Die Ausgangslage vor dem ersten Duell im Fernsehstudio für die Bundestagswahl am 23. Februar war klar: Die Umfragen weisen CDU-Chef Friedrich Merz als klaren Favoriten für das Amt des Bundeskanzlers aus, Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD) liegt deutlich zurück. 90 Minuten dauerte der direkte Schlagabtausch, bei dem beide ihre politischen Differenzen herauszuarbeiten versuchten. Zentrale Erkenntnisse des TV-Duells:
Amtsinhaber Scholz ging sofort in die Offensive und schlug einen zeitweise gereizten Ton gegen Merz an. Einige Beispiele: "Doof" fand der Kanzler die Forderung von Merz nach Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze. "Lächerlich" fand er Merz' Vorstellungen zur Finanzierung eines höheren Wehretats. Das Zusammenwirken mit der AfD bei der Migrationsabstimmung im Bundestag wertete Scholz als "Wortbruch" des CDU-Kandidaten. Beim Thema Migrationspolitik fuhr Scholz den CDU-Chef verärgert an: "Ich finde, Sie reden drumrum und deshalb erzählen sie was Falsches."
Der CDU-Chef gilt als durchaus impulsiv und reizbar. In der TV-Debatte bemühte er sich aber um staatsmännische Gelassenheit – fast so, als sei er schon der Amtsinhaber. Merz referierte Daten zur schlechten Konjunkturlage und arbeitete Punkt für Punkt die Politikfelder durch, in denen Scholz' Regierung seiner Ansicht nach falsche Entscheidungen getroffen hat: Migration, Bürgergeld, Energie, Wirtschaftspolitik. Verbalattacken vermied er weitgehend, stellte den Kanzler aber als etwas entrückt dar: "Herr Scholz, bitte, sie leben nicht in dieser Welt", sagte Merz zu Scholz' Migrationspolitik. Der Kanzler lebe in einem "Märchenschloss".
Scholz und Merz waren sich in einem einig: Das Erstarken der AfD sehen sie als Gefahr. Ansonsten herrschte bei diesem Thema wenig Einigkeit: Er könne nicht sicher sein, ob Merz nach der Wahl mit der AfD zusammenarbeite, sagte Scholz und verwies auf einen mithilfe der AfD im Bundestag verabschiedeten Unions-Antrag zur Migrationspolitik. Merz wies dies entschieden zurück. Der CDU-Chef schob der Regierung Scholz eine Mitschuld am Aufstieg der AfD vor – wegen eines Versagens bei der Begrenzung der irregulären Zuwanderung und einer linken Politik, für die es "in diesem Lande schon lange keine Mehrheit mehr" gebe.
Kanzler Scholz brachte die Herausforderung für die künftige Regierung in einem kurzen Satz auf den Punkt: "Uns fehlt vorne und hinten das Geld." Er räumte ein, dass die Stimmung in der deutschen Wirtschaft schlecht sei. Merz warf dem Kanzler Versagen vor: "Die Menschen in Deutschland sind ärmer geworden." Bei der Debatte über die weitere Finanzierung höherer Verteidigungsausgaben schloss Merz Gespräche über eine Lockerung der Schuldenbremse nicht aus. Einig waren sich beide, dass die Menschen entlastet werden müssen – wenngleich die Details sehr vage blieben.
Dem Wirken des neuen US-Präsidenten konnten sich die beiden Kanzlerkandidaten im Berliner TV-Studio nicht entziehen, mehrfach kamen sie auf Trump zu sprechen. Merz und Scholz einte dabei eine gewisse Ratlosigkeit. "Na ja, er ist berechenbar unberechenbar", sagte Merz über den US-Präsidenten. Einig waren sich beide bei ihrer Einschätzung der Ankündigungen von US-Präsident Donald Trump zum Gaza-Streifen: Scholz wertete dies als "nicht akzeptabel", Merz pflichtete ihm bei. Gegensätzlicher Ansicht waren beide bei der Entscheidung von Trump, in den USA nur noch zwei Geschlechter zuzulassen. Merz findet das nachvollziehbar, Scholz hingegen unangemessen.