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US-Trendforscherin sagt nächste "Pandemie" voraus
2023 steht im Zeichen von "Self-Empowerment". Doch Marian Salzmann befürchtet, dass wir die Kontrolle verlieren – aufgrund von Desinformation.
Drei Jahre Coronavirus-Pandemie liegen hinter uns. Viel Zeit zum Nachdenken und Überdenken. Das ganze Leben wurde hybrid und digital - vom Homeoffice bis zum Homeschooling. Selbst da private Leben fand plötzlich dank Zoom & Co. über modernste Technologien statt.
Jetzt fallen die Covid-Mauern endlich. In Österreich laufen sämtliche Krisenmaßnahmen bis zum Sommer aus und auch in den USA ist der "nationalen Covid-Notstand" mit Mai ein weiteres Kapitel in den Geschichtsbüchern.
Doch was können wir uns jetzt von einem postpandemischen Planeten erwarten? Was ist die "neue Normalität"? Fragen, denen US-Trendforscherin Marian Salzman – Philip Morris International, Senior Vice President Global Communications – nachgegangen ist und festgestellt hat.
Self-Empowerment gegenüber Fehlinformationen
Wenn sie ihre Trends für 2023 in einem einzigen Begriff zusammenfassen müsste, würde er "Self-Empowerment" lauten. Sie ist sicher: Als globale Gesellschaft haben wir die Nase voll vom Zustand unserer Welt und sind mehr denn je entschlossen, etwas zu verändern. Wir überdenken unsere Lebensziele, unsere verschwenderische Konsumkultur und die Systeme, die unseren Volkswirtschaften zugrunde liegen. Und wir suchen aktiv nach neuen und besseren Wegen, auch indem wir uns die Kraft des Sounds zunutze machen und unsere hyperlokalen Welten so gestalten, dass sie gleichzeitig funktionaler, schützenswerter und zufriedenstellender sind.
Damit einhergehend warnt die Trendforscherin auch vor einer weiteren globalen Pandemie: "Dem Aufstieg von Falschinformation und Desinformation. Während sich unsere Welt in einer Weise geöffnet hat, die noch vor zwei Jahrzehnten unvorstellbar war, ist unser persönlicher Einflussbereich immer kleiner geworden – damit hängen unsere Auffassungen nicht mehr davon ab, was wahr ist, sondern davon, was innerhalb unserer eigenen Informationsblasen als Wahrheit akzeptiert wird."
Menschen mit schlechten Absichten seien imstande, Desinformationen, die beinahe augenblicklich ein Millionenpublikum erreichen können, zu verbreiten - womit wir auch schon bei einem der stärksten Trends laut Marian Salzman angelangt sind:
Wir leben in einer Gesellschaft, in der "Deepfake"-Technologie, virtuelle Influencer, von künstlicher Intelligenz produzierte Serien und virtuelle Freunde auf Abruf an der Tagesordnung sind. Die Frage, die sich hier stellt und der wir uns im Jahr 2023 und in den kommenden Jahren stellen werden: Was und wem können wir vertrauen? Mit den neuen Technologien geht es nicht mehr nur um unsere Augen und Ohren. Die Zunahme von Fehlinformationen und Desinformation ist so gravierend, dass die Vereinten Nationen die Mitgliedsstaaten aufgefordert haben, Maßnahmen zur Förderung der digitalen Kompetenz zu ergreifen.
„"Die Frage, die sich hier stellt und der wir uns im Jahr 2023 und in den kommenden Jahren stellen werden: Was und wem können wir vertrauen?"“
Nachdem die Menschen die traditionellen Postulate der Arbeit und des Wertes der Hochschulbildung nicht mehr unkritisch akzeptieren, stellen sie auch das System in Frage, das all dem zugrunde liegt: den Kapitalismus. Dieses Wirtschaftssystem, das sich Anfang des 19. Jahrhunderts in Europa durchsetzte und sich über die ganze Welt ausbreitete, wird heute als Ursache für alle möglichen Übel angeführt, vom Klimawandel und der ökologischen Zerstörung bis hin zu wirtschaftlichen Ungleichheiten und zunehmenden psychischen Störungen. Eine weltweite Umfrage von Edelman aus dem Jahr 2019 ergab, dass 56 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Meinung sind, dass der Kapitalismus in seiner heutigen Form mehr Schaden als Nutzen in der Welt anrichtet.
Laut einer GlobeScan-Umfrage in 17 Ländern, bei der 65 Prozent der Befragten die Situation als "sehr ernst" einstuften, hat die öffentliche Besorgnis über die Klimakrise einen historischen Höchststand erreicht. In einer Umfrage, die 2022 in 31 Ländern durchgeführt wurde, gaben 4 von 10 Teilnehmern an, dass der Klimawandel sie davon abhält, Kinder zu bekommen. Im Jahr 2023 werden wir mehr Innovationen im Bereich des Umweltbewusstseins sehen, wie zum Beispiel neue Liefermodelle, Kohlenstoff-Fußabdruck-Etiketten auf Lebensmitteln und Produkten sowie passive Nachhaltigkeitstechniken wie den so genannten "durstigen Asphalt" für überschwemmungsgefährdete Gebiete, eine neue ultraweiße Farbe, die den Bedarf an Klimaanlagen reduziert, und kleine städtische Wälder, die die biologische Vielfalt fördern - sie senken die Temperaturen und reduzieren die Umweltverschmutzung. Angesichts der weltweiten Energiekrise und der steigenden Inflation werden immer mehr Menschen auf Flugreisen verzichten und sich für Bus und Bahn entscheiden.
Wir bleiben weiterhin zu Hause
Klang wird zunehmend als mögliche Lösung für zumindest einige der Missstände in der modernen Gesellschaft angesehen. Klangbäder und Soundmappings werden verschrieben, um die Seele zu beruhigen und Ängste abzubauen. Immer mehr Menschen setzen auf braunes Rauschen, um sich zu entspannen oder ihre Konzentration zu verbessern. Im Jahr 2023 werden wir weiterhin neue (und alte) Anwendungen von Klang erforschen, darunter den Zusammenhang zwischen Stimme und Krankheit. Forscher an den National Institutes of Health sammeln Stimmdaten, um eine künstliche Intelligenz zu entwickeln, die in der Lage ist, Krankheiten von neurologischen Störungen über Autismus bis hin zu Krebs auf der Grundlage der Sprache einer Person zu diagnostizieren.
Die Menschen schaffen sich immer kleinere Welten, die sich konsequent auf ihr Zuhause konzentrieren, das heute oft auch ihr Arbeitsplatz ist. Die Menschen fühlen sich nicht nur wohl, sondern haben auch ein größeres Bedürfnis, sich gegen alles zu schützen, von mutierenden Viren und Wetterereignissen bis hin zu unsicheren Arbeitsmärkten und Lieferketten. Sie statten ihre Häuser mit der Technologie, den Vorräten und den Unterhaltungsmöglichkeiten aus, mit denen sie glauben, jede drohende Krise zu überstehen.
„Sie statten ihre Häuser mit der Technologie, den Vorräten und den Unterhaltungsmöglichkeiten aus, mit denen sie glauben, jede drohende Krise zu überstehen.“
Im Jahr 2023 werden immer mehr Menschen ihr Zuhause in einen Zufluchtsort für Gesundheit und Wohlbefinden verwandeln. Der Markt für Zimmerpflanzen wird bis 2029 voraussichtlich auf über 24 Milliarden Euro ansteigen, gegenüber weniger als 16 Milliarden Euro im Jahr 2021. Immer mehr Unternehmen stellen vorgefertigte modulare Kabinen her, die als Meditationsräume (oder einfach als Oasen ohne Kinder) dienen können. Und immer mehr Duschen bieten multisensorische Erlebnisse mit hydrotherapeutischen Behandlungen, Beleuchtung, personalisierten Klängen und vielem mehr.