Politik

Eldorado für ORF – und alle Österreicher müssen zahlen

ÖVP und Grüne setzen vor dem Wahljahr voll auf die Karte ORF. Zahlreiche Medien werden für immer verstummen. Das sollten wir nie vergessen.

Clemens Oistric
Ein <em>"Heute"</em>-Kommentar von Clemens Oistric
Ein "Heute"-Kommentar von Clemens Oistric
Denise Auer, Grafik "Heute"

"404 – die aufgerufene Seite existiert nicht" – das war die einzige Meldung, die am Mittwoch unter dem "Heute"-Logo auf der Website Heute.at prangte. Normalerweise wachen unsere Leserinnen und Leser auf, und finden 22 aktuelle Artikel alleine auf der Startseite der Newsplattform. 

Künftig noch mehr Geld für ORF

Die Auflösung der Protestaktion folgte zum Start der letzten Plenums-Woche vor einer 73-tägigen Sommerpause, die sich unsere Abgeordneten gönnen: Mit Regierungsmehrheit wird die türkis-grüne Koalition am Mittwoch das umstrittene ORF-Gesetz durchs Parlament peitschen.

Es wird den Küniglberg-Granden ab 2024 noch mehr Geld in die Kassen spülen. Alle Österreicher müssen ab dem kommenden Jahr nämlich eine verpflichtende Haushaltsabgabe von 184 Euro jährlich für den öffentlich-rechtlichen Sender entrichten – ganz egal, ob sie ihn überhaupt konsumieren. Das ist im Jahr 2023 auch insofern ein Skandal, als ein Drittel der Österreicher zuletzt bei einer Ifes-Umfrage (wohlgemerkt im Auftrag des ORF) angab, dass sie den ORF nicht vermissen würden.

Eine Milliarde (!) pro Jahr für ORF

Wie auch immer: Rechnete der Konzern für 2023 noch mit 676,2 Millionen Euro Einnahmen aus der GIS, erweitert sich der Kreis der Bezahler ab 2024 auf vier Millionen Haushalte. Man kalkuliert mit 710 Millionen Euro – überwiesen von den Österreicherinnen und Österreichern sowie Unternehmen. Da der ORF auch noch rund 220 Millionen Euro am Werbemarkt erwirtschaften darf und seine sonstigen Umsätze mit jährlich 130 Millionen Euro bemisst, steht dem ORF rund eine Milliarde Euro jährlich zur Verfügung! Das Radio-Sinfonieorchester müssen die Steuerzahler noch extra brennen. 

Meiste Regierungsinserate für ORF

Übrigens: Die öffentliche Hand inseriert um 25,5 Millionen Euro beim ORF, der diese Form der Einschaltungen bei anderen gerne kritisiert. Selbst hält er freilich auch hier gerne die Hand auf. Doch damit nicht genug: Künftig schenkt Medienministerin Susanne Raab mit ihrem uninspirierten Gesetz dem ORF auch noch ein regelrechtes "Online-Eldorado": Neben 50 News-, 50 Sport- und 102 Bundesländermeldungen darf der Sender auf ORF.at bald jeden Tag 167 Videos mit Teasertexten veröffentlichen – und diese sogar eigens für das Internet anfertigen.

Knickte vor den Grünen ein. Medienministerin Susanne Raab
Knickte vor den Grünen ein. Medienministerin Susanne Raab
Sabine Hertel

Gedopt mit jenen 710 Millionen Euro, die er den Österreichern in Zeiten einer Rekordteuerung abgenommen hat, kann der ORF die größte Redaktionsleistung des Landes finanzieren und kommt auf weit über 70 Prozent Online-Reichweite, die er auch noch am privaten Werbemarkt vermarkten darf (in der Schweiz undenkbar).

Für Private bleibt künftig kaum noch Markt übrig. "Kurier" und "Kleine Zeitung" mussten zuletzt verdiente Journalisten kündigen, auch der "Standard" trennt sich von zehn Mitarbeitern. Die "Wiener Zeitung" ist zugedreht, die Online-Links weisen eine dauerhafte Fehlermeldung auf. 

Viele Medien werden wegbrechen

"Heute" wird das durchstehen. Wir bekommen – wohl längst EU-rechtswidrig – schon bisher keinen Cent Presseförderung. Unsere 3,7 Millionen Leserinnen und Leser  machen uns stark – und interessant für die Werbewirtschaft. Aber wir erheben unsere Stimme auch für alle kleinen Marktteilnehmern in den Bundesländern, die einen wertvollen Beitrag zur Medien- und Meinungsvielfalt im Land leisten oder für Magazin-Kollegen, die die digitale Transformation bisher sträflich verschlafen haben. Mit ihren geringen Reichweiten werden sie ihre Redaktionen in der neuen Online-Welt nicht finanzieren können.

Der Regierung ist all das egal. Die Grünen, denen alles, was nicht ihrer Gesinnung entspricht, von Haus aus suspekt ist, zählen vor dem Wahljahr nur auf den ORF. Sie wollen offenbar, dass alle Österreicher nur noch das Staats-TV schauen. Dort ist "ihr" ehemaliger VdB-Wahlkampfmanager nun Stiftungsratsboss und darf im Hauptabendprogramm darüber referieren, warum der ORF noch mehr dürfen soll. Bei Oppositionspolitikern werden schon jetzt 25 Jahre alte (!) Anträge minutenlang seziert.

Wir sollten uns merken, welche Politiker heute für Susi Raabs Gesetzespfusch stimmen. Und darauf hoffen, dass die nächste Regierung das 2024 repariert ...

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