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Landet Erdogan jetzt "auf Müllhaufen der Geschichte"?
Die "Schicksalswahl" in der Türkei steigt am Sonntag. Viele Austro-Türken haben bereits gewählt: Alles scheint möglich, auch Erdogans finaler Abgang.
Am 14. Mai entscheidet sich, ob Recep Tayyip Erdogan, der seit 2014 das Präsidentenamt bekleidet, weiterhin an der Macht bleibt. Gleichzeitig wird auch das Parlament neu gewählt – erstmals seit Jahren kündigt sich an beiden Fronten ein knappes Rennen an. Ein Machtwechsel scheint alles andere als ausgeschlossen, Erdogans sozialdemokratischer Herausforderer Kemal Kilicdaroglu erfreut sich großer Beliebtheit. Gleichzeitig wächst die Unzufriedenheit mit der Situation im Land, die die jüngsten Erdbeben-Katastrophen noch verschärft hat. Türkische Wahlberechtigte in Österreich, üblicherweise sehr Erdogan-treu, zeigen sich aktuell gespalten.
Das "Ö1-Morgenjournal" hat sich am Ottakringer Brunnenmarkt umgehört, einem Hotspot der türkischen Community in Wien und Österreich. Viele Befragte zeigen sich unzufrieden mit dem amtierenden Präsidenten und seiner Partei. Die wirtschaftliche Lage sei schlecht, die Preise hoch. Hingegen sei der "Lebensstandard niedrig", wie ein türkischer Wahlberechtiger meint. Ein anderer bemängelt die Einschränkungen bei Demokratie und Pressefreiheit. Einige sehen einen Machtwechsel an der Zeit, regiert die AKP nun doch schon seit 20 Jahren.
Gespaltener Brunnenmarkt
Ein weiterer Wahlberechtiger am Brunnenmarkt findet zwar, dass "ein anderer" besser wäre, zweifelt aber daran, dass es zu einem Wechsel an der Spitze des Staates am Bosporus kommen wird. Denn: "Erdogan ist stark". "Fifty-Fifty" schätzt ein anderer Austro-Türke die Chancen ein. Trotz der schwierigen Lage im Lande halten immer noch viele an Erdogan fest. Ein Gemüsehändler ist sich sicher: Er hat viel für das Land getan. "Spitäler, Autobahnen, Fabriken" – für den Befürworter haben die Türken dem Langzeit-Präsidenten viel zu verdanken.
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Ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Opposition gute Chancen ausrechnet und das Rennen knapp wird: Im Vergleich zu den letzten Wahlen haben bereits deutlich mehr Austro-Türken ihre Stimme abgegeben. Am Freitag haben schon 56 Prozent (62.300) gewählt, das sind um 11.000 mehr als vor fünf Jahren. Wie Hakan Akbulut von der Uni Kaiserslautern im "Ö1-Morgenjournal" meint, verdeutlicht das den Optimismus der Opposition.
Jungwähler gegen Erdogan
Hinsichtlich der alten Diskussion, ob es Sinne ergibt, dass Personen, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, in der Türkei wählen, hält der Experte interessante Perspektiven bereit. Einerseits sei es so, dass viele in Österreich nicht wahlberechtigt wären, nicht einmal auf kommunaler Ebene, so Akbulut. Andererseits hätten viele einen ungebrochen starken Bezug zu ihrem Heimatland und wollen im Alter vielleicht auch wieder zurückkehren. Wegen dieser "starken emotionalen Verbundenheit", so Akbulut "möchten (viele) über die Zukunft des Landes mitbestimmen".
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Neben den Auslandstürken (knapp 3,5 Millionen) könnten auch die Jungwähler dieses Mal den Unterschied machen. Laut einer Umfrage wollen nur 20 Prozent der unter 25-Jährigen Erdogan wählen. Viele Junge stehen für freie Meinungsäußerung und mehr Freiheit im Allgemeinen ein. Kemal Kilicdaroglu umwirbt die Jungwähler mit dem Versprechen eines kostenlosen Internet-Zugangs und dem Wegfall der Steuer beim Kauf von Handys.
"Müllhaufen der Geschichte"
Eine weitere, möglicherweise entscheidende Gruppe sind die Kurden, die ein Fünftel der Wahlberechtigten ausmachen. Standen anfangs viele hinter Erdogan, da er den Dialog mit der Minderheit suchte, hat sich das Klima in den letzten Jahren sukzessive verschlechtert. Nun unterstützt die Kurdenpartei HDP offen Erdogangs Widersacher Kilicdaroglu – selbiges gilt auch für die Grünen. Abbas Sahin wendet sich direkt an Erdogan, wenn er sagt: "Wir werden dich auf den Müllhaufen der Geschichte werfen."