Community

Lebensmittelentsorgung: Filialleiter packt aus

Heute Redaktion
Teilen

Ein Wiener Supermarkt warf kiloweise Weihnachtsschokolade in den Müll. "Heute" sprach mit einem Insider über die gängigen Vorgehensweisen der Einzelhändler.

Der Bericht über die weggeworfene Schokolade sorgte unter den "Heute"-Lesern für Entsetzen. Die Süßigkeiten waren nicht über dem Haltbarkeitsdatum, sondern wären noch monatelang genießbar gewesen. Doch die Schoko-Nikolos und Krampusse waren einem Supermarkt in Wien, zwei Wochen nach Heiligabend, nicht mehr zeitgemäß – also musste die Ware entsorgt werden.

Wiener Filialleiter packt über gängige Methoden aus



"Heute" sprach mit einem Mann, der in Wien seit mehreren Jahren in verschiedenen Supermärkten gearbeitet hat. Mittlerweile ist Markus N. (Name redaktionell geändert) Filialleiter und kennt sich in der Branche bestens aus. Für ihn war der Bericht alles andere als eine Überraschung.

"Wenn eine Ware nicht mehr dem jeweiligen Sortiment entspricht, wird sie zuerst reduziert angeboten und in weiterer Folge entsorgt", erzählt Markus. Das gleiche gilt für Lebensmittel, die dem Ablaufdatum näher kommen.

Es herrsche ein enormer "Warendruck" auf die Filialleiter, wodurch grundsätzlich immer zu viel Ware bestellt werde. "Der Fall, dass ein Lebensmittel zu knapp wird oder gar fehlen könnte, darf unter keinen Umständen auftreten. Da nehmen es viele in Kauf, dass die Produkte im Nachhinein weggeschmissen werden - das ist gängige Praxis", so Markus N. gegenüber "Heute".

Markus N. setzt aber noch einen drauf: "Man kauft eben viel ein und schmeißt im Endeffekt auch viel weg. Das ist so budgetiert und in den Kosten eingerechnet." Umso weniger wundert es ihn, dass einwandfreie Ware, die nicht abgelaufen ist, trotzdem im Müllcontainer landet. Findet das Weihnachtssortiment keine Käufer mehr, wird es einfach entsorgt.

Demnach gibt es in dieser Angelegenheit keine Rücksicht auf Verluste der Supermärkte. Den Mitarbeitern ist es natürlich verboten über diese Missstände außerhalb des Betriebes zu berichten - wer nicht schweigt, wird gekündigt.

Einige Filialen haben Abmachungen



Wohltätigkeitsorganisationen kontaktieren in regelmäßigen Abständen, etwa ein bis zwei mal pro Woche, bestimmte Supermärkte. Dabei wird angefragt, ob es unbenötigte Ware gäbe, die man herschenken könnte. "Gegebenenfalls werden dann die Produkte abgeholt und man kann sie sinnvoll für bedürftige Menschen verwenden. Das sind aber eher Ausnahmefälle.", berichtet Markus.

Haftungsfrage als großes Problem

"Das eigentliche Dilemma ist die Haftungsfrage!", klärt Ing. Dr. Karin Büchl-Krammerstätter, Leiterin der Wiener Umweltschutzabteilung - MA 22, auf. "Für die Weitergabe von Lebensmitteln an soziale Einrichtungen gelten alle Bestimmungen des österreichischen Lebensmittelrechts, insbesondere auch jene über die Lebensmittelsicherheit, ohne Einschränkungen."

Heißt: Derjenige, der Lebensmittel an Letztverbraucher abgibt, übernimmt die volle Verantwortung und ist dafür haftbar. Die Haftungsfrage verkompliziert die Weitergabe der Ware und hat somit einen wesentlichen Anteil an der tonnenschweren Verschwendung. (mz/mp)