Politik
Kurz stellt sich in Brüssel gegen Merkel-Orban-Abtausch
Lange Nächte in Brüssel! Kanzler Kurz ringt mit den EU-Regierungschefs um das Finanz- und Krisenpaket. Dabei kommt es zu Streit.
Beim Sondergipfel in Brüssel bietet sich das Bild eines ein völlig verfahrenen EU-Streits über das Maßnahmenpaket zur wirtschaftlichen Erholung von der Corona-Krise. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist vor Ort, sagt: "Ich glaube, es ist möglich, ein Ergebnis zustande zu bringen." Dafür wäre noch ein "weiter Weg zu gehen".
"Es läuft gut"
EU-Ratspräsident Charles Michel will einen neuen Kompromissvorschlag vorlegen, dazu kenne Kurz aber noch keine Details. Für Kurz stellt sich die große Frage der Rechtsstaatlichkeit. Dafür setzt sich die Gruppe der "Frugalen" ein, bestehend aus Österreich, den Niederlanden, Schweden, Dänemark und neuerdings Finnland. Es soll eine Schwelle geben, die nicht unterschritten werden dürfe.
"Heute" erfuhr aus informierten Kreisen, dass sich die zähen Verhandlungen seit Tagen in Richtung Österreich bewegen sollen. Die Verhandlungen laufen gut, heißt es. Der Beitragsrabatt soll ständig steigen, Kurz setze sich weiter dafür ein. Zunächst seien für Österreich nur 137 Millionen Euro vorgesehen gewesen, dann 237, jetzt 287.
Die Plenarsitzung wird ab 16 Uhr fortgesetzt. Laut Insidern soll der neue Michel-Vorschlag, den Rabatt noch weiter erhöhen und Zuschüsse senken. Bis dahin wird in kleinen Gruppen verhandelt.
Merkel an Orbans Seite
Es geht um ein Finanz- und Krisenpaket von gut 1,8 Billionen Euro: ein schuldenfinanziertes Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Corona-Krise im Umfang von 750 Milliarden Euro und den neuen siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen im Umfang von mehr als 1.000 Milliarden Euro. Damit will sich die EU gemeinsam gegen die dramatische Rezession stemmen, Einigkeit, Tatkraft und Solidarität beweisen. Doch hatten sich am ersten Gipfeltag am Freitag die Verhandlungen der 27 Staaten völlig verhakt.
Samstagnacht soll zudem ein Streit zwischen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte wegen der Rechtsstaatlichkeit ausgebrochen sein. Der ins Autoritäre neigende ungarische Premier Viktor Orban pocht auf das Einstimmigkeitsprinzip, um die Streichung von EU-Zahlungen bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen. Im Klartext: Bei Verstößen könnten sich so Polen und Ungarn gegenseitig die Mauer machen uns so Sanktionen abwenden.
Rutte zog in dieser Frage eine rote Linie, die Verhandlungen gingen bis weit nach Mitternacht. Der Niedserländer will, dass eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten das Aus von Geldern beschließen kann. Somit hätten Ungarn und Polen kein "Veto" in der Hinterhand. Kanzler Kurz unterstützt Rutte. Auf der anderen Seite steht Merkel, die zugunsten eines schnellen Abschlusses des Deals Ungarn und Orban entgegenkommen will.