Vorarlberg
Lawinen-Unglück – hätte Piste gesperrt sein müssen?
Beim Lawinen-Unglück in Vorarlberg wurde eine Person schwer verletzt. Teile der Lawine hatten die Piste erreicht. Experten klären, wer haften könnte.
Im Skigebiet von Lech/Zürs in Vorarlberg hat sich am Sonntag eine Lawine gelöst. Ausläufer davon haben die Skipiste erreicht. Eine Person wurde schwer verletzt, drei weitere leicht. Zwei Lawinenexperten ordnen ein.
„Was könnten die Gründe sein?“
"Es ist noch zu früh, den exakten Auslöser der Lawine zu benennen. Zuerst braucht es eine genaue Analyse", sagt der Österreicher und Lawinenexperte Peter Höller. Eine Rolle könnten aber der Neuschnee und die steigenden Temperaturen gespielt haben. Heinz Walter Mathys, Lawinenexperte und Ehrenpräsident der Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten (SKUS), geht nicht davon aus, dass die Lawine von Schneesportlerinnen und Schneesportler abseits der Piste ausgelöst wurde: "Es war eine spontane Auslösung. Bei solchen Witterungs- und Schneeverhältnissen kann es schnell passieren, dass sich eine Schneedecke löst, insbesondere an einer exponierten Stelle wie derjenigen am Trittkopf."
„Welche Sicherheitsvorschriften gelten für Pisten?“
"Grundsätzlich sind Pisten gekennzeichnet, präpariert, kontrolliert und vor alpinen Gefahren geschützt", sagt Höller. Die Lawinenkommissionen prüfen und analysieren täglich die Wetterdaten, führen genaue Geländeerhebungen durch und erstellen Schneeprofile. "Wenn es die Situation erfordert, werden kontrollierte Sprengungen veranlasst", so Höller. Laut Mathys müssen Pisten geschlossen werden, wenn die Sicherheit der Schneesportlerinnen und Schneesportler nicht gewährleistet werden kann.
„Wer kann dafür haftbar gemacht werden?“
Medienberichten zufolge ermitteln die Behörden unter anderem wegen fahrlässiger Körperverletzung. Laut Höller sind die Betreiber des Skigebiets für die Sicherheit verantwortlich. "Grundsätzlich können die Betreiber haftbar gemacht werden, solange eine eindeutige Schuld ausgemacht werden kann." Je nachdem, ob Menschen verletzt wurden oder tödlich verunglückt sind, drohen den beschuldigten Personen entsprechende strafrechtliche Konsequenzen. Oftmals sei es aber nicht mehr möglich, den ursächlichen Zusammenhang zu eruieren.
Aber auch Wintersportler, die eine Lawine auslösen und so jemand anderen konkret gefährden, müssen mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. "Wenn Menschen infolge der Lawine nicht nur gefährdet, sondern verletzt werden oder ums Leben kommen, stehen die Tatbestände der fahrlässigen Tötung oder fahrlässigen Körperverletzung im Vordergrund", sagt Höller. Laut Mathys entspricht dies auch der schweizerischen Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht, wobei hier der Tatbestand der fahrlässigen Tötung eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zur Folge haben kann.
„Gab es ähnliche Vorfälle in der Vergangenheit?“
"Lawinen auf Pisten sind glücklicherweise sehr selten", sagt Höller. Der letzte tödliche Unfall auf einer Skipiste in Österreich ereignete sich 2012 in Ischgl. In der Schweiz donnerte im Februar 2019 eine Lawine auf eine Skipiste in Crans-Montana. Eine Person kam ums Leben. Im selben Jahr ging auf einer Skipiste im Gebiet in Andermatt eine Lawine nieder. Zwei Personen wurden leicht verletzt. Bei einem Lawinenniedergang in Davos im Februar 2000 kamen drei Menschen ums Leben, zwei davon auf einer Piste. "Dass Lawinen gesicherte und geöffnete Pisten erreichen, ist äußerst selten, aber nicht ausgeschlossen", sagt Mathys. Trotzdem dürfe so etwas nicht passieren: "Es ist ein Riesenglück, dass in Vorarlberg niemand ums Leben kam."