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Ließ Putin Kreml-Kritikerin in Deutschland vergiften?

Weil ihr in Russland der Tod drohte, flüchtete eine Journalistin nach Deutschland. Doch der lange Arm des Kremls scheint auch nach Berlin zu reichen.

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Die russische Exil-Journalistin Jelena Kostjutschenko soll in Deutschland vergiftet worden sein.
Die russische Exil-Journalistin Jelena Kostjutschenko soll in Deutschland vergiftet worden sein.
imago stock&people

Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine soll die Regierung von Wladimir Putin mehrere Attentate mit Gift auf oppositionelle Journalisten im Ausland verübt haben, wie das russische Online-Magazin "The Insider" berichtet. Unter anderem auch in Deutschland: So soll die Journalistin Jelena Kostjutschenko im Oktober 2022 in München Opfer eines Giftanschlags geworden sein.

Zuvor hatte Kostjuchenko für die Oppositionszeitung "Nowaja Gseta" über russische Kriegsverbrechen in den besetzten ukrainischen Gebieten berichtet. Während ihrer Zeit dort wurde sie von russischen Agenten schikaniert, und der Chefredakteur der "Nowaja Gaseta", Dmitri Muratow, erhielt vom ukrainischen Geheimdienst Hinweise auf russische Pläne zu ihrer Ermordung. Statt nach Russland zurückzukehren, suchte Kostjutschenko daraufhin Zuflucht in Deutschland und schreibt dort seit 2022 für das exilrussische Portal "Meduza".

Fußberührung im Zug mit schweren Folgen?

In ihrem Bericht schreibt sie über die Umstände des Anschlags. Während einer Zugfahrt nach München am 17. Oktober 2022 sei sie am Fuß berührt worden, während sie geschlafen habe. Als sie später in der Stadt mit einer Freundin in einem Café zu Mittag aß, bemerkte sie, dass sie keinen Geschmackssinn mehr hatte – zudem blieben drei vermeintliche Bekannte ihrer Freundin zweimal an ihrem Tisch vorbeigekommen und stehen geblieben. "Was für eine kleine Stadt München doch ist", habe sie noch gedacht. "Jeder scheint sich dort zu kennen."

Auf dem Nachhauseweg habe sie sich dann nicht mehr konzentrieren können, ihr Schweiß habe verfault gerochen. Als sie schließlich zehn Tage später zum Arzt kann, diagnostiziert dieser bei ihr zunächst Post-Covid-Symptome. Doch ihre Blutwerte sind alarmierend, ihre Leberwerte teils fünfmal höher als normal. Erst ein weiterer Spezialist fragt die Journalistin, ob sie möglicherweise vergiftet wurde.

"Bin für Putin doch nicht gefährlich"

Doch Jelena Kostjutschenko denkt an nichts Böses. "Nein, so gefährlich bin ich für Putin doch nicht", habe sie dem Arzt gesagt und zu Hause mit einer Freundin gar noch gewitzelt: "Natürlich, wenn du eine russische Journalistin bist, muss es eine Vergiftung sein!"

Mitte Dezember hatten sich ihre Blut- und Leberwerte weiter verschlechtert, wofür es laut dem Spezialisten nur einen logischen Grund gibt: Die russische Exiljournalistin wurde im Zug nach München mit einer chlororganischen Verbindung vergiftet. Dies bestätigen auch andere Experten gegenüber dem "Insider".

Deutsche Behörden sollen versagt haben

Kostjutschenko hat den Angriff überlebt, ist aber immer noch geschwächt. In ihrem Bericht stellt sie auch den deutschen Behörden kein gutes Zeugnis aus: Sie berichtet von bürokratischen Hürden, schlechter Kommunikation und falschen Bluttests. So sei sie etwa nur auf Antidepressiva, Narkotika und Alkohol getestet worden, Anzeichen auf eine Vergiftung habe die Untersuchung wegen versuchten Mordes der Berliner Polizei keine gefunden. Nachdem die Informationen der Experten an die Behörden weitergeleitet wurden, wurde der Fall am 21. Juli 2023 wieder eröffnet.

Laut Christian Mihr, dem Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen", stellen die drei Angriffe auf russische Journalistinnen eine beispiellose Eskalation dar. Es sei das erste Mal, dass der Kreml seit Anfang des Kriegs Gift gegen im Ausland lebende russische Journalisten eingesetzt habe. Mihr fordert daher, dass die deutschen Behörden und Organisationen, die verfolgte Journalisten und Journalistinnen unterstützen, für diese Bedrohung sensibilisiert werden.

Während Kostjutschenko mit dem Leben davongekommen ist, hat der Kreml mutmaßlich mit Gift auch schon prominente Kritiker für immer zum Schweigen gebracht. Doch sind es nicht immer mysteriöse Gesundheitsleiden, teils finden mächtige Politiker und Wirtschaftsgrößen auch weit gewaltsamere Tode. Das erfuhren Ende August auch die beiden Wagner-Anführer Jewgeni Prigoschin und Dmitri Utkin am eigenen Leibe, als ihr Privatjet unter mysteriösen Umständen im russischen Luftraum abstürzte.

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    ALEX WROBLEWSKI / AFP / picturedesk.com