linie überschritten. Wir fordern Bürgermeister Ludwig auf, die Klagsdrohungen zurückzunehmen, sich öffentlich bei Betroffenen zu entschuldigen und mit uns in den Dialog zu treten. Dafür geben wir ihm eine Frist von 48 Stunden", kündigte Lampl an. Was nach Verstreichen der Frist passiert ließ sie offen. Einen konkreten Aktionsplan gebe es jedenfalls nicht.
Stadtstraße soll neu geplant werden
Ein Anwaltschreiben erhielt auch Verkehrsexpertin Barbara Laa von der TU Wien, die selbst nie an den Protesten teilgenommen hat. Sie nimmt an, wegen „mentaler Unterstützung“ der Proteste und Kritik am Lobau-Projekt auf Social Media eine Klagsdrohungen erhalten hat: "Ich habe als Wissenschaftlerin Falschaussagen aufgezeigt und Lösungen zu veralteter Stadtplanung vorgeschlagen. Das werde ich auch weiter tun", bekräftigte Laa bei dem gemeinsamen Pressetermin. Die Stadtstraße bezeichnete sie durch Absage der Lobau-Autobahn als überdimensioniert und plädierte für eine Neuplanung.
Ein Schreiben der Stadt erhielt auch ein Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Südwind, der ebenfalls nie in den Protestcamps war, wie Geschäftsführer Konrad Rehling berichtete. Dem Südwind Magazin wurden außerdem 100 Abos von einem "größeren politischen Player" storniert. Um wen es sich genau handelt, wollte Rehling nicht sagen: "100 Abo-Kündigungen sind für uns jedenfalls sehr schmerzhaft."
Von den Klagsdrohungen betroffen sind auch die Klimaaktivistinnen Lena Schilling vom Jugendrat und Mirjam Hohl von Fridays For Future. So etwas wie die "Drohbriefe" der Stadt, habe man noch nie erlebt und würde zeigen, dass "Ludwig mit seinen Argumenten am Ende ist", so Hohl. "Wir werden uns nicht einschüchtern lassen”, macht Lena Schilling klar.